Von der internen Softwarefabrik zum Informationsmanagement:

DV-Abteilungen müssen neue Rolle studieren

30.06.1989

KÖLN (qua) - In dem Maße, wie sich die Information als dritter Produktionsfaktor - neben Kapital und Arbeit - etabliert, wandelt sich auch die Rolle der DV-Abteilungen. Dieses Fazit zogen die Referenten eines "Strategisches Informationsmanagement" betitelten Kongresses, den die Pinneberger MSP GmbH jetzt in Köln veranstaltete.

"Das DV-Management auf der Suche nach einem neuen Selbstverständnis" nannte Hartmut Skubch, Geschäftsführer der Plenum Management Consulting GmbH mit Sitz in Wiesbaden, seinen Vortrag. Der Unternehmensberater konstatierte eine "augenfällige" Krise in den DV/Org.-Abteilungen: "So mancher Stuhl eines zentralen DV-Managers beginnt zu wackeln."

Erschüttert werde die Position des DV-Leiters zum einen durch den massiven Druck seiner Kollegen aus den Fachbereichen, die das Wort vom Anwenderstau nicht mehr hören könnten und mißbilligend auf das ständig steigende DV-Budget schauten. Zum anderen tobe ein interner Stellungskrieg zwischen den angeblich so progressiven Vertretern für Software-Engineering, Datenmanagement sowie IDV-Konzepten und den angeblich so stockkonservativen Abteilungshierarchen der Anwendungsentwicklung.

Das Management fordert immer intensivere Dienste

Gestiegene Anforderungen von seiten der Geschäftsführung verzeichnet Alexandre Nobs, stellvertretender Direktor der Bank Julius Bär in Zürich und Leiter des dortigen Informationsmanagement; Die Geschäftsleitung brauche immer bessere und schnellere Informationen für ihre Entscheidungen. Der Druck auf die DV-Abteilung werde also immer größer. Der Schweizer: "Heute genügt es nicht mehr, die DV-Technologie gut zu managen, auch Information braucht ein hoch qualifiziertes, spezialisiertes Management, das Informationsmanagement. "

Einen Handlungsbedarf sieht auch Peter Burgholzer, Leiter EDV/Organisation bei der Nettingsdorfer Papierfabrik AG im österreichischen Nettingsdorf. Allerdings bemängelt der DV-Leiter den fehlenden Realitätsbezug der gängigen Konzepte: "lnformations-Management-Konzepte werden vorgetragen, als gäbe es keine Tradition der Datenverarbeitung mit den entsprechenden Organisationsstrukturen, Organisationsabläufen und Verhaltensmustern."

Bei der Auswahl und Anpassung der Aufgaben sowie der Methoden und Werkzeuge, so forderte der Österreicher, müsse darauf geachtet werden, daß die vorhandene Informationsinfrastruktur nicht beliebig restrukturierbar oder gar auswechselbar sei. Daher sei das Vorhandene soweit irgend möglich fortzuentwikkeln. Burgholzer: "lnformationsmanagement kann sich nur evolutionär entwickeln."

Der Begriff Informationsmanagement, darin stimmten die Referenten überein, dürfe nicht als bloßes Schlagwort gebraucht werden. Führte Alexandre Nobs aus: "lnformationsmanagement soll als neue Organisation mit Funktionen und Verantwortungen definiert und implementiert werden. Das ist nicht gleichbedeutend mit einer Neubenennung der traditionellen DV-Abteilung." Die Funktion Informationsmanagement soll nach Ansicht des Bankers der Geschäftsleitung direkt unterstellt werden.

Ergänzt Burgholzer: "Es wäre ein Irrtum zu glauben, beim Informationsmanager würde es sich um einen DV-Manager mit zusätzlichen Kenntnissen über die neuen Informations- und Kommunikationstechniken handeln." Nicht die Frage, ob eine neue Technik zum Einsatz kommt, sondern wie diese organisatorisch eingebettet wird, sei hier von Interesse .

Den Nutzen dieser relativ neuen Unternehmensfunktion sieht Burgholzer vor allem in der längerfristigen Planung der Informations- und Kommunikationspolitik: "Der Aufgabenschwerpunkt des Informationsmanagement liegt auf der stragischen Ebene." Als Beispiel für die unternehmensweite Bedeutung dieser Politik nennt er den Kommunikationsstandard Edifact: "Wenn Sie einem Kunden die Möglichkeit geben, Ihre Daten direkt zu übernehmen, dann geben sie ihm damit Gründe, nicht zu einem anderen Lieferanten zu wechseln."

Dem österreichischen DV-Manager zufolge muß ein strategisches Informationsmanagement:

-- die strategische Rolle der Informationsfunktionen bestimmen,

- die strategischen Ziele festlegen, an denen sich die Planung, Überwachung und Steuerung der Informationsinfrastruktur orientieren soll,

- Strategien entwickeln, in deren Rahmen sich die Planung der Informationsinfrastruktur zu bewegen hat,

- die Informationsinfrastruktur planen sowie

- diese Informationsinfrastruktur überwachen und steuern.

Den Aufbau und konsequenten Einsatz einer solchen Infrastruktur - bestehend aus Daten, DV-technischem Rahmen sowie Methoden und Tools - bezeichnet Wulf von Schimmelmann als "die Antwort auf Anwendungsstau, Qualitätsmängel in den Informationsverarbeitungssystemen und mangelnde Integrationsmöglichkeiten der Einzelanwendungen untereinander." Schimmelmann ist Vorstandsmitglied der DG Bank in Frankfurt am Main sowie Lehrbeauftragter an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Statistik der Universität Konstanz.

Voraussetzung dafür, so der Professor, sei eine neue Aufgabenabgrenzung zwischen Fachabteilungen und zentraler DV-ABteilung "Die Arbeitsteilung zwischen der planend-technologisch ausgerichteten Tätigkeit des Org./DV-Bereichs und der fachlichen Aufgabenstellung der Produktbereiche wird in Zukunft wesentlich weniger ausgeprägt sein."

Bei der Erarbeitung fachlicher Entwürfe zum Teil auch bei der DV-technischen Ausgestaltung, trete der zentrale Org./DV-Bereich künftig weitgehend zurück: "Die Fachabteilungen werden in zunehmendem Maße selbständig die fachinhaltliche Definition ihrer Anwendungen durchführen." Allerdings sollten sie sich mit ihren Forderungen an den Rahmenbedingungen der Infrastruktur orientieren.

Laut eigener Aussage will Wulf von Schimmelmann jedoch keineswegs der Eigenprogrammierung durch die Fachbereiche "mit frei wählbaren Mitteln" das Wort reden: "Im Gegenteil handelt es sich um die Straffung und Vereinheitlichung der gesamten Informationsverarbeitungslandschaft eines Unternehmens."

Die zentrale DV ist keine hauseigene SW-Fabrik mehr

Gefragt, ob der Org. /DV-Bereich bei der DG Bank die Veränderung seiner Aufgaben als Machtverlust empfunden habe, antwortet der Bank-Manager: "Es gab keine nennenswerten Schwierigkeiten". Der Geschäftsleitung sei es gelungen, den betroffenen Mitarbeitern klarzumachen, "daß die Entwicklung einer Infrastruktur eine interessantere Aufgabe ist als die zweijährige Arbeit an einem Dokumentationsprogramm. "

Auch Harry Sneed, Geschäftsführer der SES GmbH in Neubiberg, hält die Rolle der DV-Abteilung als reines Versorgungsunternehmen für veraltet: "Die zentrale DV ist keine hausinterne Softwarefabrik mehr." Als positives Beispiel stellt er die Bertelsmann AG in Gütersloh vor: "Dort sitzt der Entwickler heute in der Fachabteilung." In diesem Zusammenhang verweist Sneed auf das Software-Engineering, das den Endanwender ohnehin in den Prozeß der Anwendungsentwicklung einspannt: "Die Spezifikation ist bereits das Programm, und die macht der Endanwender."