Hewlett-Packard oder die Kunst, PCs zu verkaufen

Durch Mehrwert-Leistung sollen HPs PCs aus dem Rahmen fallen

25.09.1992

PARIS (jm) - Obwohl es Hewlett-Packard (HP) ab sofort mit PC-Schwergewichten wie der IBM oder Compaq aufnehmen will, gehen die Kalifornier doch traditionelle Wege: Zumindest das Distributionsabenteuer Direktvertrieb will man - anders als viele Konkurrenten - nicht eingehen. Trotzdem glaubt HP, mit aggressiver Vermarktung die momentan noch minimale Durchdringung im PC-Markt verbessern zu können.

Vier neue PC-Modelle präsentierte HP in Paris (vgl. CW Nr. 38 vom 18. September 1992, Seite 31: "Hewlett-Packard und IBM drücken..."). Sie gehören zur Linie der sogenannten "netzwerkbereiten", also für den Netzbetrieb optimierten, Mikros, mit deren Markteinführung HP vor einem Jahr begann. Nach den Worten von Eric Cador, Marketing Direktor der PC-Gruppe Europa, sei mit diesen Rechnern die Anzahl ausgelieferter HP-PCs um 40 Prozent gestiegen.

Trotz dieser hoffnungsfrohen Zahlen sieht die Realität für HPs PC-Geschäft aber noch alles andere als rosig aus: So mußte Alexis Sozonoff, General-Manager Europa, eingestehen, daß es um die Marktpräsenz seiner PCs noch nicht zum besten stehe. Weltweit kann HP momentan lediglich einen dreiprozentigen Marktanteil verbuchen, allerdings gelten für Länder wie Frankreich oder im Vereinigten Englischen Königreich positivere Quoten.

Um das Überleben von HP im PC-Segment zu sichern, will der Drucker- und RISC-Workstation-Spezialist in den kommenden Wochen eine Fünfmillionen-Werbekampagne starten: Mit dieser soll dem potentiellen Käufer nahegebracht werden, daß HP im Gegensatz zur IBM- und Compaq-Konkurrenz keinen Wert auf billige Clone-Produktlinien legt, sondern gute Qualität zu niedrigeren Preisen vermerkten will.

Sozonoff ist sich darüber im klaren, daß es für HP - zumindest was den PC-Wettbewerb angeht - jetzt ums Ganze geht: "Wir sind immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, daß wir das Fundament für eine erfolgversprechende Marktdurchdringung jetzt legen müssen. Danach würden wir es nie mehr schaffen."

Der HP-Manager nannte denn auch Eckwerte für eine PC-(Miß-)Erfolgsstory: Alles, was unter fünf Prozent Marktanteil liege, werde HP in einen roten Bereich führen, in dem das Überleben ernsthaft gefährdet sei. Wenn HP die 5-Prozent-Hürde überquere, ließe es sich leichter leben. Wirklich durchatmen könne HP aber erst, wenn ein Marktanteil von zehn Prozent erreicht sei.

Diese Vorstellung dürfte allerdings nicht so leicht zu realisieren sein, kann man doch der Meinung von Marktanalyst Jack Karp von der Meta Group Inc. uneingeschränkt zustimmen, daß der Wettbewerbsdruck gerade bei PCs nie so hoch war wie heute. Als Folge ergebe sich, so Karp, ein unbedingter Zwang zu kostengünstiger Fertigung sowie zu ökonomischen Distributionsstrategien.

Hinsichtlich der Verteiligung der Produkte geht HP allerdings nicht den Weg von DEC, NCR, Compaq und auch der IBM und deren Ambra-Company Individual Computer Products International Ltd. (ICPI): Im Gegensatz zu den Wettbewerbern wird es von den Kaliforniern keinen Druck auf die Händlerschaft geben, indem man über Direktverkaufskanäle eine konkurrierende Vertriebsschleuse öffnet.

Indirekt direkt geht HP lediglich die großen Unternehmen der Fortune 1000 an und auch hier nur, sofern es sich um HPs Systembereich handelt, unter dem die gesamte RISC-Palette der 3000- und 9000-Rechner subsummiert wird: Wie Bernard Meric, Group Marketing Manager der Personal Information Products Group in Sunnyvale, gegenüber der COMPUTERWOCHE erklärte, leistet die Corporate Account Representative Division (CAR) den Corporate-Händlern Unterstützung, um bei Großkunden Aufträge zu landen, die die HP-Division allerdings nicht selbst entgegennimmt. Dies erledigen die Corporate-Händler, die auch die Boxen selbst liefern.

HP hat keine mächtigen Verbündeten

Meric widersprach im übrigen der Ansicht, daß Anbieter - allerdings nicht nur HP - von Workstations und von PCs Gefahr laufen, sich mit ihrem zweigeteilten Angebot selbst zu kannibalisieren: "Es ist zwar richtig, daß auch Workstations immer billiger werden. Aber zum einen sinken ja bei PCs die Preise ebenfalls enorm. Zum anderen wird es zwischen diesen beiden Rechnerklassen immer eine grundsätzliche Preisschwelle geben." Deshalb sei die Gefahr einer Überlappung des Angebotsspektrums von leistungsstarken CISC-PCs zu Workstations eher gering.

Karp sieht bei HP eine andere Schwäche, die sich verhängnisvoll auswirken könnte: HP drohe im harten Wettbewerb vor allem deshalb Gefahr, weil die Kalifornier im Gegensatz zu allen anderen DV-Großmächten keine nennenswerten Verbündeten haben, mit denen Allianzen geschlossen wurden: "Dieses isolationistische Verhalten entspricht nicht den Realitäten des heutigen Marktes", so der Meta-Mann. Allerdings spreche für HP, daß sie eine berechenbare, weil in der Konstanz ihres Geschäftsgebarens zuverlässige Größe sei.

Den PC-Markt sieht der Vice-President und Direktor der Abteilung für Desktop Computing Strategies bei Meta in einem grundlegenden Wandel begriffen: Bislang habe es eine Vierklassengesellschaft gegeben: die Erste-Klasse-Lieferanten IBM und Compaq, die Zweite-Wahl-Anbieter NEC, DEC, HP, NCR, AST und Dell gefolgt von Clonern wie Acer, Everex, Unisys etc., an die sich Hunderte von Kleinanbieter im PC-Segment anhängten.

In Zukunft werde es eine besondere Güteklasse von PC-Herstellern geben, die sich weltweiter Anerkennung erfreuen dürfen und sich nicht zuletzt wegen des Vorteils, umfangreiche Dienst- und Serviceleistungen garantieren zu können, am Markt durchsetzen würden. Hierzu zählt Karp auch HP. Interessanterweise ordnet er in diese Kategorie aber auch eine Firma wie DEC ein, die erst noch beweisen muß, ob sie für das PC-Segment genügend Potenz mitbringt.

NEC hat nur in Japan Erfolg

Auch die Aufnahme von NEC in den erleuchten Kreis der Topanbieter von Karp scheint fragwürdig, verbuchen die Japaner doch lediglich in ihrer Heimat Erfolge. In einem vergleichsweise wichtigen europäischen DV-Land wie Deutschland ist NECs Bemühen bislang nicht von Erfolg gekrönt.

Die netzwerkbereiten HP-PCs der "Vectra-486N"-Linie verfügen vorkonfiguriert alle entweder über eine HP-Ethertwist-Schnittstellenkarte mit 16 KB I/O-Buffer oder über eine HP-Token-Ring-Karte für die ISA-Bus-Architektur.

Ein Boot-ROM ermöglicht den Systemstart vom Netzwerk-Server aus wahlweise unter Netware, Microsofts LAN Manager, IBMs OS/2 LAN Server, sowie unter Banyan Vines oder SCOs Unix. Das Boot-ROM erkennt automatisch, ob im Rechner eine Ethernet- oder Token-Ring-Karte installiert wurde.

Die Rechner können dank des HP- eigenen Universal-Sockels sowohl mit Intels 486SX-, 486DX- als auch Overdrive-CPUs ausgestattet werden. Maximal ist ein mit 66 Megahertz getakteter 486-Prozessor einsetzbar.

Die ab sofort über den Fachhandel erhältlichen Rechner werden standardmäßig mit 4 MB Arbeitsspeicher (maximal 48 MB) sowie HP Ultra VGA + Videosubsystem ausgeliefert. Mitgeliefert werden ferner DOS 5.0 und Windows 3.1.

Die Listenpreise von etwa 4250 und bis zu 7700 Mark schließen einen Monitor allerdings nicht mit ein.