Durchwursteln gilt nicht mehr

10.05.2006
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

BARTSCHER: Lebenslanges Lernen muss gelebt werden. Die betroffenen Menschen müssen sich von althergebrachten Wissens- und Glaubenssätzen verabschieden und neue, zum Teil fremde oder gar beängstigende Lernwelten betreten. Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern beständig verpflichtende Lehr- und Lernangebote anbieten. Die Mitarbeiter sollten selbstverständlich entsprechende Lernangebote wahrnehmen - unabhängig davon, ob diese das Unternehmen bezahlt oder nicht. Kommen die Mitarbeiter für die Kosten auf, müssen sie diese als Investition in ihr Leistungsvermögen begreifen. Für die Personalentwicklung heißt dies konkret, dass auch Mitarbeiter, die älter als 40 Jahre sind, die Chance erhalten, an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ältere Mitarbeiter anders lernen als jüngere Kollegen. Gegebenenfalls muss bei den Älteren zunächst die Metaqualifikation "lernen zu lernen" wieder aktiviert werden.

CW: Wie kann Personalentwicklung mit den vermeintlichen Defiziten älterer Arbeitnehmer umgehen?

BARTSCHER: Es ist wichtig, ältere Mitarbeiter über mögliche Qualifikationsdefizite wertschätzend zu informieren. Häufig ist es so, dass sich ältere Mitarbeiter kein genaues Bild davon machen, wie hoch ihr Qualifizierungsbedarf ist. Hier gilt es mit der Vorstellung zu brechen, die noch fest in deren Köpfen sitzt: "Für die verbleibenden Berufsjahre werden meine Qualifikationen reichen!" Nicht selten sind etwa ältere Führungskräfte darauf stolz, dass sie eine Mitarbeiterin haben, die ihnen die E-Mails ausdruckt. Zudem müssen Personalentwickler bedenken, dass die künftigen älteren Mitarbeiter eine Art Trauerprozess durchlaufen müssen. Am Beispiel ihrer Vorgänger haben sie noch gesehen, dass man sich sehr wohl die letzten Jahre "durchwursteln" kann und dann noch mit einem "goldenen Handschlag" verabschiedet wird. Diese Option besteht heute und in Zukunft nicht mehr. Wollen die älteren Mitarbeiter nicht zwangsläufig arbeitslos werden, müssen sie sich den für sie ungewohnten Lernprozessen aussetzen. Auch dann werden sie aber nicht unbedingt mehr verdienen oder einen Karrieresprung machen können.

CW: Welche Rolle spielt der Umgang mit älteren Mitarbeitern für das Image eines Unternehmens?

BARTSCHER: Jüngere Mitarbeiter achten heute genau darauf, wie ihr Unternehmen ältere Kollegen behandelt. Wird diese Praxis als tendenziell unethisch, unsensibel oder unwürdig erlebt, hat das Folgen: Gerade die leistungsfähigen jungen Mitarbeiter wollen dann rechtzeitig den Absprung schaffen, um bei anderen Arbeitgebern anzuheuern, denen es ein ehrliches Anliegen ist, auch mit älter gewordenen Mitarbeitern erfolgreich am Markt zu agieren.

CW: Können es sich Unternehmen weiter leisten, den Mitarbeitern mit zunehmendem Alter steigende Bezüge zu zahlen?