Existenzgründungen am Standort Deutschland (Teil 6)

DTM: Nicht nur eine Geschichte aus den neuen Bundesländern

29.11.1996

Der erste Teil der DTM-Chronik (siehe CW Nr. 43 vom 25. Oktober 1996, Seite 60) handelte von der Gründung des Unternehmens 1990 im ehemaligen Ostberlin, von den ersten Gehversuchen der Telecom-Experten als Subunternehmer von Branchengrößen wie Siemens und von einem fehlgeschlagenen Joint-venture mit einem Dortmunder Systemhaus. Sehr schnell mußten die DTM-Spezialisten in ihren Anfängen feststellen, daß die Entwicklung einer durchaus marktfähigen Lösung - in diesem Fall ein Konverter zur Satellitenkommunikation - noch nicht alles ist. Ohne Vertriebs-Know-how und vor allem entsprechende Kapazitäten und Kapital tun sich junge Unternehmen bekanntlich schwer, innovative Produkte schnell auf den Markt zu bringen. Erst recht, nachdem aus Sicht der DTM eine zunächst vielversprechende Kooperation mit dem US-amerikanischen Satellitendienste-Anbieter Orion Atlantic ebenfalls im Sande verlief.

DTM-Geschäftsführer Hartmut Ilse mußte also nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau halten. Im Zusammenwirken mit Berliner Beratern, deren Uneigennützigkeit Ilse im nachhinein würdigt, gelang es, über den von der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) verwalteten Innvationsfonds des Landes Berlin an günstige Mittel zur Unterstützung der Produktvermarktung zu kommen. Der DtA-Innovationsfonds setzte jedoch eine "kooperierende Finanzierung" durch ein weiteres Kreditinstitut voraus. Die in Teltow ansässige VDI/VDE Technologiezentrum Informationstechnik GmbH - im Auftrag diverser Bundesministerien Projektträger mehrerer Förderprogramme - gab grünes Licht.

Als hilfreich erwiesen sich in diesem Zusammenhang auch die seit 1990 bestehenden guten Kontakte zum Vorstand der Haftungsassoziation für kleine und mittlere Unternehmen, später umgewandelt in die Berliner Bürgschaftsbank: Dort hatte man den Berliner Newcomern bereits in der Gründungsphase mit einer Bürgschaft zu einem Dispokredit verholfen, der das Überleben im ersten Halbjahr nach der Betriebsaufnahme ermöglichte. DTM-Chef Ilse fand nun jedenfalls bei der Berliner Bürgschaftsbank abermals Verständnis für die nach wie vor nicht rosigen Bilanzen - schließlich müssen auch bei einer öffentlichen Förderung der Produktentwicklung 50 Prozent Eigenanteil aufgebracht werden. Die seit 1990 erfolgreiche Behauptung auf einem heiß umkämpften Markt und die Ende 1994 erfolgten ersten Auslieferungen von Geräten aus eigener Produktion an namhafte Kunden wie etwa die Deutsche Telekom waren wohl für die Kreditgeber ausschlaggebend, meint Ilse rückblickend.

Mit der erneuten Bürgschaft waren jedenfalls die Weichen für die Vergabe von Mitteln aus dem Innovationsfonds des Landes Berlin in Form einer stillen Beteiligung an der DTM gestellt. Zudem ermöglichte der von der DtA-Tochter Technologiebeteiligungsgesellschaft (tbg) seinerzeit gestartete Modellversuch "Junge Technologieunternehmen" eine begleitende Finanzierung (ebenfalls in Form einer stillen Beteiligung), so daß Ende 1994 rund eine Million Mark zusätzliche Mittel zur Verfügung standen.

Wie gewonnen, so zeronnen, mußte der DTM-Chef jedoch bereits Mitte 1995 feststellen. Das Budget für die Marketing-Kosten war, wie Ilse einräumt, zu knapp kalkuliert gewesen. Die DtA vermittelte daraufhin im Juni 1995 den Kontakt zur in München ansässigen Technologieholding VC GmbH, die Venture-Capital-Fonds verwaltet. Gert Köhler, Geschäftsführer der Technologieholding, hatte sich in einer früheren Funktion selbst von der Leistungsfähigkeit der DTM-Spezialisten überzeugen können und erhielt weitere positive Referenzen. Alle erforderlichen Maßnahmen für ein Engagement der Risikokapitalgeber wurden daher noch im Sommer 1995 zügig eingeleitet, und so führte letztlich die Beteiligung der Technologieholding beziehungsweise der Fondsgesellschaften an der DTM mit 44 Prozent zu einer zusätzlichen Kapitalspritze von 1,4 Millionen Mark.

Die Zusammenarbeit mit den Münchner Venture-Capital-Spezialisten, die bereits acht Beteiligungen in ostdeutsche High-Tech-Unternehmen eingegangen sind, bietet der DTM nicht nur - insgesamt betrachtet - akzeptable Finanzierungsbedingungen. Die Berliner profitieren auch von der gemeinsamen Überarbeitung aller Pläne und Präsentationen, die für die Aufsichtsräte der sich an der DTM beteiligenden Fondsgesellschaften vozubereiten waren. Der DTM-Chef wörtlich: "Eine Komponente der Kooperation mit dem Risikokapitalgeber ist die Erschließung seiner breit angelegten Wirtschaftskontakte für seinen jeweiligen Partner, an denen es uns als relativ jungem Unternehmen nach wie vor mangelt."

Die DTM-Beteiligung der Technologieholding verschaffte dem aufstrebenden Berliner Unternehmen offensichtlich zusätzliches Renommee bei Großkunden und sogenannten Markt-Multiplikatoren wie Intelsat oder Inmarsat, den beiden weltweit größten Satellitenfunk-Anbietern.

Argentinische Telekom erteilte Großauftrag

Im Mai dieses Jahres waren jedenfalls die ersten größeren Aufträge unter Dach und Fach - von der argentinischen Telekom, die seit Herbst 1994 das DTM-Equipment auf Herz und Nieren getestet hatte und anschließend die entsprechenden Investitionsentscheidungen samt Ausschreibungsverfahren in die Wege leiten mußte. Aus dieser positiven Erfahrung und weiteren Signalen aus dem Markt leitet Ilse die Erwartung ab, das 1996/97 der Vertrieb des eigenen Produktportfolios erst so richtig erfolgreich anlaufen wird.

Das für DTM-Verhältnisse inzwischen eng geknüpfte Netz von weltweit 20 Resellern sowie eine Reihe bei Kunden in Argentinien, Chile, Indonesien, China, USA und natürlich in Europa laufende "Referenzinstallationen" stimmen jedenfalls das DTM-Management für die Zukunft optimistisch. Auch aus Australien liegen Interessensbekundungen vor, und Indonesien winkt gar mit einem Großauftrag. Die ehemalige niederländische Kolonie sei mit ihren zahlreichen Inseln und riesigen Urwaldgebieten ein Paradebeispiel für den Nutzen eines Einsatzes von DTM-Equipment - nämlich die Fähigkeit, ISDN-Kommunikation über Nicht-ISDN-Übertragungswege in unwegsamen Gebieten bereitstellen zu können.

Trotzdem oder gerade deshalb arbeiten die Berliner an einer Optimierung ihrer Produkt-Features. Mit der weiteren Reduzierung der zur Übertragung erforderlichen Bandbreite sinken auch die Kosten im Einsatz. "Die Telekom benötigt auf ihren Leitungen für ISDN normalerweise 192 Kbit/s. Wir haben jetzt die Lösung, um die beiden Nutzkanäle und das D-Kanal-Protokoll über 128 Kbit/s bezeihungsweise einen B-Kanal und das D-Kanal-Protokoll über 64 Kbit/s zu übertragen", berichtet der DTM-Chef von den neuesten Errungenschaften seiner Ingenieure. Mit dem ISDN-Encryptor "D.I.C.A 7800" bieten die Berliner zudem seit kurzem eine Lösung zur Verschlüsselung der via ISDN übertragenen Informationen an, die für viele Kunden im Banken- und Verwaltungsbereich von Interesse sein dürfte.

Keine Angst vor großen Tieren, sagt sich zudem das DTM-Management mit der Beteiligung der Technologieholding im Rücken. Daher sollen künftig auch die Mineralöl-, Bau- und Automobilkonzerne bei der Kundenakquisition verstärkt ins Visier genommen werden. Für sie haben die DTM-Entwickler noch einige weitere Neuheiten in Sachen Konverter-Technologie respektive drahtlose ISDN-Kommunikation in Vorbereitung.

Serie

Was ist dran an der Besorgnis, die Bundesrepublik würde die High-Techrespektive IT-Zukunft verschlafen? Die COMPUTERWOCHE geht diesem Vorwurf vieler Zeitgenossen in unregelmäßigen Abständen nach. Die diversen Förderinitiativen staatlicher wie privater Einrichtungen kommen dabei ebenso auf den Prüfstand wie sich andeutende Strukturveränderungen in der hiesigen Kapitalwirtschaft. Last, but not least berichten wir über erfolgreiche Firmenneugründungen in der IT-Branche. Bisher erschienen: "Venture-Capital als Starthilfe für junge Unternehmen" (CW Nr. 38 vom 20. September 1996), "Wenn Banken die falschen Gesprächspartner sind" (CW Nr. 39 vom 27. September 1996 und CW Nr. 41 vom 11. Oktober 1996) und "Nasdaq: Was der Tanz auf dem US-Börsenparkett kostet" (CW Nr. 42 vom 18. Oktober 1996).

*Mathias Weber ist Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Informationssysteme e.V. in Berlin.