Anwender sind nicht fuer netzwerkzentriertes Computing geruestet

Dumme PCs spielen bei Anwendern noch keine Rolle

08.03.1996

Zum ueberwiegenden Teil sind PC-Anwender damit beschaeftigt, Texte einzugeben, auf Datenbanken zuzugreifen und ihre E-Mail zu erledigen. Dafuer, so betont Oracles CEO Larry Ellison immer wieder, bedarf es keines PCs und erst recht nicht des Fundus von Zehntausenden Programmen, die dem Anwender theoretisch zur Verfuegung stehen.

In den DV-Abteilungen freilich wird die als Paradigmenwechsel ausgerufene Abmagerungskur fuer den Client mit Zurueckhaltung aufgenommen - zu viele Fragen sind noch ungeklaert. Dort herrscht weitgehend Unklarkeit, wie solche Netzwerkendgeraete in die bestehende DV-Landschaft passen sollen. DV-Verantwortliche haben sich mittlerweile daran gewoehnt, dass Hersteller irgendwelche Trends ausrufen, die dann oft recht schnell im Sande verlaufen. Deshalb ist die Stimmung bei den DV-Profis von Misstrauen gepraegt - noch dazu, wo bisher solche Netzkonzepte der geplanten Art gar nicht realisiert wurden.

Dirk Moeller, DV-Leiter von Reynolds Tobacco ist zwar ueberzeugt, dass mittel- bis langfristig ein Uebergang zum netzwerkzentrierten Computing stattfinden wird. Dennoch kann er der Diskussion um den Internet-PC nicht viel abgewinnen, sie wird nach seiner Meinung zu sehr von den Herstellern angefacht. Natuerlich hat man auch bei der Koelner Niederlassung des Tabakkonzerns die ueblichen Schwierigkeiten mit Client-Server-Systemen. Die zunehmende Komplexitaet macht es bei Problemen immer diffiziler, "sofort herauszufinden, woran es eigentlich liegt. Ist es Windows, die Anwendung, das Netzwerk oder die AS/400-Emulation?" Allerdings gibt es nicht den Leidensdruck, auf den sich die Befuerworter des schlanken Clients beziehen. Moeller ist zwar dem neuen Paradigma gegenueber aufgeschlossen, aber auch er weist darauf hin, dass die bestehenden DV-Strukturen ja nicht von heute auf morgen umgekrempelt werden koennen.

Anwender, die den Zugang zum Internet bereits eingerichtet haben, sehen keinen zusaetzlichen Nutzen, den das Internet-Terminal bringen koennte. Karl-Rudolf Moll von der Hypobank Muenchen traut dem von Oracle, Sun und IBM forcierten Desktop-Leichtgewicht nicht zu, die Rolle seiner 15 000 unter OS/2 2.11 laufenden PCs zu uebernehmen. Umgekehrt koennen aber die in der Zentrale eingesetzten Arbeitsplatzrechner bereits heute und ohne zusaetzliche Investitionen Internet-Dienste ueber das vorhandene Gateway anbieten. Auch Moll empfindet den Supportaufwand fuer die PCs als ertraeglich und geht davon aus, dass die Hersteller Kundenwuensche nach leichter wartbaren Desktop-Betriebssystemen staerker beruecksichtigen werden. Hoffnungen setzt er zudem auf die Plug- and-play-Faehigkeiten der neuen Hardwarekomponenten, die den Konfigurationsaufwand fuer die Systeme ebenfalls verringern koennten.

Den gaengigsten Einwand gegen die Verlagerung der Intelligenz ins Netz, naemlich die fehlende Bandbreite, nimmt Franz Dietl, DV- Leiter bei der Muenchner WWK-Versicherung auf. Und dies, obwohl er nach erheblichen Investitionen in FDDI diesbezueglich besser dran ist als viele andere Anwender. Aber selbst wenn die Uebertragungsprobleme geloest werden, stellen die Internet-PCs fuer ihn keinen Fortschritt dar. Er sieht in diesem Ansatz die Rueckkehr in die Zeit der Terminals und fragt sich, wofuer er den ganzen Aufwand zur Umstellung auf Client-Server betrieben haben soll. Auch fuer ihn spielt das leichtgewichtige Endgeraet ohne eigenen Massenspeicher bei der Planung seiner DV im Augenblick ueberhaupt keine Rolle.

Als interessant bezeichnet Rainer Weller von der Metallgesellschaft AG das geplante Modell zur Softwaredistribution, das Internet-Applets zu Anwendungen fuer Netzwerkendgeraete kombinieren will. Natuerlich ist es auch fuer ihn noch viel zu sehr blosse Vision, als dass er schon jetzt daraus entstehende Vorteile fuer die unternehmensinterne DV absehen koennte. Allerdings sind die bisherigen Erfahrungen mit Clients ohne Massenspeicher nicht ermutigend: Einige unter OS/2 laufende PCs wurden frueher ueber Boot-EPROMS gestartet, was jedoch zu einer inakzeptablen Belastung des Netzwerks fuehrte. Die bevorstehende Umstellung auf ATM laesst aber die Option auf schlankere Clients offen. Wolfgang Sommergut