Technischer Kundendienst im Wandel

Drittwarter müssen sich auf neue Anforderungen einstellen

10.08.1990

Erwin Vorbauer ist Direktor des Bereiches Technischer Kundendienst bei der Memorex Telex GmbH.

In den vergangenen Jahren wurde Third Party Maintenance (TPM) vielfach als Zukunft für den technischen Kundendienst bezeichnet. Mittlerweile zeigt sieh jedoch, daß Unternehmen, die sich ausschließlich mit dieser Aufgabe befassen, mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben - und das, obgleich doch auch seriöse Marktanalysten im Zusammenhang mit TPM immer von einem kommenden Markt sprachen.

Die Gründe für den auf dem TPM-Sektor noch nicht eingetretenen Boom sind vielfältig. So ist in erster Linie ein gewandeltes Verhalten der Anwender dafür verantwortlich zu machen. Gab es noch vor etwas mehr als einem Jahr vielfach das Bestreben, Dienstleistungen ausschließlich preisorientiert einzukaufen, so zählen heute Zuverlässigkeit und einfaches Handling mehr als die eventuellen Einsparungen am Wartungsvertrag.

Viele Kunden wollen heute schon einen einzigen wartungsverantwortlichen Lieferanten, der möglichst das gesamte technische Projekt-Management übernimmt. Immer mehr Unternehmen erkennen, daß mit dem eigenverantwortlichen Betrieb der Technik ein hoher zusätzlicher Verwaltungsaufwand verbunden ist, der nicht im eigentlichen Aufgabenspektrum des Unternehmens liegt.

TPM bei älteren Installationen lohnend

Diese Entwicklung auf seiten der Kunden steht dem raschen Vordringen der TPM-Idee ebenso entgegen wie die Markenbindung. Die Automobilbranche gibt hier ein gutes Beispiel ab. Kleinere Serviceleistungen und Reparaturen kann man getrost von der Tankstelle mit angeschlossener Kfz-Werkstatt ausführen lassen. Sobald aber Generalinspektionen oder größere Reparaturen mit Original-Ersatzteilen erforderlich sind, wendet sich die Mehrheit der Autofahrer an vom Hersteller autorisierte Werkstätten. Dieses Sicherheitsverhalten ist bei vielen DV-Anwendern ebenfalls zu beobachten. Auch stellt sich für die ausschließlichen TPM-Anbieter das Kostenproblem bei Original-Ersatzteilen neuerer Informationssysteme.

Da in der Regel bei Neugeräte-Teilen oft teure Schutzpreise zu Buche schlagen, kann schon ein einziges Board den gesamten Gewinn am TPM-Vertrag für ein oder zwei Jahre vernichten. TPM ist deshalb bei älteren installierten Basen besonders profitabel: Hier gibt es nämlich ausreichend Altgeräte zum Ausschlachten .

Weitere Gründe für das verzögerte Wachstum im TPM-Markt sind im allgemein zu beobachtenden Verfall der Wartungspreise, den extensiven Garantiegewährleistungen sowie den immer störungsfreieren Systemgenerationen begründet. So liegen die Ausfallquoten der heutigen Anlagen 300 bis 400 Prozent niedriger als noch vor zwei bis drei Jahren. Die störungsfreie Zeit zwischen zwei Fehlern - Mean Time between Failures (MTBF) - hat sich derart vervielfacht, daß die reine Wartung einen immer geringeren Stellenwert einnimmt. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf das Geschäft der reinen TPM-Anbieter. Sie werden sich in den nächsten Jahren ganz erheblich umstellen und ihr Produktangebot erweitern müssen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können

In den Vordergrund rücken heute andere für den Anwender wichtigere Dienstleistungen. Alles aus einer Hand zu beziehen bedeutet: ein Ansprechpartner für alle Dienste rund um die Informations-Technik. Denn kein Anwender ist heute mehr in der Lage, alle bei einer DV-Anlage entstehenden Probleme selbst zu lösen. Er sucht sich daher immer häufiger einen einzigen Dienstleistungspartner, der ihm den gesamten Komplex verantwortlich abnimmt. Von diesem "Generaldienstleister" erwartet der Anwender Kompetenz und Zuverlässigkeit in allen technischen Belangen rund um die Informationsverarbeitungs-Systeme.

Auch Umzugsberatung bis hin zur Umzugsbetreuung durch die Spezialisten des Generaldienstleisters sind ebenfalls Bestandteil des Angebots, wie auch der Applikationsservice systemnaher Software in das neue Aufgabengebiet des Kundendienstes fällt (siehe Grafik). Third Party Maintenance ist für einen leistungsfähigen Servicebereich integraler Bestandteil Als "Generaldienstleister" muß die Wartung von Systemen fremder Hersteller selbstverständlich sein. Sie gehört - wie die Voll-, Pool-Depot- und Teilewartung - zum Standardrepertoire des Kundendienstes. Einen Hotline-Service für die Systemnutzer der Kunden wird ganz einfach vorausgesetzt.

Diese Erweiterung des Angebotes erfordert natürlich eine ständige Verbesserung der Expertise und der Qualität der Systemingenieure. Anbieter, die sich als Generalisten auf dem Servicesektor behaupten wollen, müssen entweder durch ihre Personalpolitik oder durch intensive Schulung Wissen und Leistung der Kundendienst-Mitarbeiter an diese Anforderungen anpassen.

Zum Kundendienst gehört aber auch der immer wichtiger werdende Bereich der Entsorgung von Altsystemen, denn die meisten Bildschirm-Arbeitsplätze der zweiten, dritten und vierten Generation werden in nächster Zeit gegen modernere und leistungsfähigere ausgetauscht. Auch dabei erwarten die Kunden von ihrem Generaldienstleister "Full-Service". Hier kommt es nicht nur auf den reibungslosen Abtransport zu den Schredderanlagen an, sondern in erster Linie auf das Wissen um mögliche umweltbelastende Materialien in den Maschinen und Bildschirmen. Deshalb muß ein Generaldienstleister von morgen bereits bei der Neuinstallation die vollständige Entsorgung dieser Systeme mit anbieten und in die Wartungsverträge integrieren können.

Erweiterungsgebiete noch nicht ausgeschöpft

Mit den bisher geschilderten Dienstleistungen sind die Erweiterungsgebiete für den Generaldienstleister allerdings bei weitem noch nicht erschöpft. So kann durchaus das Operating als Kundendienst betrachtet werden, wenn es nicht in die Kategorie des Verleihs von Zeitarbeitskräften fallt. Denkbar ist die Übernahme und Gewährleistung des gesamten Rechenzentrum-Betriebs beim Kunden, ohne daß dieser eigene Fachkräfte binden muß. Ebenso zählt die Bereitstellung von Kapazitäten in Ausweich-Rechenzentren zu den Dienstleistungen.

Alle diese Erweiterungen der Angebotspalette verlangen nach einer Veränderung in der Personalstruktur des Kundendienst-Bereiches. Gefordert sind der Aufbau eines qualifizierten Kundendienst-Marketings und damit verbunden die Beratungs- und Verkaufsorientierung der Dienstleistungsmannschaft.

Schließlich haben sich auch die Gewinnchancen in der lnformations- und Kommunikationsindustrie zunehmend zugunsten der Dienstleistungs- und Software Angebote bewegt. Die Zukunftsaussichen für Generaldienstleister in diesem Marktsegment sind überaus gut, wenn man heute schon die Weichen für die vollständige Dienstleistung von morgen stellt.