Durchblick im Gebührendschungel bewahren

Durchblick im Gebührendschungel bewahren Elektronische Heinzelmänner suchen günstigsten Carrier

20.03.1998

Vollmundig hatten die neuen Konkurrenten der Telekom im letzten Jahr Transparenz bei den Telefontarifen versprochen.Knapp drei Monate nach dem Startschuß in die große Telefonfreiheit sieht sich der Anwender jedoch mit über 2000 Gebührenkombinationen konfrontiert.Diverse Rabattsysteme, beispielsweise für lange Gespräche, und Sondergebühren wie beim Verbindungsaufbau via Call-by-call oder Mindestumsätze beim Preselection-Verfahren (siehe Glossar) vernebeln den Durchblick in der Tariflandschaft vollends.

Eine Vielfalt, die ohne elektronische Hilfe kaum zu bewältigen ist.Das Angebot der elektronischen TK-Assistenten läßt sich grob in vier Kategorien unterteilen:

"Software für mittlere und große TK-Anlagen, die die Least-Cost-Routing-(LCR-)Funktionen (siehe Glossar) der Systeme mit Tarifinformationen der TK-Gesellschaften ergänzt.Bei jedem Anruf wird dann automatisch der günstigste Anbieter angewählt.

"Vorschaltkästen für analoge oder digitale Telefonanschlüsse.Diese bieten ähnliche Funktionen wie die angesprochene Software.

"Hybridlösungen, die in Kombination mit ISDN-Karte und PC, die günstigste Verbindung heraussuchen und schalten.

"Gebührenvergleichsrechner.Die kleinen Programme zeigen dem Benutzer an, wieviel ein Gespräch über die jeweilige TK-Gesellschaft kostet.In das Netz des Providers muß sich der Anwender allerdings von Hand einwählen.

So bestechend die Idee der automatischen Carrier-Anwahl ist, in der Praxis birgt sie einige Fallstricke.Aufgrund der unterschiedlichen Taktzeiten und Abrechnungsmodalitäten (sekundengenau etc.) der diversen Anbieter müssen die Hersteller nämlich mit Korrekturfaktoren arbeiten.Nur so können sie den günstigsten Tarif vorab ermitteln, da die Anlage schließlich nicht vorhersagen kann, wie lange ein Telefonat dauert.Die Comtel GmbH, Friedrichsdorf am Taunus, orientiert sich bei der Ermittlung des Korrekturfaktors für ihre "Sparbox" an einer Erhebung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).Diese geht davon aus, daß ein durchschnittliches Telefongespräch drei Minuten dauert.

Die korrekte Bestimmung des günstigsten Carriers erschweren aber auch zahlreiche Rabatte, wie sie beispielsweise die Telekom für längere Gespräche einräumt (Tarif 10plus).

Den hierfür nötigen Blick in die Kristallkugel möchten künftig einige Hersteller ermöglichen: Sie wollen bei ISDN-Lösungen die durchschnittliche Gesprächsdauer mit einem bestimmten Teilnehmer ermitteln.Auf Basis dieser Daten entscheidet dann das System, ob ein Anbieter mit Rabattierung günstiger ist.

Darüber hinaus birgt die seit März gültige Tarifstruktur der Telekom eine weitere Falle.Statt den Gebührentakt bei langen Gesprächen zu verlängern, hat der Bonner Carrier den Preis pro Einheit gesenkt.Die Folge sind falsche Additionen der Gebührenzähler, da sie nur die Zwölf-Pfennig-Einheit kennen. Einige Anbieter, wie beispielsweise die Tedas GmbH, Marburg, mit dem "Phoneware LCR-Server" haben in ihre Produkte entsprechende Umrechnungsroutinen integriert.Wer zudem auf eine genaue Auflistung der Gesprächskosten Wert legt, sollte darauf achten, ob die Systeme auch ohne Gebührenimpuls (siehe Glossar) die Kosten elektronisch errechnen können.

Carrier-Wahl bei großen TK-Anlagen

Sieht man von den möglichen Problemen einmal ab, so erlauben die derzeit angebotenen Lösungen den Anwendern durchaus, die neue TK-Freiheit mit kalkulierbarem Aufwand zu nutzen.Die folgende Übersicht erhebt nicht den Anspruch, eine repräsentative Marktübersicht zu sein, sondern soll die verschiedenen konzeptionellen Ansätze an ausgewählten Produkten verdeutlichen.

Die neue Vielfalt im TK-Markt scheint für die Hersteller von Unternehmens-TK-Anlagen kein Problem zu sein.Fast unisono verweisen sie darauf, daß ihre Anlagen bereits im Zuge der Corporate-Network-Regelungen (siehe Glossar) mit LCR-Funktionen ausgestattet wurden.Dank dieser Features wählen die Systeme bei entsprechender Programmierung auch automatisch den jeweils günstigsten Netzbetreiber an.

Um den Anwendern die mühselige Eingabe der Gebührendaten zu ersparen, haben die Hersteller verschiedene Supportwege eingeschlagen.So kann Bosch seine TK-Anlagen der Integralis-Baureihe seit Jahresbeginn automatisch online mit den aktuellen Gebührendaten der Telefongesellschaften versorgen.

Auch für die Alcatel-TK-Systeme ist die Suche nach dem günstigsten Netzbetreiber keine unlösbare Aufgabe.Der Stuttgarter Konzern hat seine bisherige LCR-Software durch das neue Verfahren der "Automatic Route Selection" ersetzt.Vergleichbar mit den Systemen anderer Wettbewerber unterstützt die ASR-Lösung Funktionen wie ziel- und zeitabhängige Carrier-Steuerung, Provider-Erkennung, Wegeoptimierung, Rufnummernumschlüsselung und Alternative-Routing, falls der primäre Netzbetreiber überlastet ist.Für Unternehmen, die keinen eigenen Fernemeldetechniker beschäftigen, bietet Alcatel die Programmierung der Anlage als einen Baustein des "All-in- one-Service"-Konzepts an.

Christof Bachmair, Pressereferent beim Konkurrenten Siemens in München, verweist, auf die Probleme der automatischen Carrier-Wahl angesprochen, ebenfalls auf die LCR-Fähigkeiten der "Hicom"-Anlagen.Nach Angaben des Siemens-Mitarbeiters müssen die Unternehmen lediglich die Tarifdaten der neuen Telekom-Konkurrenten in die Hicom einpflegen.Eine Aufgabe, die der Konzern auch als Dienstleistung übernimmt und beispielsweise via Fernwartung erledigt. Für mittelständische Unternehmen, die in der Regel kein Corporate Network betreiben und somit keine Erfahrung in Sachen Least Cost Routing haben, führt der Elektronikriese zur CeBIT als neuen Service eine "Carrier Beratung" ein. Hierbei ermittelt Siemens für Unternehmenskunden nicht nur das konkrete Einsparpotential durch die Auswahl der jeweils günstigsten Netzbetreiber, sondern optimiert auf Wunsch auch das LCR des Kommunikationssystems und übernimmt die kontinuierliche Systempflege.

Während die Besitzer mittlerer und größerer TK-Anlagen mit LCR-Funktion auf die Unterstützung der Hersteller bauen können, ist dies für die Benutzer kleinerer Systeme noch Zukunftsmusik.So hat die Quante AG, Hersteller von TK-Equipment, derzeit keine konkreten Pläne, ihre Anlagen mit entsprechenden Funktionen auszustatten.Die Wuppertaler wollen erst die CeBIT abwarten und während der Messe den Markt beobachten.Ebenso bedeckt gibt sich Anlagenbauer Ackermann in Gummersbach.

Selbst wenn die Benutzer kleiner TK-Anlagen, wie sie häufig in Zweigstellen, Versicherungsagenturen etc. installiert sind, nicht direkt bei ihrem Hersteller eine entsprechende Lösung kaufen können, brauchen sie auf den Komfort der automatischen Netzbetreiberwahl nicht zu verzichten.Etliche kleine Firmen haben Vorschaltkästen für die direkte Anbindung am analogen Telefonanschluß oder S0-Bus entwickelt.

Black box sucht günstigen Carrier

Ein Vertreter dieser Gerätegattung ist der "Telejet Tarifmanager" der Innovative Computer GmbH (ICO) in Diez an der Lahn.Die Box wird, wie die Modelle anderer Anbieter, zwischen analogem Telefonanschluß und Endgerät plaziert.Beim Telefonieren oder Faxen sucht das Gerät automatisch den Netzbetreiber mit dem lukrativsten Tarif.Die hierzu erforderlichen Informationen und entsprechende Updates bekommt der Mini-Router über ein eingebautes Modem vom zentralen Rechner bei ICO.

Die gewünschten Carrier stellt der Benutzer bei der erstmaligen Inbetriebnahme ein.Dies können Gesellschaften sein, mit denen er einen Preselection-Vertrag hat, oder Anbieter von Call-by-call-Verfahren, aber auch Karten- und Callback-Dienste.Zudem kann der User bei der Einrichtung festlegen, ob der Verbindungsaufbau lediglich preis- oder auch Carrier-orientiert erfolgt.

Geräte mit ähnlichen Funktionen bieten auch die CCL Technologies GmbH, Lichtenau (Econotel Smartbox), Prisma Technologies, Bad Homburg (Phonecontrol), oder Comtel, Friedrichsdorf am Taunus (Sparbox) an.Um die Gebührentabellen auf dem jeweils aktuellsten Stand zu halten, besitzen die Boxen teilweise integrierte Modems für die Anwahl der Supportrechner.Je nach Abrechnungsmodell bezahlt der Anwender hierfür eine monatliche Pauschalgebühr, oder die Anwahl erfolgt über eine 0190-Nummer.Eine andere Variante hat Comtel in petto.Hier erfolgt das Update über eine geschützte Web-Seite, von der sich der Anwender die Tarifinformationen herunterlädt.

Neben den einfachen Boxen für die analogen Anschlüsse planen beziehungsweise haben die Hersteller bereits Lösungen für ISDN-Leitungen im Programm, die der eigentlichen TK-Anlage vorgeschaltet sind.Das Leistungsspektrum dieser Kategorie reicht von der Unterstützung einfacher S0-Anschlüsse bis hin zu Primärmultiplex-Verbindungen.

Für Arbeitsplätze, die über eine ISDN-Karte im Rechner verfügen und diesen den ganzen Tag im Betrieb haben, eröffnet sich mit den Hybrid-Lösungen eine weitere Variante.Der Benutzer telefoniert hierbei direkt via Headset über die ISDN-Karte oder wie bisher über Telefon oder TK-Anlage.Dabei steuert der PC die Anwahl des günstigsten Carriers.Neben der Betreiberwahl warten diese Softwarelösungen in der Regel mit CTI-Funktionen wie Kontakt-Management, Telefonbuch etc. auf.Zwei Vertreter dieser Gattung sind beispielsweise der "Teliman" der Trius GmbH aus Friedrichsdorf am Taunus oder "Isline Phone" der MPS Software GmbH aus Kirchheim.

Die einfachste Variante, um im Tarifdschungel den Überblick zu behalten, sind kleine Programme, die auf dem PC laufen.In Abhängigkeit von Uhrzeit und Tag ermitteln sie den attraktivsten Netzbetreiber mitsamt Vorwahl.Je nach Programm erfolgt die Darstellung in tabellarischer Form oder in einem kleinen Pop-up-Fenster, das aktuell den jeweils günstigsten Anbieter anzeigt.Das Preisniveau der Produkte liegt dabei zwischen 20 und 50 Mark.Neben diesen, meist auf CD ausgelieferten Produkten, sind entsprechende Tools auch kostenlos im Internet zu finden.