Praxis-Computer für Arzt- und Spitalbedarf:

Durchbruch läßt weiter auf sich warten

23.11.1984

ZÜRICH (sg) - Bestenfalls ein rundes Dutzend Anbieter waren es, die sich mit sogenannten Praxis-Computern an der Internationalen Fachmesse für Arzt- und Spitalbedarf (IFAS) präsentierten. Bei der 18. IFAS, die vom 23. bis 27. Oktober in den Hallen der Züspa stattfand, waren es bereits 20 die Systeme für den frei praktizierenden Arzt im Angebot führten.

Auf den ersten Blick mag dieser zahlenmäßige Zuwachs erfreulich erscheinen. Enttäuschend dagegen ist, daß die sich mehrheitlich aus kleinen Systemhäusern rekrutierenden Anbieter im Prinzip gegenüber ihren Angeboten vor zwei Jahren doch nur unwesentliche Neuerungen anzubieten hatten. Bestenfalls konnte man mit neuer Hardware glänzen. Aber da die Software nicht eigentlich weiter entwickelt wurde, war es in nur wenigen Fällen möglich, die sich inzwischen bietenden Möglichkeiten einer neuen Hardware dementsprechend konsequent zu nutzen.

Nach wie vor enttäuschend ist auch die Anzahl der bislang bei Schweizer Ärzten installierten Computer. Alle Anbieter zusammengenommen - so ergab eine Befragung - bringen es derzeit auf keine 200 Systeme. Vor zwei Jahren lag die Zahl zwar erst bei 25, aber einer Verachtfachung bedeutet in diesem als interessant einzuschätzenden Markt, mit immerhin rund 7500 frei praktizierenden Ärzten, keineswegs eine Bestmarke.

Entgegen den Erwartungen der Anbieter, die wegen der freundlichunverbindlichen Nachfrage anläßlich dieser Messe kaum gedämpft wurden, drängt es die zu recht als

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konservativ eingestuften Schweizer Ärzte immer noch nicht zu den Computern. Zumal ihnen auch niemand so recht deren Nutzen erklären kann. Statt dessen scheinen sich die Anbieter darauf verlegt zu haben, potentielle Käufer mit verlockenden Einstiegspreisen - von 17 000 Franken an aufwärts - für ihr Angebot zu interessieren. Ob das nun wirklich die Ärzte zu locken vermag, ist zu bezweifeln.

Ärzte sind vom Computer enttäuscht

Auch wenn heute krasse Negativmeldungen von Ärzten, die zum Teil ihre frühe Entscheidung für zumeist nur halbfertige Praxis-Computer, beziehungsweise darauf laufender Software, teuer bezahlen mußten, nicht mehr unbedingt vorherrschen, so richtig zufrieden mit seinem Praxis-Computer scheint auch keiner. Zumal doch seitens der Anbieter immer wieder experimentiert wird. Vor lauter Begeisterung für ihre eigenen Entwicklungsarbeiten vergessen diese, den Markt für den Absatz ihrer entstandenen Produkte entsprechend aufzubereiten.

Kein Wunder also, wenn die hochgepriesenen Erleichterungen bei den administrativen Arbeiten sich so manches Mal ins Gegenteil umgekehrt haben.

So wurde anstatt einer mit dem Behandlungsverlauf zeitgleichen Datenverarbeitung eher Nacharbeit zur Regel. Wobei sich insbesondere die Leistungserfassung bei vielen Systemen als recht umständlich und daher auch problembehaftet erweist. Einmal auch deswegen, weil darin wenig bis gar nichts auf eine zeitgemäße Software-Entwicklung hinweist.

Gängige Bedienungshilfen fehlen

Viele dieser Probleme resultieren zu einem Großteil aus einer mangelhaften Instruktion oder dem Fehlen eines geeigneten, jedermann verständlichen Bedienungshandbuches. Desgleichen gibt es keine gängigen Bedienungshilfen, wie sie beispielsweise mit Window-Technik möglich wären.

Eine solche Unvollkommenheit kann jedoch offensichtlich keinen Anbieter davon abhalten, seinen Computer für die Arztpraxis mit Argumenten, ein solches System sei binnen eines halben Tages eingeführt, oder mit diesem würde die "papierlose" Praxis Wirklichkeit anzubieten. Damit aber werden immerzu Erwartungen bei den in der Regel von keinerlei DV-Kenntnissen getrübten Ärzten geweckt. Im nach hinein können diese - wenn überhaupt - zum Teil nicht einmal während eines halben Jahres erfüllt werden.

Solange man die Ärzte noch auf diese Weise für dumm zu verkaufen versucht, wird man mit Sicherheit keinen Durchbruch bei den Praxis-Computern erwarten können. Denn letztlich darf man doch annehmen, daß die Ärzte selber realistisch genug sind, um einigermaßen abzuschätzen, daß es mit Einführungszeiten von einem halben bis ganzen Tag nicht getan sein kann. Womit dem Glauben, an die im Prinzip nicht in Frage zu stellenden Praxis-Computer, wohl zu allerletzt gedient sein dürfte .