E-Learning/Qualitätskriterien für E-Learning

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

31.05.2002
Die Erfahrungen aus der E-Learning-Praxis haben gezeigt, dass die Qualität des Inhalts über den dauerhaften Erfolg von Internet-gestütztem Lernen entscheidet. Wie lässt sich die Qualität des Inhalts beurteilen? Von Franziska Zeitler*

Der Markt für Lernsoftware ist intransparent und vielschichtig. Einerseits existiert standardisierte Lernsoftware, die im kommerziellen und privaten Weiterbildungsbereich eingesetzt wird und am Markt frei erhältlich ist. Andererseits entwickeln zahlreiche Multi-media-Agenturen spezifische Lernprogramme für Unternehmen, Bildungsträger und Wirtschaftsverbände.

In beiden Fällen spielt die Beurteilung der Qualität von Lernsoftware eine wichtige Rolle. Bei der Auswahl von Standardsoftware stellt sich die Frage, welches Lernprogramm für den Einsatz geeignet ist und die erforderliche Qualität besitzt. Das Problem: Die Beurteilung eines Lernprogramms ist komplex, zumal es vor einem Kauf häufig nicht sorgfältig getestet werden kann. Die Entwicklung eigener (customer designed) Lernprogramme sollte einer Qualitätssicherung unterliegen. Der unmittelbare Vergleich mit anderen multimedialen Lösungen ist dabei oft nicht möglich.

Die Qualität von E-Learning, insbesondere von Lernsoftware und deren Inhalten, ist in jüngster Zeit in den Fokus der Fachdiskussionen gerückt. Es sind eine Reihe von Initiativen beziehungsweise Institutionen entstanden, die sich mit der Definition von Qualitätskriterien, -standards und Zertifizierungen von Lernprogrammen befassen. Beispiele sind die Zentralstelle für Fernunterricht, das Deutsche Institut für Normung DIN und die in Gründung befindliche Stiftung Bildungstest.

Die Qualität des Inhalts entscheidet über den langfristigen Erfolg von E-Learning. Wie lässt sich die Qualität eines Lernprogramms zuverlässig ermitteln und beurteilen? Welche Qualitätskriterien sind relevant, und welche Verfahren zur Bewertung gibt es gegenwärtig? Die aktuell angewandten Methoden zur Bewertung von Lernsoftware lassen sich in zwei Gruppen unterteilen:

Erste Gruppe: Kriterienkataloge sind Listen mit einzelnen Qualitätskriterien, die ein Bewerter Punkt für Punkt durcharbeitet. Die Einzelmerkmale werden nach einer vorgegebenen Skala (sehr gut bis sehr schlecht, vorhanden oder nicht vorhanden) bewertet. Die Summierung der Bewertungen ermöglicht ein Gesamturteil über die Qualität eines Lernpro-gramms. Die Qualitätskriterien umfassen in der Regel alle wichtigen Dimensionen wie Inhalt, Didaktik und Design. Bekannte Kriterienkataloge sind derzeit beispielweise der CBT-Kriterienkatalog Akab, Meda ''97, Sodis, Evit@ - Evaluation elektronischer Informationsmittel.

Die Bewertung von Lernsoftware mit Kriterienkatalogen ist aufgrund ihrer Einfachheit weit verbreitet. Eine Schwäche liegt jedoch darin, dass die Qualitätskriterien vorgegeben sind und den konkreten Einsatz (Lernziele, Zielgruppe, Rahmenbedingungen) nicht berücksichtigen. Eine kontextbezogene, realitätsnahe Bewertung der Qualität eines Lernprogramms ist aufgrund der Standardisierung nicht möglich.

Zweite Gruppe: Die ganzheitlichen Ansätze stellen bei der Beurteilung von Lernsoftware den konkreten Bezug zum Lernumfeld in den Vordergrund. Bekannte Ansätze sind das heuristische Modell zur Evaluierung von Profes-sor Baumgartner von der Universität Innsbruck oder Elise - Effiziente Lern- und Informations-System-Evaluation von Professor Schott von der Technischen Universität Dresden.

Die Qualität eines Lernprogramms hängt hier nicht allein von der professionellen Erstellung (objektive Qualität) ab, sondern auch davon, inwieweit ein Programm für den spezifischen Einsatz geeignet ist. Pädagogische Lernmodelle (zum Beispiel heuristisches Lernmodell, Ucit Universal Constructive International Theory) bilden die Basis für die Qualitätsanalyse. Die praktische Umsetzung können aufgrund der Komplexität und des erforderlichen Fachwissens jedoch meist nur Experten leisten.

Im Forschungsprojekt "E-Learning Business Community" (clear2b), das vom Bundeswirt-schaftsministerium gefördert wird, hat Experteam aus Köln einen synoptischen Ansatz zur Qualitätsanalyse von Lernsoftware entwickelt. Er verbindet die Kriterienkataloge mit einem ganzheitlichen Evaluierungsansatz und ermöglicht eine realitätsnahe Qualitätsbewertung von Lernprogrammen.

Für die Anwendung der synoptischen Qualitätsanalyse in der Praxis wurde im Projekt clear2b ein geeignetes Instrument entwickelt: Basic-Clear ist ein elektronisches Evaluierungs-Tool für Unternehmen und Bildungsanbieter, die bei der Auswahl von Lernsoftware schnelle, aber fundierte Entscheidungen treffen möchten. Grundlage ist ein differenzierter Kriterienkatalog, der den Bezug zum Lernkontext herstellt. Basic-Clear erfasst die wichtigsten Bewertungsdimensionen von Lernsoftware wie in-haltliche und didaktische Qualität, Design, Benutzerfreundlichkeit, Kommunikation und Motivationsfähigkeit. Der Fragen- und Kriterienkatalog lässt sich jederzeit auf individuelle Anforderungen abstimmen und erweitern.

Dieses Tool für die Qualitätsbewertung von Lernprogrammen dient zum einen als Basis für eine Kaufentscheidung oder eine Zertifizierung. Zum anderen können Lernende ein Web-Training im Sinne einer Wirkungsanalyse bewerten.

Ruf nach Zertifizierung

Das Thema Qualität von Lernsoftware wird künftig in Wissenschaft und Praxis an Bedeutung gewinnen. Der Ruf nach allgemein anerkannten Qualitätsstandards und Zertifizierungen von Lernprogrammen wird umso lauter werden, je schneller die Vielfalt der Lernangebote steigen wird. Erste Initiativen zur Qualitätssicherung wurden bereits gestartet, die breite Umsetzung in der Praxis muss noch folgen. Hohe Qualitätsstandards leisten einen Beitrag, dass sich E-Learning als Säule der Weiterbildung weiter etabliert. (hk)

*Dr. Franziska Zeitler ist Beraterin bei der ExperTeam AG in Köln.

Angeklickt

Je größer und unübersichtlicher der E-Learning-Markt wird, desto wichtiger wird die Diskussion über Qualitätskriterien und Eva-luation von Lernprogrammen. Die Autorin stellt einige Ansätze vor, die den Anwendern bei der Wahl der Web-based-Programme helfen sollen.