Bei deutschen Unternehmen kein vorbehaltloses Ja zu Decision-Support-Systemen:

DV-Abteilung muß mit Infocenter rechnen

05.04.1985

KÖLN - Knapp 70 Prozent der Anwenderwünsche landen in der DV-Abteilung erst einmal auf der Warteliste. Dies belegt eine Studie der Sloan School of Management aus Cambridge, Massachusetts. Decision-Support-Systeme sollen hier Abhilfe schaffen. Günter Miliczek von der Comshare AG Deutschland, Köln, beschreibt in seinem Beitrag die Einsatzmöglichkeiten eines solchen Entscheidungsvorbereitungssystems.

Auch in Deutschland gewinnen solche Hilfsmittel immer mehr Anhänger, obwohl sie sich auf breiter Front noch nicht durchgesetzt haben.

In diesem Zusammenhang ist wichtig, daß sich heute etwa 90 Prozent der Aktivitäten um klassische Anwendungen, wie Buchhaltung, Personal-, Berichtswesen ranken und diesem Bereich in Zukunft eine magere Zunahme um zirka 10 Prozent prognostiziert wird.

Ganz anders bei den kreativen, individuellen Anforderungen für Planung, Analyse und Forecast: Nur ein Zehntel des DV-Kuchens gehört heute ihnen, doch werden gut 80 Prozent an Zuwächsen dorthin verbucht.

MIS-Systeme bewältigen Info-Flut nur unzureichend

Ein typisches Beispiel für unerfüllte Anwenderwünsche ist die Situation vor einer Produktneueinführung: Es werden sprichwörtlich in Mengen Informationen zur Absicherung dieser Entscheidungen aufgetürmt und kostspielig herangeschafft: Marktanalysen, Konkurrenzbeobachtungen, Produkt- und Akzeptanztest, wobei sich die Ergebnisse all dieser Aktivitäten in gewichtigen Berichtsbänden stapeln.

Aufgabe des Marktleiters ist nun die richtige Informationsverarbeitung und auf dieser Basis eine Empfehlung an die nächsthöhere Stelle. Ohne die DV ist dies eine frustrierende, stupide und personalintensive Beschäftigung - mit der DV-Abteilung und ihren bisherigen Möglichkeiten ein wenig flexibles, langwieriges Vorgehen.

Das Dilemma, dem sich heute viele gegenübersehen: Immer mehr Informationen bieten eine immer besser Entscheidungsgrundlage, aber wie nutzt man diese Flut an wichtigen Daten, ohne in ihr unterzugehen?

Die Management-Informationssysteme der 70er Jahre befriedigten im Normalfall die Informationsbedürfnisse des Managements nicht, weil sie neue Abhängigkeiten schufen. Entscheidungsunterstützende Planungssprachen erlauben demgegenüber auch für den umgeschulten Anwender eine kreative und individuelle Datenverarbeitung ohne Wartezeiten oder Diskussionen mit anderen Stellen eines Unternehmens.

Problembewußtsein wächst erst langsam

Dieser neue Anwendertyp besitzt einige charakteristische Merkmale; so kann und will er gar nicht programmieren, hat wenig Zeit und ist sich häufig seines Problems gar nicht so recht bewußt. In Amerika, dem Ursprungsland der DSS, stellen heute bereits zwei Drittel des Middle-Management und ein Viertel des Topmanagement diese Gruppe der Endanwender dar. In Deutschland versuchen erst zwei Prozent der Geschäftsleitungen, ihre Informationsdefizite mit Planungssprachen abzubauen und scheuen sich auch nicht vor der Arbeit an der Tastatur.

Planungssprachen liefern hier Informationen zur Entscheidungsvorbereitung und -unterstützung, so

- Ad-hoc-Währungskonvertierungen,

- "Was ist, wenn" -Analysen,

- Rückwärtsrechnungen,

- Konsolidierung

- Budgeterstellung,

- Berichtswesen,

- elementare Statistiken,

- mehrdimensionale Betrachtungsweisen oder

- farbige Grafiken auf Folie oder Dias.

Eifersüchtiges "Datenhüten" blockiert Entscheidungsprozeß

Deutschen Unternehmen fällt derzeit ein vor vorbehaltloses Ja zu Decision-Support-Systemen häufig noch schwer. Nicht nur, weil der Kaufpreis von 60 000 bis 400 000 Mark einer gründlichen Vorbereitung diese Entschlusses bedarf. Unbewußt scheut man auch vor den Folgen der neuen Entscheidungsstruktur zurück, vor den Konsequenzen, die man vorher nicht in vollem Ausmaß zu übersehen meint.

Unternehmen und ihre Informationswege werden durch DSS transparenter, die Basis und Richtigkeit ihrer Entscheidungen nachprüfbarer. Entschlüsse werden schneller fällig, weil Zögern nicht länger mit fehlenden oder nur langsam fließenden Informationen zu begründen ist. Abteilungen können sich darüberhinaus gegenseitig in die Karten schauen, ein zwar immer gewünschter, aber bis dato noch nicht praktizierter Vorgang.

Kreativität und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien sind nicht länger formulierte Anforderungen, sondern werden mit Einsatz dieser modernen Hilfsmittel aktiv gefordert und müssen unter Beweis gestellt werden. Alle Unternehmensbereiche von der Fachabteilungsebene bis zur Vorstandsetage können in relativ kurzer Zeit en Umgang mit Decision-Support-Systemen erlernen und die Möglichkeiten dieser Software zum Beispiel mit Hilfe der "Was ist, wenn" -Analyse kreativ einsetzen.

Das Terminal und vor allem die bis heute für viele noch an Sekretariatsarbeit und damit untergeordnete Tätigkeit erinnernde Tastatur ist nicht mehr nur Handwerkszeug für Computerfreaks oder DV-Experten, sondern Schlüssel zur besseren Entscheidungsfindung für jeden. Je schneller sich der Endanwender von diesen Vorurteilen befreit, um so früher wird er von den Vorteilen der neuen Technik profitieren.

Die DV-Abteilung wird zwar von Abfrage- und Analyseanwendungen entlastet, muß sich aber auch an eine zweite unternehmenseigene Servicestelle in Sachen Informationsverarbeitung gewöhnen und diese akzeptieren. Nicht "Futterneid" und Konkurrenzdenken zwischen DV-Abteilungen und Informationscenter dienen dem Endanwender, sondern die vorher skizzierte sinnvolle Ergänzung und Zusammenarbeit der beiden Bereiche. Eifersüchtiges Hüten der Daten und nur eigenwillige Bereitstellung von Rechnerkapazitäten bewirken das genaue Gegenteil.

Das junge und häufig mit neuen Mitarbeitern besetzte Informationscenter braucht von allen Seiten Unterstützung und Anfragen, um seinen Aufgaben möglichst schnell gerecht werden zu können.