DV-Bereich gewinnt wieder an Bedeutung Balanceakt zwischen IS- und Fachabteilungen funktioniert

21.04.1995

SAN MATEO (IDG) - Die neue, von PCs bestimmte DV-Welt veraendert die Arbeit der IS-Abteilungen in Unternehmen. Die Zeiten des vielzitierten Wildwuchses sind vorbei. Anwenderunternehmen geben ihren IS-Verantwortlichen die Kontrolle ueber den PC-Einkauf zurueck, waehrend den Fachabteilungen mehr Mitspracherecht bei der Applikationsentwicklung eingeraeumt wird.

Die Zusammenarbeit zwischen den IS-Mannschaften und Fachbereichen kommt einem Balanceakt gleich, den Unternehmen allerdings meistern muessen, wenn sie IT-Technik in Wettbewerbsvorteile ummuenzen wollen. Die jetzigen Versuche, eine partnerschaftliche Kompetenzverteilung vorzunehmen, zeigen, wie sehr sich die Einstellung sowohl der DV- als auch der Fachabteilungen zu den vorhandenen Computerressourcen veraendert hat.

In den 80er Jahren kontrollierten die IT-Verantwortlichen aus dem Glashaus heraus ihre Rechnerwelt und zeigten den PCs, die nach und nach die Schreibtische eroberten, die kalte Schulter. Zur gleichen Zeit versuchten die Fachabteilungen - von den IT-Regeln und den langen Antwortzeiten der zentralen DV frustriert -, ihre DV- Probleme auf eigene Faust zu loesen.

Inzwischen haben sich die beiden Universen vor allem dank voranschreitender PC-Vernetzung und akzeptierter unternehmensweiter Standards wieder angenaehert. Den DV-Regeln entsprechende, firmenweit anerkannte Einkaufslisten haben das Vertrauen zueinander ebenfalls gefoerdert. "Die DV-Abteilungen gewinnen wieder an Bedeutung", meint Nina Lytton, President der Open Systems Advisors Inc. in Boston. Die IS-Abteilungen setzten nicht nur die Standards, sondern kauften auch wieder viel mehr zentral ein als in den vergangenen zehn Jahren.

Dabei scheint die PC-Vernetzung der Motor der Rezentralisierung zu sein. "PCs werden oft als austauschbare Commodity-Produkte betrachtet", meint Richard Buchanan, Analyst bei Forrester Research Inc., Cambridge, Massachusetts. Das treffe allerdings nicht mehr zu, wenn sie zu grossen Internetworks gekoppelt sind. "Wenn es im Netzwerkbereich, bei der Software und den Protokollen zu viele Abweichungen gibt, kann man von einem System nicht mehr erwarten, dass es wie vorgesehen arbeitet", meint der Analyst.

Ein DV-Standard bei allen Business Units

Ironischerweise werden sich immer mehr Endanwender bewusst, dass die von ihnen eingesetzen Produkte den unternehmensweit definierten Standards entsprechen muessen, wenn sie die Leistungen bringen sollen, die man von ihnen erwartet.

Gluecklicherweise bedeutet die Rueckkehr zur zentralen Kontrolle keinen Rueckfall in die Mainframe-Mentalitaet. "Was heute geschieht, unterscheidet sich total von der grossrechnerzentrierten Welt fueherer Jahre, weil die gesetzten Standards den Mitarbeitern nicht den Zugang zu Daten verwehren, sondern erleichtern", erlaeutert Buchanan.

Ernst mit den neuen Regeln macht beispielsweise der kalifornische Energieversorger Southern California Gas Co. Das Unternehmen befindet sich mitten in einer Reorganisation, die die IS-Abteilung gegenueber Endanwenderwuenschen effektiver machen soll. Die Applikationsentwickler sind bereits aus dem Glashaus heraus in die fuenf verschiedenen Business Units expediert worden. Ausserdem wurde auch die IT-Budgetverantwortung an die einzelnen Geschaeftsbereiche uebertragen. Der zentralen DV-Abteilung obliegt die Definition und Kontrolle der Standards. Sie stellt sicher, dass der Energieversorger nicht ploetzlich fuenf unterschiedliche, kommunikationsunfaehige Systeme unterhalten muss.

Jeans-Hersteller Levi Strauss & Co. verfolgt weltweit ein aehnliches Organisationsmodell. Jede Business Unit hat ihre eigene IS-Gruppe, die an den General Manager oder President des jeweiligen Bereichs berichtet. Die Budgets werden ebenfalls von der Business Unit kontrolliert, die ihre DV-Bestellungen an eine weltweit zustaendige Einkaufsabteilung richtet, in der sie gesammelt und geprueft werden, bevor sie als kostenguenstige Sammelorder an ausgesuchte Lieferanten gehen.

Die Chefs der Geschaeftsbereiche muessen den Investitionswuenschen der IS-Abteilungen zustimmen, waehrend der CIO des Konzerns, Bill Eaton, das gesamte IT-Budget kontrolliert: "Ich fungiere als Berater und pruefe, wieviel wir als Konzern fuer DV ausgeben", erklaert Eaton.

Die besondere Qualitaet bei Levi Strauss machen die weltweit geltenden DV-Standards aus, an die sich jede Business Unit zu halten hat. Beispielsweise muss jeder eingesetzte PC mindestens einen Intel-486-Prozessor aufweisen, als Betriebssystem DOS/Windows fahren und Microsoft Office installiert haben.

Ausserdem sind die Netzwerke jeder Niederlassung in der Regel gleich aufgebaut, damit Systeme und Mitarbeiter kommunizieren koennen. "Der kleinste gemeinsame Nenner bedeutet bei uns, dass ich nicht raten muss, welches System auf dem Desktop eines Kollegen installiert ist, wenn ich ihm eine E-Mail schicken will", erklaert Eaton.

Damit sich Anwender an die Standards halten, werden in vielen Unternehmen DV-Einkaufswuensche von der DV-Abteilung geprueft. Findet sich das Produkt nicht auf der Standardliste, wird die Anfrage abschlaegig beschieden. Anders beim Jeans-Hersteller: Hier analysiert zunaechst die Business Unit, ob das gewuenschte Produkt fuer die Unterstuetzung eines Geschaeftsprozesses notwendig ist. Erst danach stellt die IS-Abteilung klar, ob es den unternehmenseigenen Standards genuegt. Allerdings ist letzteres kein K.-o.-Kriterium. Wenn ein System, das nicht den Regeln entspricht, einen hohen Nutzen bringt, wird seiner Anschaffung zunaechst als Stand-alone- Einheit zugestimmt. Spaeter versucht man, sie in die Konzern-DV einzubinden. Abweichungen muss jedoch der CIO zustimmen. "Wir wollen zwar nicht zu buerokratisch sein, aber wir haben gelernt, dass wir mit totaler Demokratie schnell in Situationen kommen, in denen die Systeme nicht mehr zusammenarbeiten", bedauert Eaton.

Die Lockheed Missiles & Space Co. in Sunnyvale, Kalifornien, verfuegt noch ueber ein anderes Druckmittel, um Anwender an der Standard-Kandarre zu halten: den Support. Anwender, die auf einer Software bestehen, die nicht auf der vereinbarten Liste verzeichnet ist, erhalten keine technische Unterstuetzung von der DV-Abteilung und muessen selbst einkaufen. "Wir haben uns die Arbeit gemacht, die Produkte zu bewerten, haben mit den Herstellern gute Konditionen ausgehandelt, und wir stellen sicher, dass es schnell installiert und gut unterstuetzt wird", berichtet Senior Systemanalyst Andrew Block. "Aber wenn sich ein Anwender entschliesst, uns zu umgehen, muss er sehen, wie er allein zurechtkommt."