"Durch höhere Integration reduziert sich die Verlustleistung"

08.04.1982

CW: Gate-Arrays werden bisher erst von wenigen amerikanischen und japanischen Herstellern in einzelnen Produkten eingesetzt. Warum sind sie noch nicht weiter verbreitet?

Fetzer: Die bisher angebotene Integration von einigen hundert Gates hat die Anwendungsmöglichkeiten eingeschränkt. Ein weiteres Problem besteht darin, daß wegen fehlender computerunterstützter Entwurfstechniken der manuelle Schaltkreisentwurf zu aufwendig und bei höherer Integration zu fehleranfällig ist. Das wird sich durch geeignete Programme bald ändern.

CW: Wie ist der Stand der Gate-Array-Technologie?

Fetzer: Gate-Arrays werden in MOS-, TTL- und ECL-Technologie geliefert. Maximal sind zur Zeit 2000 Gatter in MOS oder TTL integrierbar. Die maximale Geschwindigkeit beträgt 0,5 Nanosekunden Gatterdurchlaufzeit in ECL. Integrationsgrad und Geschwindigkeit werden in den nächsten Jahren noch wesentlich steigen. Der nächste Innovationsschritt dürfte bei 5000 Gattern liegen.

CW: Das reicht aber immer noch nicht, um in den Bereich von LSI-Schaltkreisen vorzudringen?

Fetzer: Richtig. Zur Zeit kosten die erforderlichen Gate-Arrays noch etwa 50 Mark, um einen LSI-Baustein von fünf Mark zu ersetzen. Das Verhältnis dürfte sich in den nächsten Jahren zwar verringern, aber der Break-even-point kann noch nicht terminiert werden.

CW: Wo können unter Beachtung der noch vorherrschenden Restriktionen Gate-Arrays heute eingesetzt werden?

Fetzer: Sie finden ihren Platz im Umfeld von Mikroprozessoren, um in Zentraleinheiten, Controllern und in diverser Peripherie spezielle Anwendungen zu realisieren, die normalerweise mit SSI-und MSI-Schaltkreisen aufgebaut würden. Ein Gate-Array kann bis zu 40 von ihnen ersetzen.

CW: Welche Vorteile bringen Gate-Arrays dem Computerbauer?

Fetzer: Nach dem heutigen Stand der Gate-Array-Technologie lassen sich in einem 16-Bit-Rechner 150 bis 200 SSI- und MSI-Bausteine durch Gate-Arrays substituieren, wodurch sich der Platzbedarf für die Platinen auf etwa ein Dreißigstel und der Strombedarf für die Platinen auf ein Sechstel reduziert. Die Energieeinsparung ist schon für sich allein erfreulich. Sie vermindert aber auch die Wärmeerzeugung und den Bedarf an Lüftern. So wird als Nebeneffekt der Geräuschpegel geringer.

Ein sehr großes und wichtiges Anwendungsgebiet bieten bestehende Systeme, wo durch Gate-Arrays neue Produkte problemlos in alte Hardware integrierbar sind.

CW: Was heißt problemlos?

Fetzer: Dadurch, daß alle Hardwarefunktionen von in Gate-Arrays realisiert werden können, entsteht kein Bruch zur bestehenden Software. Alte Hardware kann also von kompatibel durch moderne Technologie ersetzt werden. Mit Mikroprozessoren ist dies dagegen nur bei einem Softwarebruch oder dem Einsatz von Emulationssoftware möglich, die freilich den Durchsatz verringert.

CW: Wo liegen weitere Vorteile von Gate-Arrays gegenüber echten Kundenschaltkreisen?

Fetzer: Durch die höhere Integration gegenüber SSI- und MSI-Schaltkreisen reduziert sich die Verlustleistung um bis zu 80 Prozent, während sich gleichzeitig die Zuverlässigkeit der Schaltung um den Faktor zehn erhöht.

Entwicklungszeit und Kostenaufwand für echte Kundenschaltkreise steigen mit höherem Integrationsgrad und der Zahl der Masken enorm an. Ein Gate-Array dagegen braucht nur eine kundenspezifische Maske. Hierdurch lassen sich Entwicklungszeit und Entwicklungskosten reduzieren. Da der Entwickler nur mit fest definierten Standardschaltungen, in der Regel NOR- oder NAND-Gates, arbeitet, entfällt das aufwendige und langwierige Entwickeln und Layouten der Basiselemente. Nach einer Einarbeitungszeit in die Designregeln ist der Entwickler in der Lage, sein eigenes Gate-Array zu entwerfen. Für den aufwendigen Halbleiterprozeß braucht er keine Erfahrung, da die Prozeßschritte standardisiert sind. Durch das einfache Design bietet diese Technologie daher ein hohes Maß an Flexibilität.

Die Standardisierung der Gate-Array-Zelle erfordert allerdings eine im Vergleich zum echten Kundenschaltkreis erhöhte Chipfläche, so daß bei sehr großen Stückzahlen Kundenschaltkreise wieder vorteilhaft werden. Im unteren und mittleren Bereich sind Gate-Arrays auf jeden Fall wirtschaftlicher.

CW: Die Produktionskosten eines Gate-Arrays und der adäquaten Menge an SSI- und MSI-Schaltkreisen sind aber doch in etwa gleich hoch?

Fetzer: Das ist richtig. Aber die Prüfkosten sind niedriger. Und ihr Anteil an den Gesamtaufwendungen ist erheblich.

CW: Wie hält es Nixdorf mit den Gate-Arrays?

Fetzer: Wir bauen bereits seit 1976 in Tastaturen, Drucker, Bildschirme und andere Peripheriegeräte mit serieller Arbeitsplatzschnittstelle einen Gate-Array-Schaltkreis mit 400 Gattern, bei einem Jahresbedarf von 100 000 Stück, ein. Dieser Baustein ermöglichte es uns, eine nur 30 Millimeter hohe, also sehr flache Tastatur auf den Markt zu bringen, die neuesten ergonomischen Anforderungen entspricht.

CW: Sind Sie bei diesem einen Baustein stehengeblieben?

Fetzer: Nein. Bis heute sind ein gutes Dutzend weiterer Gate-Arrays hinzugekommen, unter anderem für die Synchronisation von DÜ-Einrichtungen und das Abfragen (Scannen) von Tastaturen.

"Gate-Arrays werden eine tragende Säule künftiger Entwicklungen sein"

CW: Wer fertigt Ihre Gate-Arrays?

Fetzer: Bis dato der englische Halbleiterhersteller Ferranti.

CW: Was liefert Nixdorf zu?

Fetzer: Zuerst haben wir nur die logischen Entwürfe gemacht. Seit zwei Jahren erstellen wir auch das Layout selbst.

CW: Mit welcher Methode layouten Sie?

Fetzer: Momentan noch manuell am Zeichenbrett.

CW: Wenn Sie schon seit 1976 Gate-Arrays verwenden, warum haben Sie diese Tatsache erst jetzt bekanntgegeben?

Fetzer: Durch die sich abzeichnende dramatische Verbesserung der Packungsdichte, bessere Design- und Testmethoden und ein deutlich günstigeres Preis-/Leistungsverhältnis hat die Gate-Array-Technologie eine wesentliche Hürde für ein breiteres, nicht mehr partielles Einsatzspektrum überwunden. Gate-Arrays werden eine tragende Säule unserer künftigen Entwicklungen sein. Wir haben den grundsätzlichen Entschluß gefaßt, hier größer zu investieren.

CW: Können Sie etwas konkreter werden?

Fetzer: Wir wollen beispielsweise das Layout computergestützt machen (CAD), die Logik auf Rechnern simulieren und dabei gleichzeitig die Daten für spätere Testprogramme aufbereiten. Davon versprechen wir uns eine erhebliche Zeit- und Kostenersparnis. Konkret heißt dies, wir sind auf der Suche nach geeigneter Hard- und Software. Leider ist das einschlägige Angebot noch unbefriedigend. Wir wollen jedoch auf jeden Fall im Laufe des Jahres 1982 die erforderlichen technischen Voraussetzungen geschaffen haben.

CW: Wie sieht es mit der Packungsdichte aus?

Fetzer: Wir entwickeln gerade Gate-Arrays mit 2000 Gattern.

CW: Werden Sie sich auch künftig auf einen Lieferanten beschränken?

Fetzer: Bei den bipolaren Gate-Arrays arbeiten wir erfolgreich mit Ferranti zusammen. Wir denken jedoch auch an den Einsatz anderer Technologien, zum Beispiel C-MOS, und stehen hierfür bereits in Kontakt mit mehreren kleineren amerikanischen Firmen die wiederum die noch nicht personifizierten Standardbausteine von großen Halbleiterherstellern beziehen.

CW: Welche Nixdorf-Produkte werden über den heutigen Umfang hinaus in absehbarer Zeit mit Gate-Arrays bestückt werden?

Fetzer: Alle, wo dies technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist. Ein Schwerpunkt wird auf jeden Fall das Umrüsten von im Feld installierten Anlagen sein, die so kompatiblen

Anschluß an die Fortschritte im Computerbau finden.

CW: Wie steht es mit den Zentraleinheiten?

Fetzer: Wir würden nicht so viel in diese Technologie investieren, wenn sie nicht in unsere neuen Rechner Eingang finden würde.

Gate-Arrays

Gate-Arrays, auch bekannt als Uncommitted Logic Array (ULA) oder Masterslice, sind Integrierte Schaltungen, die zwischen Standardprodukten und kundenspezifischen Schaltungen einzuordnen sind. Funktionsmäßig bestehen sie aus logischen Schaltelementen (Gates), die in einer Matrix regelmäßig, aber unverbunden angeordnet sind. Bis auf die letzte Metallisierungsebene, sind Gate-Arrays als Standardprodukt aufgebaut und werden nach Standardmasken gefertigt. Nur die Ietzte Lage zur Verbindung, der Schaltelemente wird kundenspezifisch aufgeführt. Aus elektronischen Standardbausteinen werden so individuell gestaltete Halbleiter.