Verzahnung von fachlichen und informationstechnischen Anforderungen

DV-Ausbildung berücksichtigt Konzept der Lean Production

08.05.1992

PADERBORN (CW) - Das japanische Modell der Lean Production setzt auch in Europa Maßstäbe und verursacht wegen seiner nachweisbaren Erfolge bei vielen Managern immer mehr Kopfzerbrechen. In Paderborn finden Weiterbildungskurse mit Modellcharakter für DV-Berufe statt, die Gesichtspunkte der "schlanken Produktion" berücksichtigen.

Vergleiche europäischer und japanischer Unternehmen zeigen, daß Japan bei gleichem Erfolg beachtlich weniger Personal benötigt, das aber besser qualifiziert ist. Im Rahmen der vernetzten Produktion werden so Fachkräfte zur Schlüsselfigur, die neben der fachlichen insbesondere soziale Kompetenz einbringen müssen.

Nur so ist der perfekte Einsatz der verfügbaren Hilfsmittel und Werkzeuge möglich. Für die Daten- und Informationsverarbeitung gilt dies sogar in ganz besonderer Weise. Eine funktionierende Lean Production führt immer mehr zu einer Verzahnung der fachlichen und informationstechnischen Anforderungen. Die Informatik stellt keine Insel mehr dar. Sie ist integrativer Bestandteil aller Tägigkeits- und Entscheidungsbereiche eines Unternehmens.

Bisher mußten Führungskräfte der mittleren und unteren Ebenen neben fachlichem Wissen insbesondere Führungs- und Organisationsfähigkeiten mitbringen. Da eine umfangreiche Produktionsplanung und -steuerung aus den "höheren" Etagen vorlag und die Aufträge für die einzelnen Arbeitsgruppen von der Arbeitsvorbereitung so strukturiert wurden, daß sie sich auch ohne Kenntnis des Gesamtzusammenhangs ausführen ließen, kam Wissen um theoretische Zusammenhänge, Betriebsstrukturen sowie betriebswirtschaftlichen Auswirkungen nur bedingt Bedeutung zu.

Lean Production verlangt diese Fähigkeiten jedoch auch von den Führungskräften der mittleren und unteren Ebenen. Nur so ist die Verlagerung des Produktionsplanungs- und -steuerungsprozesses in die Fertigung erfolgversprechend.

Natürlich kann es nicht sinnvoll sein, untere und mittlere Führungspositionen nur noch mit Vollakademikern zu besetzen. Deshalb erlangt die Fortbildung von Facharbeitern an Fachschulen neue Bedeutung.

Facherfahrung für die DV nutzen

Eine entsprechende Weiterbildung für Berufspraktiker aus dem Bereich Wirtschaft/Verwaltung bietet zum Beispiel die Fachschule für angewandte Informatik, Fachrichtung Wirtschaft, am Bib (Bildungszentrum für informationsverarbeitende Berufe e. V.). Hier trainieren Schüler den Systemgedanken durch die Realisierung von Projekten in Wirtschaftsunternehmen und durch den Einsatz vernetzter Computersysteme.

Die Fachschulen für angewandte Informatik am Bib bieten aber auch Fachkräften aus den Bereichen der Elektronik beziehungsweise Elektrotechnik und der Metallverarbeitung die geforderten Qualifikationen. In nur zwei Jahren erwerben sie einen staatlichen Bildungsabschluß zum Informatiker.

Die Bildungsgänge werden vom Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen als Modellversuch durchgeführt. Ziel ist es, die fachorientierten Anforderungen und die Erfahrungen im Einsatz von Werkzeugen (Tools) der branchenspezifischen Informatik so zu verzahnen, daß der Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften der Industrie gedeckt wird.

Zur Stärkung der sozialen Kompetenz ist in der Weiterbildung unter anderem ein einwöchiges Intensivseminar in Kommunikations- und Präsentationsmethodik enthalten. Auch der Unterricht im Klassenverband, der hohe Vernetzungsgrad der Systeme, Teamarbeit in den Rechenzentren und Labors und die Möglichkeit zur selbständigen Arbeit an den Systemen außerhalb der Unterrichtszeit ermöglichen den Absolventen Berufseinsätze im Sinne der Lean Production.