Langfristige Strategien im Interesse der Kunden:

DV-Berater: Die "fetten Jahre" nutzen

03.08.1979

Analysiert man das Tätigkeitsfeld der DV-Berater in der heutigen, beraterfreundlichen Wirtschaftssituation, so stellt man fest, daß nur wenige im Rahmen komplexer Problemlösungen mit entsprechender Verantwortung für Werk, Aufwand und Termine tätig sind. Ein Großteil verdient vielmehr als "Gastarbeiter" für temporäre Personalengpässe, als Alibivertreter oder als "Hofnarr eines Unternehmensfürsten" leichtes und gutes Geld. Man deckt weniger die qualitativen als die quantitativen Know-how-Lücken der Kunden ab. Die Erfüllung der eigentlichen Aufgabe der Beraterbranche, den Kunden durch Spezialkenntnisse mit gutem Hintergrundwissen bei der Realisierung komplexer Problemlösungen verantwortlich zu unterstützen, verlangt heute von den Verantwortlichen der Beratungsunternehmen mehr denn je eine mittel- und langfristig orientierte, die Interessen und Bedürfnisse der Kunden als auch der eigenen Mitarbeiter berücksichtigende Führungsstrategie und Unternehmenspolitik. Die Gesellschaft für systementwicklung mbh (gfs), München/ Köln, hat sieh zum Ziel gesetzt, auch in den sogenannten "fetten Jahren" der Branche sich im Rahmen von Großprojekten diesen Anforderungen zu stellen und den Ansprüchen gerecht zu werden.

Die Interessen und Bedürfnisse der Kunden im Rahmen eines in Beraterverantwortung durchzuführenden Projektes rekrutieren sich aus einem individuellen branchen- beziehungsweise unternehmensspezifischen Teil sowie aus einem allgemeingültigen Teil mit folgenden Schwerpunkten:

þeigene Mitarbeiter im Projektteam, um In-house-Kenntnisse für spätere Pflege und Wartung des Programmsystems zu gewährleisten

þqualifizierte Schulung und Ausbildung der eigenen Mitarbeiter und Benutzer durch das Beraterteam

þNachweis von Beraterreferenzen, um das Risiko bezüglich Leistungserbringung, Termin- und Aufwandseinhaltung zu minimieren

þEinbringen der externen Aufwandsschätzungen in die eigene DV-Budgetplanung

þHerstellerneutralität des Beraterteams

þTransparenz und Konstanz in der Projektbesetzung

þüberdurchschnittlich fachliche und menschliche Qualitäten des Beraterteams, speziell der externen Projektverantwortlichen

þMithilfe bei der Lösung anwenderinterner sozio-psychologischer Probleme (etwa bezüglich der System-Akzeptanz durch die Fachabteilungen)

þeigene Mitsprache bei projekt- und systemspezifischen Entscheidungen.

Die Interessen und Bedürfnisse des Beratungsunternehmens gfs und seiner eigenen Mitarbeiter im Rahmen eines Projekteinsatzes beim Kunden sind unter anderem

þÜbernahme der Verantwortung bezüglich Spezifikation und Realisierung des Werkes

þÜbernahme der Verantwortung bezüglich terminlicher, aufwandsmäßiger und personeller Planung, Steuerung und Überwachung des Projektes

þklare Definition der Aufgaben beziehungsweise Systemforderungen durch den Kunden

þengagierte Mitarbeit der Kunden (speziell der Fachabteilungen) bei der Systemauslegung (Ablauforganisation, Bildschirmmasken)

þkompetente Ansprechpartner bei der Festlegung von Systemforderungen

þstabile Systemsoftware-Komponenten (DB, TP-Monitor, BS)

þausreichende Testbedingungen zu normalen Arbeitszeiten

þVerwendung gfs-eigener Projektabwicklungs-Richtlinien oder Standards

* Einsatz von Tools und Methoden bei der Projektabwicklung

þKlare Festlegung bezüglich der Projektorganisation.

Um die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse synchronisieren zu können dient das in der Abbildung dargestellte Projektorganisationsmodell als Mittler. gfs hat diese Organisation als Basis eines Festpreisauftrages (Thema:Erstellen eines integrierten, dialogorientierten Anwendersystems für die Bereiche Vertrieb, Antrags-, Bestands-, Schadens- und Rechnungswesen einer Münchner Versicherung) mit Erfolg eingesetzt. Das Projektteam bestand aus Mitarbeitern des Kunden und der gfs, wobei die gesamte Projektleitung in den Beraterhänden war. Die Trennung in fachliche (70 Prozent Auslastung) und politische (30 Prozent Auslastung) Projektleitung hatte den Vorteil, daß sämtliche im Verlauf des Projektes auftretenden politischen Punkte (Information der

Geschäftsleitung, Grundsatzdiskussionen mit den Fachabteilungen und dem

Betriebsrat, Diskussion über Sonderwünsche) vom Fachteam ferngehalten

wurden und damit den Projektfortschritt nicht störten.

Das Fachteam selbst war unterteilt in mehrere DV-Teams, ein ORG-Team und

ein sogenanntes Projektbüro. Dabei hatten die funktional strukturierten DV-Teams sämtliche im Verlauf der Spezifikations- und Realisierungsphase auftretenden DV-technischen Aufgaben zu bearbeiten. Hierin impliziert war die Auslegung und Implementierung übergreifender Funktionen, wie Datenbank, Dialogsteuerung und TP-Monitor.

Das ORG-Team hatte die Aufgaben, die Ablauforganisation und die Sacharbeit tangierenden Systemfestlegungen mit den Benutzern der Fachabteilungen abzustimmen sowie die Benutzerwünsche mit dem Projektteam zu koordinieren. Außerdem war ein Mitarbeiter des ORG-Teams während der gesamten Projektzeit nebenbei als Datenbank-Administrator eingesetzt. Die Qualifikationsanforderungen an das ORG-Team waren weniger DV-mäßig geprägt; sie setzten vielmehr gute Kenntnisse der Ablauforganisation und der Arbeitsgänge der einzelnen Sachgebiete voraus. Gerade hier zeigte sich die Mitarbeit von kundeneigenem Personal als besonders wertvoll.

Das Projektbüro, bestehend aus einem gfs-Mitarbeiter sowie einem kundeneigenen Mitarbeiter, hatte unter anderem folgende Aufgaben:

þSchulungs- und Ausbildungsaktionen koordinieren und zum Teil selbst durchführen

þProjektkontrolle (zusammen mit dem Fachprojektleiter)

þVerwaltung des Einsatzes von eingesetzten Tools und Methoden im Rahmen der einzelnen Projektentwicklungsphasen (einschließlich Schulung)

þVerwaltung und Anwendungskontrolle des für die Projektabwicklung zu nutzenden DV-Verfahrenshandbuches

þVerwaltung und Kontrolle der Einhaltung von Datenschutzmaßnahmen im Rahmen der Systemauslegung

þDurchführung aller dispositiven Maßnahmen bezüglich der Projektorganisation (Termine machen, Testbetrieb verwalten, Raumfragen klären).

Die Koordination aller Projektteam-Einheiten sowie die Planung, Steuerung und Überwachung aller fach- beziehungsweise systemrelevanten Aktionen war die eigentliche Aufgabe des Fachprojektleiters. Bei kompetenzübergreifenden sowie grundlegenden Entscheidungen wurde das Anwender-Entscheidungsgremium eingeschaltet, bestehend aus einem Vertreter der Unternehmensleitung, den jeweiligen Hauptabteilungsleitern und dem Leiter EDV. Dabei wurden vor allem wirtschaftliche Punkte sowie Probleme und Maßnahmen bei sich abzeichnenden Termin- und Aufwandsveränderungen diskutiert. Als besonders vorteilhaft erwies sich dabei, daß die Anwendervertreter agieren konnten und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.

*Dr. Ullrich Schedl ist Leiter der gfs-Geschäftsstelle München