Durch Jobrotation Mitarbeiter weiterbringen

11.10.2001
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Personalentwicklung war in Zeiten des hohen Fachkräftemangels ein oft vernachlässigtes Thema. Alles drehte sich nur darum, möglichst viele neue Mitarbeiter einzustellen. Jetzt, wo sich Unternehmen bei der Rekrutierung zurückhalten, überlegt man, wie man die vorhandenen Kräfte zum Nutzen der Firma besser einsetzen kann.

Die Startup-Pleiten sind für Jürgen Schröder kein Grund zum Aufatmen. "Wer vor zwei Jahren in die Dotcom-Welt eingetreten ist und sich daran gemessen hat, mit welch tollen Tools er herumgespielt oder auch wie viel Cash er verbrannt hat, passt nicht in ein Industrieunternehmen. " Der Chief Information Officer (CIO) der Schering AG sucht international einsetzbare IT-Projekt-Manager und setzt dabei vor allem auf die Mitarbeiter im eigenen Haus: Ob SAP-Einführung in Kolumbien und Argentinien oder Research-Information-Management in Japan und den USA, der Berliner Pharmakonzern entsendet seine IT-Experten in alle Welt und holt in jüngster Zeit auch verstärkt ausländische Mitarbeiter in die Zentrale nach Deutschland.

Kennzahlensystem hilft

Möglich wird diese Jobrotation durch ein IT-Controlling-System, in dem die Informationen über alle IT-Projekte abgelegt sind und das dem CIO Aufschluss über die Leistung und das Potenzial des jeweiligen Projektleiters erlaubt. "Gute Projektleiter werden normalerweise vor der Zentrale versteckt. Durch das Kennzahlensystem kann ich aber die Fähigkeiten des Mitarbeiters erkennen und ihn zum Beispiel mit einem weltweiten Projekt betrauen", so Schröder auf dem Diebold-Seminar "Human Resource Management in der IT" in Frankfurt am Main.

Allerdings müssen auch die Mitarbeiter bei einem Auslandseinsatz mitspielen. Thomas Engel, CIO der Kühne & Nagel International AG, und Benno Sahre, Vice President bei der Tarkett Sommer AG und weltweit für alle IT-Bereiche des Bodenbelagherstellers verantwortlich, haben die Erfahrung gemacht, dass dies oft die größte Hürde darstellt. "Dabei ist vielen Bewerbern anfangs die internationale Perspektive enorm wichtig. Das Interesse schwindet jedoch schnell, wenn es konkret wird", hat Engel beobachtet. Je länger ein Einsatz fern der Heimat dauern soll, desto geringer ist laut Sahre die Bereitschaft der Mitarbeiter: "Bei der SAP-Einführung in Australien wollte erst die ganze Abteilung mitmachen, nach drei Monaten waren es nur noch 20 Prozent." Vor allem die Mitarbeiter, die bereits Familie haben, seien skeptisch, da sie nicht durch lange Abwesenheit ihre Partnerschaft gefährden möchten.

Auch Auszubildende arbeiten im Ausland

Darum versuchen Firmen wie Schering, den Mitarbeitern einen Auslandseinsatz im Sinne der Jobrotation schmackhaft zu machen und gleichzeitig zu unterstreichen, dass er förderlich für die Karriere ist. Mit Erfolg, denn mittlerweile signalisieren laut Schröder auch Mitarbeiter "in eher trockenen Bereichen" wie im Rechenzentrum ihr Interesse, für eine befristete Zeit im Ausland zu arbeiten. Die Flexibilität potenzieller Beschäftigter kann das Pharmaunternehmen dank einer Kooperation mit der Berliner Berufsakademie schon früh testen: So bildet Schering zusammen mit der Berufsakademie zurzeit etwa 30 angehende (Wirtschafts-)Informatiker aus, die sich schon während ihrer dreijährigen Lehrzeit in unterschiedlichen Projekten und auch im Ausland bewähren müssen.

Projektarbeit sieht Schröder nicht nur für die IT-Azubis, sondern auch für die übrigen IT-Beschäftigten als motivierend an: "Wir versuchen den Anteil derer, die immer wieder in neuen Projekten arbeiten, kontinuierlich zu steigern." Im vergangenen Jahr waren das knapp 28 Prozent der 629 IT-Experten. Die Projekte sollten allerdings nicht länger als ein Jahr dauern, da nur so schnelle Erfolge sichtbar sein könnten.

Wie man IT-Mitarbeiter über fünf Jahre bei der Stange halten kann, zeigte dagegen Esklid-Uve Klinkmann auf. Als Direktor ist er bei der Deutschen Hypothekenbank Frankfurt-Hamburg AG (Deutsche Hyp) für die Ablösung des bisherigen durch ein SAP-basiertes System zuständig, an der 140 externe und 40 interne IT-Mitarbeiter beteiligt sind. Um die Beschäftigten über einen so langen Zeitraum führen, motivieren und auch entwickeln zu können, seien konsequente Zielvereinbarungen unabdingbar. Bei der Deutschen Hyp setzten sich Mitarbeiter, Linienvorgesetzter und Projektleiter regelmäßig zusammen, um die einmal vereinbarten Ziele immer wieder zu überprüfen und auch anzupassen. Wichtig sei auch, dem Angestellten während der Projektlaufzeit Entwicklungsalternativen wie vom Teammitglied zum Teilprojektleiter oder vom Tester zum Trainer anzubieten.

Auch nach dem Projekt gelte es, den Mitarbeiter so wieder einzugliedern, dass er seine gewonnenen Erkenntnisse nutzbringend etwa als IT-Koordinator zwischen Fachbereich und IT oder als "Superuser" im Fachbereich einsetzen kann. Das könne aber nur gelingen, wenn der Kontakt zwischen Linienvorgesetzten und Projektmitarbeiter während der ganzen Zeit nicht abreißt.

Wissenstransfer gewährleisten

"Man muss sich für die Mitarbeiter Zeit nehmen und mit ihnen sprechen, um Probleme rechtzeitig zu erkennen", rät Klinkmann. Denn diese können gerade in IT-Großprojekten, in die externe Berater unterschiedlicher Unternehmen eingebunden sind, schnell auftreten. So könnten die Mitarbeiter kritisieren, dass die Berater die interessantesten Aufgaben übernehmen. "Dann muss man den Wissenstransfer gewährleisten und die Berater überflüssig machen", so Klinkmann. Letztere können selbst zum Problem werden, wenn sie zeitlich nicht im vereinbarten Umfang zur Verfügung stehen<a></a> oder der Dienstleister das Projekt zur fachlichen Ausbildung des Beraters nutzt. In solchen Fällen helfen nach der Erfahrung von Klinkmann allerdings nur eindeutige Vertragsvereinbarungen. Zugleich sollten aber Regeln für eine gemeinsame Projektkultur hinsichlich des offenen Informationsaustausches oder des Projektverfahrens aufgestellt

werden.