CIO Gerhard Barth wirft das Handtuch

Dresdner Bank kämpft mit hohen IT-Kosten

07.12.2001
MÜNCHEN (wh) - Nach der Übernahme durch die Allianz steht die Dresdner Bank vor gravierenden Veränderungen ihrer IT-Infrastruktur. Der Kostendruck führt zu Konsolidierungsprojekten auf sämtlichen Ebenen des entstehenden Allfinanz-Konzerns. Ausgerechnet in dieser kritischen Phase geht Dresdner-CIO Gerhard Barth von Bord.

Die Dresdner Bank ist zum Sparen verdammt. Nicht erst seit der Ankündigung im September, bis 2003 fast 8000 Arbeitsplätze abzubauen, ist klar, dass die Kostenstrukturen des drittgrößten deutschen Geldinstituts im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Nun setzt das zur Jahresmitte von der Allianz übernommene Bankhaus den Rotstift ganz oben an: Im Rahmen einer neuen Organisationsstruktur verlassen drei Manager den Vorstand, nur zwei rücken nach.

Zu den scheidenden Führungskräften gehört Gerhard Barth, seit 1. Juni 1999 Chief Information Officer (CIO) in der Frankfurter Firmenzentrale. Der 52-Jährige wurde zum 1. Dezember durch Klaus-Michael Geiger (39) ersetzt, bis dato Chief Operating Officer (COO) der Investmentbanking-Tochter Dresdner Kleinwort Wasserstein. Mit der Personalentscheidung sei man dem Wunsch Barths nachgekommen, "ihn zum Jahresende von seinem Vertrag zu entbinden", schreibt die Dresdner Bank in einer Pressemitteilung. Unternehmensinterne Quellen berichten anderes: Der CIO konnte sich mit den IT-Konzepten der Allianz nicht anfreunden, ist zu hören, seine eigenen Vorstellungen fanden keine Akzeptanz. "Barth hat die Konsequenzen gezogen, oder er musste sie ziehen", so ein Insider gegenüber der CW.

Letztere Interpretation passt zu einem internen Schreiben von Vorstandschef Bernd Fahrholz an die Mitarbeiter, aus dem die "Süddeutsche Zeitung" zitiert. Die Frankfurter Zentrale habe "Speck angesetzt", heißt es dort, und: Er sehe in der Informationstechnologie "dringenden Handlungsbedarf, um die Kosten in den Griff zu bekommen". Ein vernichtendes Urteil für Barth, der in seiner Karriere unter anderem als Präsident der Gesellschaft für Informatik (GI) und als Leiter der Konzernforschung Informationstechnik bei der Daimler Bank AG Erfolge vorweisen kann. Vor seinem Wechsel zur Dresdner Bank war er Mitglied des Vorstands der Alcatel SEL AG in Stuttgart.

Der sonst gar nicht öffentlichkeitsscheue Manager wollte sich zu seiner Demission nicht äußern. Sie kommt zu einer Zeit, in der die IT der Dresdner Bank vor den wahrscheinlich größten Veränderungen in der Firmengeschichte steht. Nach dem Zusammengehen mit der Allianz, aus dem ein mächtiger Allfinanzkonzern erwachsen soll, hat ein Integrationsprozess begonnen, der nach Meinung von Experten mehr als drei Jahre dauern kann. Mit rund 120000 Mitarbeitern, 12000 Agenturen und 17 Millionen Kunden ist der Versicherer dabei eindeutig der stärkere Partner. Die Frankfurter bringen zirka 50000 Angestellte, 1000 Filialen und 6,5 Millionen Kunden in die Ehe ein.

Die IT-Infrastrukturen der Fusionspartner könnten unterschiedlicher nicht sein: Schon in den 80er Jahren investierte die Dresdner Bank in dezentrale Systeme. Als es den Begriff des Client-Server-Computings noch gar nicht gab, habe man für den Filialbetrieb bereits DV-Architekturen mit drei Schichten implementiert, berichtet ein Systemverantwortlicher. Heute wacht die Dresdner Global IT-Services Gesellschaft mbH (Dregis), IT-Dienstleistungstochter der Bank, über rund 65000 Server- und Desktop-Systeme sowie 2900 Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker. Hinzu kommen vier logische Rechenzentren in zwei physischen Umgebungen.

Der Allianz-Konzern hingegen betreibt in München und Stuttgart mit mehr als 20 IBM-Mainframes eine der leistungsstärksten Großrechnerinstallationen Deutschlands. Zwar nutzen auch die Bayern etwa tausend dezentrale Server. Doch die IT des Versicherers ist schon aufgrund der anders gelagerten Kernprozesse traditionell stärker Mainframe-orientiert und zentralistischer ausgerichtet als die der Banker.

Das spiegelt sich auch in den Konzepten der internen IT-Dienstleister wider. "Da treffen zwei unterschiedliche Sichtweisen aufeinander", ist in Frankfurt zu hören. Entsprechend schwierig dürfte es sein, die IT-Welten zusammenzuführen. Wegen des steigenden Kostendrucks ist eine weit greifende Konsolidierung aber unumgänglich. Bis zum Jahr 2003 will die Dresdner Bank die Verwaltungsaufwendungen um bis zu 15 Prozent senken. Das entspricht einer jährlichen Sparsumme von rund 1,3 Milliarden Euro. Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt, dass sich in der Finanz- und Versicherungsbranche bis zu 50 Prozent der gesamten Merger-Synergien durch eine konsequente Konsolidierung der IT-Systeme ausschöpfen lassen.

Sparen ohne TabusIn München und Frankfurt gibt es dabei offenbar keine Tabus. Gespräche über Konsolidierungsprojekte würden "auf allen Ebenen" geführt, sagt ein IT-Verantwortlicher der Bank. Zwar gestalteten sich die IT-Aufgaben von Allianz und Dresdner in großen Teilen sehr unterschiedlich, es gebe jedoch auch Bereiche, in denen Synergien zu erzielen seien. Denkbar sei beispielsweise die Zusammenführung von E-Mail-Systemen, Intranets, Applikations-Servern oder auch Content-Management-Systemen.

Fritz Moser, Bankenexperte bei der Hamburger Unternehmensberatung Mummert + Partner, verweist auf "übergreifende Prozesse", die auch bei unterschiedlich ausgerichteten Fusionspartnern für eine Konsolidierung in Frage kommen. Dazu zählt er beispielsweise Zahlungsverkehrssysteme oder Programme zur Vermögensverwaltung (Asset-Management). Um ein Unternehmen in der Größenordnung von Allianz und Dresdner Bank ganzheitlich zu steuern, bedarf es seiner Meinung nach auch eines einheitlichen Systems für das Konzern-Controlling.

Jedes einzelne dieser Projekte wäre geeignet, einem IT-Manager Schweißperlen auf die Stirn zu treiben. Betrachtet man sämtliche IT-Bereiche, stellt sich die geplante Integration als ein Konglomerat hochkomplexer Konsolidierungsvorhaben dar. Das gilt nicht zuletzt für die Großrechner-Installationen. Laut McKinsey liegt im IT-Betrieb ein signifikantes Sparpotenzial. Bei großen Finanzdienstleistern entfielen 50 bis 60 Prozent der IT-Gesamtkosten auf den Betrieb der Systeme. Dazu gehören etwa Aufwendungen für Hardware, Software, Netze und Telekommunikation. Diese ließen sich deutlich reduzieren, wenn man Rechenzentren zusammenlegen würde. Kostenvorteile beim Einkauf von IT-Komponenten dürften dagegen begrenzt sein, da die Fusionspartner infolge des großen Enkaufsvolumens ohnehin hohe Rabatte mit Zulieferern ausgehandelt haben.

Konsequenzen wird der Merger auch für die IT-Dienstleister Agis und Dregis haben. Auf lange Sicht hat es kaum Sinn, zwei unabhängige IT-Töchter zu unterhalten, darin sind sich alle Experten einig. Selbst bei unterschiedlichen IT-Konzepten beständen Querschnittsfunktionen, die sich gemeinsam nutzen ließen, so beispielsweise in den Bereichen Architektur-Management, Sicherheit oder Qualitätssicherung. Skaleneffekte ergäben sich überdies durch die Zusammenlegung von Supportfunktionen. Auch externe Dienstleister werden die Fusionspartner auf den Prüfstand stellen.

Ob die Berufung des Investment-Bankers Geiger zum Chief Information and Technology Officer (CITO) die Konsolidierungsbestrebungen beschleunigt, ist offen. "Die Kollegen (von Dresdner Kleinwort Wasserstein, d. Red.) waren schon immer ein bisschen dezentraler", munkelt man in der Firmenzentrale. "Deshalb wird es ja interessant."

Diskutiert wird in der Branche zudem, wie lange Geiger seine Position als alleinveranwortlicher IT-Chef des Finanzinstituts behalten wird. "Mittelfristig wird es sicher nur einen CIO für den gesamten Konzern geben", ist in Bankenkreisen zu hören. Im Vorstand der Allianz AG ist derzeit Gerhard Rupprecht zuständig für das Fachgebiet Group Information Technology.

Denkbar ist beispielsweise, dass der Aufsteiger Geiger in nicht allzu ferner Zukunft nur noch für eine Sparte innerhalb des Allfinanz-Unternehmens verantwortlich zeichnet. Für den selbstbewussten Barth wäre dies einer Degradierung gleichgekommen. Der 39-jährige Geiger hingegen macht mit der Berufung zum CIO einen Karrieresprung. Ein späterer Wechsel in eine Position unter einem Allianz-CIO wäre für ihn weniger problematisch. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, könnte sich der Abgang Barths eines Tages als vorausschauender Schritt erweisen.