DV-Branche muß Anwendern auf die Sprünge helfen

13.04.1990

TK-Anbieter und Post haben bei ISDN in gewisser Hinsicht ihr Soll erfüllt. Jetzt ist neben der Telekom die DV-Industrie damit an der Reihe, für sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten zu sorgen. Dabei lautet eine "Faustregel": Es fallen keineswegs nur ISDN-spezifische Probleme an, sondern vor allen Dingen Schwierigkeiten, die sich im Rahmen heterogener Rechner- Welten ergeben.

Für das Gros der Benutzer blieb ISDN bisher ein technischer Begriff. In Diskussionen stehen meistens Schnittstellen, ISDN-TK-Anlagen, ISDN-Kanäle und -Geschwindigkeiten sowie die politische Einschätzung dieses Mediums im Vordergrund. ISDN als Anwendung geht schlichtweg unter. So beginnt beispielsweise Horst-Werner Brandt, Stadtdirektor der Stadt Nordhorst, seinen auf dem diesjährigen Fachforum Online gehaltenen Vortrag mit den Worten: "Die Literatur zur Telekommunikation im allgemeinen und zu ISDN im besonderen befaßt sich beinahe ausschließlich mit technischen Aspekten. So kann der Eindruck entstehen, die sinnvolle Anwendung ergebe sich zwangsläufig von selbst."

Dieter Steinle, Vorsitzender der Benutzervereinigung Count (Communication User's & Network Technology Exchange e.V.) aus Gäufelden gibt wieder, was die Branche ziemlich unisono bekundet: "Zunächst ist ISDN ein transparentes Transportmittel und digitales Netz mit entsprechenden Möglichkeiten der Mehrfachnutzung. Daneben offeriert die Post die Möglichkeit, auf dieser Basis ein entsprechend schnelles Teletex, ein Fax Gruppe vier, Bildschirmtext mit 64 Kilobit und sogar Bildtelefonie zu realisieren. Das sind nicht unbedingt ISDN-typische Dienste, sie laufen jedoch jetzt schneller und sind qualitativ hochwertiger." ISDN stelle also lediglich eine schnelle und kostengünstige Übermittlung dar.

Arbeiten nun zwei Kommunikationspartner mit unterschiedlichen Software-Umgebungen, so läßt sich dieses Problem durch ISDN allerdings nicht beheben. Hier spielen je nach den gegebenen Bedingungen Konvertierungen, Adapter, Datenbanken, Schnittstellen, Betriebssysteme, die Bedieneroberflächen-Struktur und eine Weiterentwicklung von Standards oder aber die softwaretechnische Übernahme beispielsweise einer Fax-Nachricht in die weitere Bearbeitung eine Rolle. Hier sehen viele Anwender heute noch eine Grauzone, die sie möglicherweise vor Investitionen in den neuen Dienst abhält.

So klingt denn Steinles Tenor hinsichtlich der Benutzeroberfläche plausibel. Jedoch steht die konkrete Umsetzung in die ISDN-Welt noch aus: "Der Anwender kann mit Windows arbeiten, mit dem Presentation Manager oder mit Office Vision, das hat ja alles nichts mit dem diensteintegrierenden Netz zu tun."

Den Schwarzen Peter also ISDN zuzuschieben ist seiner Meinung nach falsch. Aufgrund der realisierbaren Geschwindigkeit komme ISDN jedoch "eine Katalysator-Funktion für die Entwicklung entsprechend mächtiger Oberflächen und flexibler Systeme" zu.

So sei es nach entsprechender Einigung auf der Endgeräte-Seite möglich, über dieses Netz ganze Datenprofile und nicht nur einzelne Sätze zu übermitteln - ob nun in Oracle, Dbase oder DB2.

Otto F. Schröter, Inhaber des Büros für Kommunikationstechnik aus Lossburg-Rodt, rollt ISDN ebenfalls von der Transportdienst-Seite auf und gibt zu bedenken, daß sich hinsichtlich der Nutzung dieses Dienstes nun in erster Linie die datenverarbeitende Industrie und der Anwender selbst engagieren müßten: "Das ist mein Kernsatz zu diesem Thema. Die größten Bremser für das Durchsetzen von ISDN sind die DV-Hersteller und nicht die Post."

Schröter wehrt sich gegen den Begriff der ISDN-Anwendung: "Es geht um Datenübermittlungen, die nicht unbedingt dieses Medium voraussetzen." Spezielle ISDN-Potentiale aufgrund der Übertragungsrate von 64 Kbit pro Sekunde könnten aber die Entwicklung von spezieller Standardsoftware forcieren.

Nochmals der Kommunikationsberater: "Das ist ein phantastischer Anstoß. Ich glaube, bei DEC hat es inzwischen geschnackelt. Auf der CeBIT kündigte Digital ISDN-Adapter für fast sämtliche Vax-Rechner an. Und IBM zeigte auf der Messe erstmalig die Verbindung von Telekommunikations-Anlagen mit der AS/400." Bereits Vorarbeit geleistet hätten auch verschiedene Softwareanbieter.

Softwareschmieden, die sich ja zunehmend der leidigen ISDN-Anwendungen annehmen - von ihnen wird im Fortlauf des Artikels noch ausführlicher die Rede sein - denken daher erst einmal im Geschwindigkeitsbereich um: Im Gegensatz zu den bisher meist üblichen 2,4 Kbit oder 9,6 muß die einschlägige Kommunikationssoftware nämlich auf 64 Kbit pro Sekunde getrimmt werden.

Schröter räumt aber auch ein, daß von der zeitaufwendigen und personalintensiven Anwendungsentwicklung bei ISDN bisher kaum die Rede war. Allerdings - so sein Argument - dürfte der in diesem Zusammenhang notwendige Personaleinsatz sich durch die hohen Gebühreneinsparungen schnell amortisieren.

Für Verzögerungen bei der Erstellung von ISDN-Software macht der Kommunikationsberater aus Lossburg unter anderem die fehlende Planung und Durchführung entsprechender Maßnahmen bei den Anwendern, einen Mangel an Beratung durch die TK-Hersteller, Engpässe bei sachkundigem Personal sowie vor allem fehlende Schulungsmaßnahmen verantwortlich.

Wolfgang Steiert, Vizepräsident im Bereich Business und Development bei Northern Telecom, bringt seinen Standpunkt ebenfalls auf die Formel "ISDN einerseits, Anwendungen andererseits". Im Mittelpunkt stehe eben die Neuartigkeit des Netzes. Der Telecom-Experte bringt aber auch zum Ausdruck, daß im Inhouse-Bereich ISDN dem LAN letztendlich doch nicht das Wasser reichen kann: "Echte Datendienste wie in einem lokalen Netz sind nicht möglich."

Außerdem weist er darauf hin, daß der Anwender im Nebenstellen-Bereich durch eine nach amerikanischem Muster organisierte Centrex-Struktur keine PBXen mehr selbst kaufen muß. Auf diesem Wege könne er über die Post-Vermittlungsstelle individuelle und "spontane" TK-Anliegen, so zum Beispiel den Wunsch nach "drei Nebenstellen mehr" oder die Einrichtung von 50 Nebenstellen "von heute auf morgen" realisieren. Auch hierzulande könnte dies eine weitere Ankurbelung für ISDN bedeuten.

Gerhard Schwab, TK-Experte bei Softlab in Bern, hakt bei den besonderen Voraussetzungen für die Anwendungsprogrammierung ein: "Das Problem liegt im Moment darin, vernünftige Anwendungen zu definieren, die nicht einfach leitungsvermittelnde Datenübertragungen nutzen, wie es heute schon bei Datex-L oder Modemstrecken möglich ist. Es sind Anwendungen notwendig, die die wirklich ISDN-spezifischen Eigenschaften mit zwei B-Kanälen und den neuen Protokollen berücksichtigen und eine komfortable Steuerung der Verbindungen ermöglichen. Hierzu gibt es auf dem Markt noch relativ wenig."

Jetzt und in Zukunft geht es insbesondere darum, den PC für den neuen Dienst zu nutzen. Außerdem bieten die Hersteller von Nebenstellen-Anlagen heute schon Schnittstellen zwischen PBXen und DV-Maschinen an. Schwab: "Dies ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, da es noch keine fertigen Standards gibt."

Die von den Herstellern verwendeten Protokolle setzen in der Regel auf ISDN-Normen und dort meistens auf der dritten Ebene auf. Um auf diesem Gebiet voranzukommen, ziehen PBX- und DV-Hersteller verstärkt an einem Strang. Siemens beispielsweise spricht hier von PABX und Computer Teaming - kurz PACT. Ein darauf gerichtetes Projekt, an dem neben dem Münchner Elektronikkonzern IBM, HP und DEC beteiligt sind, hat es sich zum Ziel gesetzt, gemeinsame Schnittstellen, zu realisieren und auf dieser Basis unter Mitarbeit von anderen Unternehmen Applikationen zu realisieren.

Es ist auch denkbar und laut Schwab sogar bereits realisierbar, auf der Basis der sogenannten Trägerdienste bis zur dritten Ebene neben den bekannten Tele-Diensten, wie Fax, ISDN-Fax, Telex, ISDN-Teletex und Videotex, ISO/OSI-Applikationen zu fahren. Diese greifen in den unteren Sphären zum Teil ohnehin auf Dienste-Protokollierungen nach CCITT zurück.

Geht es nun aber um Message-Handling im Sinne von X.000, ist bei CCITT nichts zu holen. Mit speziell ausgerichteten PC-Karten kann man diese Lücken ausfüllen. Neben dem Filetransfer sind X.400 und verteilte Anwendungen mit echtem OSI-Format denkbar. Erste Gehversuche auf diesem Gebiet macht beispielsweise das Dortmunder Softwarehaus mbp.

OSI-Ansätze lassen sich auch beim Netz-Management erkennen. Schwab hebt hervor, daß in der Schweiz ein Projekt für die dortige PTT läuft, wo auf der Basis von ISDN OSI-Protokolle für den Transfer von Netzwerk-Management-Daten realisiert werden.

Die Antworten dieser Insider machen deutlich, daß die Definition von ISDN- Anwendungen gar nicht so einfach ist. Einige Bereiche wie zum Beispiel Sprachapplikationen und branchenspezifische Software blieben hier im übrigen noch ausgespart. Auch gilt es im Kopf zu behalten, daß die Grenzen teilweise fließend sind. Daher soll an dieser Stelle nun ein Gliederungsraster vorgestellt werden, das verschiedene Zuordnungs-Kriterien zugrunde legt beziehungsweise berücksichtigt:

1. Anwendungen im Sinne einer Datenübermittlung auf der Basis der in ISDN integrierbaren Postdienste Telefax, Teletex Bildschirmtext und Bildtelefon.

2. Filetransfer auf der Basis herstellereigener Auslegungen auf den oberen Ebenen, für die PC-Karten und/oder eine spezielle Software benötigt wird.

3. OSI-Anwendungen auf der Basis von ISDN

4. Sprachanwendungen, wobei ein Teil der jetzt zur Verfügung stehenden Leistungsmerkmale bei analogen Telefonen schon längst gang und gäbe ist. Beispiele in diesem Zusammenhang sind Wahlwiederholung, Rufweiterschaltung oder die Gebührenanzeige auf einem Display etc.

5. Sprachanwendungen mit kombinierten Datenbankabfragen zur Vereinfachung der verbalen Kommunikation, wobei im Rahmen der Rufnummern-Identifikation auf spezielle Datensätze zugegriffen werden kann.

6. Unterteilung in leitungsorientierte und paketorientierte Datenübermittlungen. Letztere sollen auch auf der Basis von ISDN realisiert werden.

7. Dienstewechsel auf einem Nutzkanal

8. Branchenspezifische Anwendungen, die über ISDN laufen. Zu den prädestinierten Feldern gehören Krankenhäuser und Hotels, das Bestell- und Verlagswesen sowie Außendienst und allgemeine Verwaltung.

Aufgrund des Sachverhalts, daß sich die Anwendung oft unabhängig von der jeweiligen Leitungsstruktur, zum Teil aber auch mit ISDN realisieren läßt, ist die begriffliche Festlegung einer ISDN-Anwendung erschwert. Aus der Sicht mancher Fachleute - auch Kommunikationsberater Schröter vertritt diese Meinung - ist es nicht einmal wünschenswert, eine solche Kategorisierung vorzunehmen. Man spricht ja schließlich auch nur selten von Datex-P- oder Standleitungs-Anwendungen. Anders sieht es bei Bildschirmtest aus - hier stehen Software, Benutzerführung, CEPT-Standard und damit neben den niedrigen Übermittlungskosten vor allem die Btx-Anwendungen im Vordergrund. Der Blick auf ISDN zeigt, daß dieser im Gegensatz zu den meisten andere Netzangeboten noch neue Dienst verbal mit dem Begriff Anwendung verknüpft wird.

Ein ganz wesentlicher Punkt ist auch die schon im Zusammenhang mit PACT angeschnittene Anwendungsintegration: Es kommt darauf an, die ISDN-Übermittlung in die jeweilige Bürokommunikation miteinzubinden und dabei auch Übergänge in heterogene Rechnerwelten zu berücksichtigen. Hier ist der User wieder in der besagten Grauzone. Ein krasses Beispiel: Ein Benutzer hat einen DOS-PC mit Dbase-Datenbank, der andere einen Unix-Mikro mit Informix-Datenbank. Beide nutzen also unterschiedliche Softwareoberflächen, sie verfügen über eine PC-Karte und wollen nun, während sie telefonieren, per Hotkey oder mittels Window-Technik auf ihre unterschiedliche Datenbasis zugreifen und diese später möglichst problemlos in ihre Programme einarbeiten, ohne den Text wieder neu erfassen oder den Rechner gar ausschalten zu müssen.

Kartenangebot hält sich noch ziemlich in Grenzen

Noch kann man die Karten-Anbieter, die ISDN bedienen und dem Anwender bei den genannten Problemen auf die Sprünge helfen, an zehn Fingern abzählen (Siehe Übersicht auf Seite 30). Einige wesentliche Namen: mbp, Stollmann, Systec und AVM. Diese Firmen nutzen eine in vielen Unternehmen bereits gegebene Infrastruktur, nämlich Mikrocomputer. Dies mag dem einen oder anderen TK-Anbieter nicht "schmecken", wollen sie doch gerne ihre Komplettlösungen an den Mann bringen. Auf der anderen Seite kann man aber auch den Trend feststellen, daß Unternehmen wie Philips, Telenorma oder SEL Kooperationen mit Kartenanbietern eingehen oder selbst entsprechende Komponenten für die PC-Kommunikation anbieten. Die meisten Hersteller tummeln sich bisher allerdings noch auf dem DOS-Feld und setzen zum Teil einen AT voraus. Auch noch zu nennen ist der Hyperchannel, für den Big Blue eine Karte "auftischen" kann.

Stollmann beispielsweise differenziert ISDN-Anwendungen auf mehreren Ebenen. Unterschieden wird hier die PC-PC-Kommunikation mit Screen-Copys, Faxen, Telexen und einem Message-Konzept, die PC-Host-Kommunikation mit IBM- und Siemens-Emulationen, der Bereich PC-Post mit den über ISDN abgewickelten Telecom-Diensten und OSI-Anwendungen. Zur Realisierung von FTAM arbeitet das Softwarehaus mit Coconet aus Hannover zusammen.

Die bereits seit über einem Jahr auf dem Markt erhältliche Karte von Stollmann nennt sich Tinafon, sie ist zum Telefonieren und für Datenübertragungen parallel zu anderen Anwendungen gerüstet. Im Rahmen des Tina-Konzepts sind darüber hinaus unter anderem auch analoge Anschlußmöglichkeiten für den Telefax-Betrieb Gruppe drei und V.24-Endgeräte-Adapter enthalten. Geschäftsführer Werner Zucker: "Unsere Karten haben einen integrierten Rate-Adapter. Diese Komponente unterstützt auf der PC-Seite die Com-Schnittstelle. Auf diese Weise können bestehende Applikationen über ISDN abgewickelt werden."

Läuft beispielsweise im Hintergrund gerade eine Datenbank unter Dbase, kann der Benutzer während des Telefonierens einen Hotkey aufrufen, woraufhin ein Tinafon-Fenster erscheint. Mittels der Funktion "Screen-Copy" ist es nun möglich, Inhalte aus der Datenbank von Bildschirm zu Bildschirm zu übermitteln, und auch ein Dienstewechsel ist durchführbar.

Zucker: "ISDN ist ja so schnell, daß es nichts ausmacht, wenn eine Sprachverbindung mal zwei oder drei Sekunden unterbrochen ist und man dann auf einer Leitung mit denselben Gebühren übermittelt." Es sei also nicht notwendig, eine neue Verbindung aufzubauen. Gerade für die vielen Anwendungen, wo sich die Textmengen in Grenzen halten, komme diese attraktive Form der Leitungsnutzung in Frage.

Vorausgesetzt wird natürlich, daß beide Seiten Tinafon einsetzen. Die Screen-Copy-Eigenschaft ist nicht standardisiert; es ist aber in jedem Falle möglich, einen Text als ASCII-File oder im Rahmen von Teletex zu übermitteln. Oft können die Anwender ja auf Dienstprogramme zurückgreifen, um ASCII-Datensätze anzupassen. Denkbar ist darüber hinaus eine Pixel-Übertragung im Rahmen der Fax-Gruppe vier. Übrigens zeigte Stollman auf der diesjährigen CeBIT die Abwicklung sämtlicher Postdienste über ISDN. Um beispielsweise Bildschirmtext über das neue Netz laufen zu lassen, wurde in Zusammenarbeit mit einer anderen in Sachen Btx versierten Firma eine Softwareportierung realisiert. Zucker nennt das erzielte Ergebnis "ISDN mit Schmackes und richtiges Kino gegenüber dem bisherigen Btx".

Die auf das Betriebssystem DOS, das Common-ISDN-API (API: Application Program Interface) und die Character-Basis zugeschnittene Tinakarte ist auch in der Lage, einen PC aus der Entfernung einzuschalten und in diesem "Modus" Daten zu übermitteln.

Das Unternehmen Systec hat sich mit vier Offerten auf den ISDN-Markt eingestimmt. Einmal bieten die Berliner eine ISDN-PC-Karte mit Kommunikationssoftware, die neben dem Telefonieren Filetransfer mittels SFTP-Protokoll (SFTP: Simple Filetransfer Protocol) eine PC-Konferenz erlaubt. Zum zweiten bedient Systec unter dem Stichwort ISDN Office Line - Office Line steht für die eigene BK-Lösung - Funktionen oder Dienste wie Fax, Teletex, Bildschirmtext und Telefax. Ein Filetransfer wird auf der Basis der Telematik-Protokolle (Transparent-Mode) abgewickelt, wobei eine Oberfläche unter Microsofts Windows vorgesehen ist.

Eine weiteres Angebot nennt sich LAN Line. Diese Komponente fungiert als Bridge, die auf der MAC-Layer zwei LANs über ISDN zu einem Wide Area Network koppelt. Nach Angaben von Arno Jachmann, ISDN-Produkt-Manager bei Systek, sparen die Anwender bei einem Einsatz dieser Brücke vor allem Kosten. Bei Festverbindungen zum LAN müßte man viel tiefer in die Tasche greifen.

Auch für Benutzer, die sich erst einmal an den neuen Dienst herantasten wollen oder müssen, hat Systec ein Konzept zu bieten: ISDN Lab Line ermöglicht es, mit Hilfe eines ISDN-Development-Kits ISDN-Applikationen zu erstellen und über eine Back-to-Back-Verbindung von zwei PCs auch ISDN testen zu können, ohne schon eigene Applikationen zu besitzen.

Stollmann und AVM ist es im Rahmen eines 1989 gegründeten Arbeitskreises inzwischen gelungen, ein "Common-ISDN-API zu definieren", das Hersteller- sowie Betriebssystem-unabhängig ist und auch dazu dienen kann, die weitere Standardisierung auf diesem Gebiet voranzutreiben. Mehr noch: Das neue API fand bei der Deutschen Bundespost Telekom, beim ZVEI und anderen Herstellern Anklang. Die Telekom machte die Schnittstelle zum Bestandteil ihrer Lieferbedingungen für ISDN-Adapterkarten, für die dem Benutzer ja für ein Jahr die Gebühren erlassen werden.

Dazu Werner Zucker von Stollmann: "Entscheidend bei dem API ist, daß einmal geschriebene Anwendungen unabhängig von der installierten Hardwarekarte sind. Wir wollten keine Insdustriestandards, wie sie aus den USA kommen. Jetzt sind wir schon in einem Schnittstellen-Krieg, weil die Amerikaner natürlich wieder ihre Hayes-Standards unterstützen und damit den Markt beherrschen wollen." Die Europäer sollten die ISDN-Schnittstellen so weit standardisieren, daß man sich eben nicht auf die Hayes-Protokolle stützen müsse. Nochmals Zucker: "Sonst gehen uns wieder ISDN-Eigenschaften verloren, in die wir hier mühevoll investiert haben."

Allerdings hat die Sache gegenwärtig noch einen Haken. Hinsichtlich des Filetransfers nämlich konnten sich die Kartenexperten noch nicht einig werden. Jachmann gibt an diesem Punkt zu bedenken, daß FTAM wohl aufgrund seines hohen Speicherbedarfs für die meisten PCs ungeeignet sei.

Filetransfer kann auf mehrere Arten realisiert werden; einmal auf der Basis der Telematik-Protokolle, dann über die "abgespeckte" FTAM-Version SPTP, über herstellereigene Normen oder auch über X.25. Konsens im Hinblick auf das ISDN-API besteht - wie gesagt - noch nicht. Auch beißen die Söftwarehäuser bei ISDN-Karten nicht unbedingt von heute auf morgen an, da sie laut Jachmann noch nicht genau wissen, wohin der Hase läuft.

ISDN-Vorstellungen

Stellen Sie sich vor, Sie würden als Sachbearbeiter einer Kfz-Versicherung eine Schadensakte am Bildschirm des Großrechners bearbeiten. Dabei greifen Sie auch auf die Stammdaten des Versicherten zu. Es fällt Ihnen auf, daß eine wichtige Information in der Schadensakte fehlt. Wäre es nicht zeitsparend und angenehm, wenn Sie über eine Funktionstaste am Terminal den Versicherten anrufen könnten, ohne am Telefon die Nummer eintippen zu müssen? Sollte nicht der Rechner im Falle eines besetzten Anschlusses später den Anruf noch einmal anstoßen und, falls Sie bereits am nächsten Schadensfall arbeiten, dann den nicht abgeschlossenen wieder am Bildschirm anzeigen?

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Stellen Sie sich vor, Sie würden am Empfang eines Hotels arbeiten. Ein Anrufer möchte einen Gast sprechen, der abwesend ist. Sein Anruf wurde deshalb auf Sie umgeleitet. Sie nehmen eine Nachricht entgegen. Wäre es nicht effizient, wenn Sie diese Nachricht mittels einer auf dem Bildschirm Ihres Hotelrechners automatisch erstellten Maske mit der bereits eingetragenen Durchwahlnummer des Gastes eingeben? Die Nachricht kann vom Gast zum Beispiel am Fernsehen im Zimmer oder wie üblich in der Telefonzentrale abgerufen werden. Ruft er bei der Telefonzentrale an, so haben Sie vor dem Abheben des Hörers bereits die Nachricht vor sich auf dem Bildschirm.

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Stellen Sie sich vor, Ihre Aufgabe in einem Pharmagroßhandel ist es, regelmäßig bei Ihren Apotheken zu überprüfen ob Nachlieferungen bestimmter Arzneien benötigt werden. Wäre es nicht eine große Arbeitserleichterung, wenn Sie nicht die Telefonnummern des täglichen Computerausdrucks einzeln am Telefon eintippen müßten, sondern statt dessen der Rechner automatisch die nächste Nummer wählen würde, sobald Sie ein Gespräch beendet haben?

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Stellen Sie sich vor, Sie würden in der Kundendienstabteilung eines Versandhauses arbeiten. Sie erhalten den Anruf eines Kunden. Würde es Ihre Arbeit nicht sehr vereinfachen, wenn Sie schon vor Abnahme des Hörers auf Ihrem Bildschirm die Daten des Kunden sehen würden, das Ergebnis einer Datenbankabfrage auf der Basis der Telefonnummer des Anrufenden (über das öffentliche ISDN signalisiert)?

*Ulf Beischlag ist Hauptreferent im Siemens-Bereich PN, Kooperationen.