DV-Abteilungen sind vom Stellenabbau am meisten bedroht

06.10.1995

Mit SMP(symmetrisches Multiprocessing)- Architekturkonzepten, die darueber hinaus zu Rechnerverbuenden (Clustern) zusammengeschlossen werden koennen, wollen Rechneranbieter traditionellen Mainframe- Anbietern und MPP(Massively Parallel Processing)-Herstellern das Wasser abgraben.

CW: Hardwarehersteller verkaufen symmetrische Multiprozessor- und Cluster-Architekturen zunehmend als alternative Mainframe-Systeme. Dabei scheint das Versprechen hoher Skalierbarkeit eher ein Marketing-Argument zu sein...

Schroeder: Wir haben auf Basis von Industrie-Benchmarks die Erfahrung gemacht, dass wir bei bis zu 20 Prozessoren durchaus eine sehr gute Skalierbarkeit im Bereich von bis zu 90, 95 Prozent erzielen koennen. Allerdings muss man eine gehoerige Portion Erfahrungen sammeln bei der Entwicklung eines Betriebssystems, das Multiprozessorsysteme optimal unterstuetzt.

CW: Erzielen Sie diese doch etwas erstaunliche Skalierbarkeit auch bei Alltagsanwendungen? Etwa bei Datenbankapplikationen?

Schroeder: Ja. Wir haben die Parallel Query Option von Oracles Parallel Server getestet, und auch dort erreichten wir eine Skalierbarkeit von 90 Prozent.

CW: Welche Vorteile bietet denn ein SMP-System gegenueber anderen Hochleistungssystemen, etwa massiv-parallelen Rechnern?

Schroeder: Bei einer SMP-Maschine habe ich ein einziges Image des Betriebssystems. Fuer den Anwender stellt sich so ein System dar wie ein extrem leistungsstarker Rechner, der aber nur eine einzige CPU besitzt. Das bedeutet beispielsweise: Bei OLTP-Anwendungen mit vielen Benutzern und vielen Prozessen kuemmert sich das Betriebssystem ohne Zutun des Anwenders darum, die jeweiligen Prozesse moeglichst optimal auf die einzelnen Prozessoren zu verteilen. Habe ich andererseits sehr grosse, rechenintensive Anwendungen, kann ich auf der Anwendungsebene das Multithreading- Verfahren nutzen, um meine Anwendungen, also meine Prozesse, auf mehrere CPUs zu verteilen.

CW: Prinzipiell kann ich herkoemmliche Mainframes genauso nutzen. Welchen Vorteil bringen denn heutige SMP-Systeme, die doch eigentlich den Stand der Technik repraesentieren sollten?

Schroeder: Sicherlich bieten Mainframes Aehnliches. Die grundlegende Frage ist aber doch: Betreibe ich Mainframe-DV, oder begebe ich mich in die Welt offener Systeme, in die Client-Server- Umgebung?

CW: Andererseits ist die Anpassung von Applikationen und Betriebssystemen an parallele Hardware-Architekturen noch lange nicht abgeschlossen...

Schroeder: Aber da ist doch vieles in Bewegung geraten. Im technisch-wissenschaftlichen Bereich etwa tut sich in puncto Multithreading-Verfahren, also der Parallelisierung von Anwendungen, einiges.

CW: Ist es nicht ungewoehnlich, dass man versucht, Anwendungen, die frueher auf hochspezialisierten Nischenrechnern wie MPP-Systemen eingesetzt werden, nun auf SMP-Maschinen zu portieren? Ueberschaetzt man da die Faehigkeiten der SMP-Maschinen nicht etwas?

Schroeder: Zum einen dringen SMP-Systeme heutzutage durchaus in Leistungsklassen der frueheren Vektor- und Parallelrechner vor...

CW: ... womit, meinen Sie doch, fuer den Anwender erhebliche Preisvorteile herausspringen, der nun statt teurer MPP- billige SMP-Maschinen nutzen koennen soll?

Schroeder: Zum einen das. Aber das Leben in einer DV-Abteilung wird auch einfacher, weil der IS-Manager eine konsistentere Systemumgebung bekommt. Bei einer einheitlichen Standardumgebung kann ich meine DV-Probleme mit einer einzigen Mannschaft erledigen. Solch ein Argument ist im Zuge der Rightsizing-Debatte von besonderem Interesse, denn heutzutage sind doch vor allem DV- Abteilungen vom Personalabbau bedroht.

CW: Wie nimmt eigentlich der Markt, also der Anwender, zu einem einzigen System verbundene SMP-Rechner, also Cluster-Systeme, auf? Besteht da ueberhaupt eine Nachfrage?

Schroeder: Bislang vor allem im Dienstleistungssektor. Es sind Unternehmen aus dem Transportwesen und der Telekommunikation, die Cluster-Rechner fuer Entscheidungsfindungsanwendungen oder reine OLTP-Anwendungen nutzen. Daneben zeigen auch Firmen aus dem Produktionsbereich Interesse an Cluster-Maschinen.

Mit Michael Schroeder, der im Produkt-Marketing der Server- Division bei Sun Microsystems arbeitet, sprach Jan-Bernd Meyer.