DV-Branche: Seltsame Logik der Verlierer

01.05.1992

Mips Computer macht Miese. Schön strömt die Rede von Mips-Chef David G. Ludvigson: "Nachdem bekanntwurde, daß wir von Silicon Graphics übernommen werden, hielten sich irritierte OEM-Abnehmer mit Aufträgen zurück." Das ist zwar richtig, lenkt jedoch von den eigentlichen Problemen ab, nach dem Muster: Man mache aus der Wirkung eine Ursache. Und dann ist eben das Presseecho auf die Übernahme schuld an der Misere. Daß das in dieser Vereinfachung nicht stimmt, weiß natürlich auch Ludvigson. Zur Erinnerung: Bull, einer der Interessenten für den Mips-Prozessor, ging auf dem RISC-Sektor eine Partnerschaft mit IBM ein - die Franzosen machten kein Hehl daraus, daß sie den Mips-Aussagen mißtrauten. Beispiel DEC: Der Minicomputer-Marktführer wird es schwer haben, sein Alpha-Engagement gegen die Mips-Connection abzugrenzen - die Vorstellung wäre absurd, Digital würde die eigenen Interessen hintanstellen, um die ACE-Initiative am Leben zu erhalten.

Die Olsen-Company hat genug mit sich selbst zu tun. Das schwache Ergebnis des letzten Quartals schockte die Wallstreet-Analysten. So kann es nicht weitergehen. Aber wie die Lösung aussieht, vermag niemand zu sagen. War es ein Fehler, alles auf die Alpha-Karte zu setzen? Olsen beklagt, daß die Anwender so wenig auf ihn hören. Die proprietäre VAX unter VMS könne es mit jedem System aufnehmen. Unix? Man wolle ihn, Olsen, doch nicht auf den Arm nehmen? Nein, gewiß nicht - so tönen die Ja-Sager im Digital-Management. Alpha muß her, koste es, was es wolle. DEC sei schließlich nicht irgendein Hersteller.

Hier haben wir dieselbe seltsame Logik, die auch die Mips-Argumentation auszeichnet. Zur Erinnerung: Vor ein paar Jahren glaubte DEC, sich die RISC-Chip-Entwicklung nicht leisten zu können. Was damals vernünftig war, soll heute nicht mehr gelten? Sollte sich das Markt-Szenario auf wundersame Weise positiv für DEC verändert haben? Die Realität spricht dagegen. Das Gesetz des Handelns wird im Markt der offenen Systeme nicht mehr von einzelnen Herstellern bestimmt, die ihre proprietären Pfründe schützen wollen. Die Anwender beklagen, daß die Hersteller so wenig auf sie hören und sie verhalten sich entsprechend. Vorschnell wäre allerdings die Annahme, dies müßte auch Ken Olsen bekannt sein.

Bei Digital liegt etwas Schlimmeres vor als die weit verbreitete Unfähigkeit, auf Markttrends zu reagieren. Olsen verlangt - man muß es so hart formulieren -, daß seine Mitarbeiter ihm folgen, die Generallinie der DEC-Politik nicht in Frage stellen. Der DEC-Führungsstil ist durch Autorität geprägt. Nixdorf fällt einem ein. Ermutigend ist, daß die Digital-Mannschaft Kritik am Management übt. Nixdorf muß sich nicht wiederholen.