Der europäische Outsourcing Markt im Überblick

DV-Auslagerung: In England ist sie eine Selbstverständlichkeit

19.07.1991

ROM (gfh) - Europäische Unternehmen neigen noch immer dazu, die DV-Auslagerung als eine amerikanische Modeerscheinung abzutun. Entsprechende Schwierigkeiten haben Dienstleister, die auf dem Alten Kontinent einen Outsourcing-Markt aufbauen wollen. Nur in England tummeln sich mehr als 40 Anbieter, die Kunden in den verschiedensten Wirtschaftsbereichen bedienen.

Anläßlich eines Outsourcing-Seminars in Rom bringt William Ehmcke, European Director der Yankee Groul), die Vorurteile europäischer DV-Leiter auf den Punkt: "Outsourcing ist eine amerikanische Modeerscheinung, die in keiner Weise auf heisige Verhältnisse zu übertragen ist."

Die Auslagerung der Datenverarbeitung, so zitiert Ehmcke die Argumente der Outsourcing-Kritiker, rechne sich in den Staaten nur deshalb, weil dort ohnehin mehr Geld für Datenverarbeitung ausgegeben werde. Die Europäer hätten dagegen trotz eines geringeren Budgets die DV besser im Griff - eine Auslagerung stehe gar nicht zur Debatte. Außerdem entstünde durch Outsourcing das Problem der Mitarbeiterreduzierung, das in einem Land, in dem das Hire-and-fire-Prinzip gelte, unbekannt sei.

Trotz dieser Vorbehalte habe sich in England ein lebhafter Outsourcing-Markt entwickelt. Vorreiter waren dort vor allem die öffentliche Hand und die Banken. Auch heute kommen die meisten Outsourcing-Kunden aus dem Behördenbereich. Der Grund: Nachwirkungen des "Thatcherismus" zwingen vor allem die Kommunen, Ineffektivität und Kostenexplosion mit Hilfe von Dietistleistern in den Griff zu bekommen.

Inzwischen ist der Markt mit etwa 40 Anbietern so eng geworden, daß ein Teil der Dienstleister mit der Suche nach Nischenmärkten beginnt, während die größeren Anbieter zum Sprung über den Kanal ansetzen. Zusätzliches Vertrauen

in die Serviceunternehmen schuf auf der Insel die Einführung von bindenden Qualitätskriterien. In England wurde zu diesem Zweck die Norm BSI 5750 des British Standard Institute verabschiedet, die als ISO-Norm 9000 internationale Geltung erhalten soll.

Deutschland liegt zwar im europäischen Vergleich hinter England an zweiter Stelle, was die Akzeptanz der DV-Auslagerung angeht, der Durchbruch läßt jedoch noch auf sich warten. Vor allem die Behörden, durch die in anderen Ländern die Outsourcing-Idee erst hoffähig wurde, haben diese Möglichkeit hierzulande bisher ignoriert. Einiges Interesse hat Ehmcke dafür bei Fertigungsunternehmen, Banken und Versicherungen sowie bei Handelshäusern geortet.

Als Hauptmerkmal ist den Analysten die Geschlossenheit des deutschen Outsourcing-Marktes aufgefallen. Neben den Branchenriesen EDS und Debis gebe es kaum Anbieter von Bedeutung. Negativ wirkten sich auf diesen neuen Markt Restriktionen aufgrund der deutschen Arbeitnehmerrechte aus.

Das Hauptproblem sieht Ehmcke jedoch darin, daß die Idee der Auslagerung von Geschäftsbereichen nicht in der deutschen Firmenkultur verankert sei. Hierzulande sei firmeneigenes Know-how gerade im DV-Bereich ein ideologisch besetzter Wert. Wachsender Kostendruck und Befürchtungen, der rasanten Entwicklung der Computertechnik nicht mehr gewachsen zu sein, führen jedoch laut Ehmcke dazu, daß sich Unternehmer mit dem Outsourcing-Gedanken anfreunden.

Anders sieht die Situation in Frankreich aus. Dort wird der Markt von Systemintegrationen wie Cap Gemini dominiert. Die Kunden kommen hier vor allein aus der Industrie und dem Bankenbereich. Erste Outsourcing-Projekte laufen inzwischen

auch mit Handelshäusern. Besonderer Beliebtheit erfreut

sich hier die Auslagerung des Netzwerkbetriebs.

Italien und Spaniengelten bei der Yankee Group zwar als Wachstumsmärkte, echte Outsourcing-Kunden gibt es dort jedoch kaum. Während sich in Spanien bisher fast nur der Handel für Outsourcing interessiert, zeichnet sich in Italien ein Trend ab, nach dem die Behörden eine ähnliche Vorreiterrolle spielen könnten wie in England - so zumindest berichteten italienische DV-Leiter, die an der römischen Outsourcing-Veranstaltung teilnahmen.

Ein Beispiel ist das italienische Finatizministerium, das die gesamte Steuererhebug durch die Sogei Societe Generale d'Informatica Spa. managen läßt. Da es sich hierbei um besonders sensible Daten handelt, und da sich außerdem die rechtlichen Grundlagen der Datenverarbeitug ständig verändern, muß sich die Tochterfirma der Iri-Finsiel-Gruppe bis in technische Details hinein nach den Vorgaben des Finanzministeriums richten.

Für Projekte in der Industrie prophezeien die DV-Leiter dagegen massive arbeitsrechtliche Probleme und gewerkschaftlichen Widerstand. Der Grund: Outsourcing führt in der Regel zu einer Änderung der Arbeitsverhältnisse der DV-Mitarbeiter und möglicherweise auch zur Entlassungen.

Ehmcke kommt zu dem Schluß, daß sich die wenigsten

europäischen Dienstleister auch als globale Anbieter durchsetzen können. Spielen die Europäer ihre unbestrittene Überlegenheit im Bereich Systemintegration aus, so haben sie eine gute Chance, einen eigenständigen Markt aufzubauen. Schaffen sie das nicht, so wird ein Teil von ihnen in weltweit operierenden Konzernen aufgehen.

Im konzernweiten und -übergreifenden Netzwerkbetrieb sieht Audrey L. Mandela, Director European Research der Yakee Group, den größten potentiellen Outsourcing-Markt. Nach einer Studie der

Marktanalysten wären derzeit 48 Prozent der größeren europäischer Unternehmen bereit, ihr Netzwerk oder Teile davon von Dienstleistern betreiben zu lassen. Heute ist Europa hier allerdings noch ein extrem hartes Pflaster. Wie ein Großteil der DV-Branche

warten hier auch die Outsourcer auf die im Rahmen der europäischen Binnenmarktes zu erwartende Vereinheitlichung der Netzwerkumgebungen.

In diesem Zusammenhang verweist Ehmcke ebenfalls auf die zentrale Bedeutung von Standards für das Outsourcing-Geschäft. Schon jetzt zeige sich, daß sich 60 Prozent der Unternehmen, die Outsourcing betreiben, fest zu OSI-Standards bekennen. Ein Drittel davon habe bereits entsprechende Produkte implementiert.