IT im Anlagen- und Maschinenbau/Hoesch Hohenlimburg: Effizienz von 650 PCs gesteigert

Dreifachumstellung in einem Aufwasch

17.03.2000
Bei der Thyssen-Krupp-Tochter Hoesch Hohenlimburg wollte man die umfangreiche dezentrale IT auf den neuesten Stand bringen. Zusätzlich musste ein neues System-Management eingeführt und eingeschliffen werden. Die Wahl fiel auf Tivoli. Günter Mallmann* hat sich das Projekt angesehen.

Als vor Wochen eine Meldung durch die Fachpresse ging, dass ein gewisser Festplattentyp dazu neige, von jetzt auf nachher seinen Geist aufzugeben, war Michael Brüne wie elektrisiert. Sollte etwa einer der gerade rund 200 frisch installierten PCs im Unternehmen mit just dieser Platte ausgestattet sein? Ein Blick auf den Bildschirm seines PCs, und Brüne konnte seine Mitarbeiter beruhigen. Das Team ist seit einem Jahr mit Elan dabei, das Unternehmen in eine neue IT-Dimension zu hieven. Die Einführung eines System-Managements von Tivoli und gleichzeitig die Implementierung einer neuen Betriebssystem-Plattform, verbunden mit dem Austausch eines Drittels der installierten Hardware, das war nicht wenig Arbeit.

Brüne war Mitte des Jahres 1998 nach Hagen zu Hoesch Hohenlimburg gekommen, just als das Unternehmen vor einem großen Umbruch stand. Die Informationsverarbeitung wurde gerade zugunsten einer weitgehenden Dezentralisierung umgestellt, die bisherige Plattform, OS/2 von IBM, stand zur Disposition. Die Umorganisation des Mutterkonzerns Krupp und die anstehende Bildung des neuen Großkonzerns Thyssen Krupp AG, all das verlangte nach einer organisatorischen Klammerfunktion, die man mit seiner Stelle als Leiter der neu formierten "Zentralen Informationstechnik" schuf. Zeit zum gemütlichen Einleben in der neuen Umgebung am Ufer der Lenne blieb da nicht.

Hoesch Hohenlimburg zählt zu den alteingesessenen eisenverarbeitenden Unternehmen Deutschlands. Weit über 100 Jahre Erfahrung stehen hinter der Firma mit ihren vier Standorten zwischen Ruhr und Lenne. Die Produktion umfasst vor allem warm gewalztes "Mittelband" - so genannt wegen seiner maximalen Walzbreite von knapp 70 Zentimetern -, das vorzugsweise an die Kaltwalzindustrie und die Autozulieferindustrie geht. Dort werden daraus zum einen Kaltband und zum anderen beispielsweise Felgen und Achsträger hergestellt. Im Spezialprofilwerk werden durch Warmwalzen oder Pressen kundenspezifische Profile aus Stahl hergestellt.

Abnehmer finden sich in verschiedenen Branchen, so zum Beispiel in der Transportindustrie, im Werkzeug- und Werkzeugmaschinenbau, in der Luftfahrt, der Medizintechnik oder der Bauindustrie. Ein weiteres Werk ist zudem auf den Bau von Kesselwagen spezialisiert, die einen Druck bis zu 30 Bar aushalten. Mit rund 2400 Mitarbeitern erzielt das Unternehmen einen Außenumsatz von 858,4 Millionen Mark (Stand 30.9.99).

Das neue Konzept, das vom Geschäftsführer Wolfgang Trommer klar unterstützt wurde, gewann ab Mitte des Jahres 1998 Kontur:

- Migration auf Windows NT als neuer Trägerarchitektur für die im Unternehmen eingesetzten SAP-R/3-Module und die daran "angehängten" Logistikverarbeitungen, die Lotus-Notes- und (gewünschten) MS-Office-Anwendungen sowie die Spezialprogramme in der Produktion;

- Leasing des gesamten Maschinenparks auf Dreijahresbasis mit dem Ziel, revolvierend jährlich ein Drittel des Hardwareparks gegen Maschinen der neuesten Generation auszutauschen und damit zugleich die Total Cost of Ownership (TCO) möglichst niedrig zu halten;

- Einsatz einer umfassenden System-Management-Lösung, um die Verwaltung von Netz, Servern und Endgeräten effizienter zu gestalten - auch hier mit einem Blick auf die TCO angesichts des geplanten jährlichen Austauschs von mehr als 200 Maschinen.

Mit diesen Vorgaben war ein Problem verbunden: Da für mindestens zwei weitere Jahre die alten (OS/2 läuft noch auf rund 40 Prozent der Arbeitsplatzsysteme) und neuen (NT) Plattformen nebeneinander existieren würden, musste die zu implementierende System-Management-Lösung in der Lage sein, beide Welten abzudecken. Damit war eine gewisse Weichenstellung in Richtung Tivoli schon vollzogen.

Projekte dieser Größenordnung erledigt man nicht mit Bordmitteln. Hoesch Hohenlimburg verpflichtete aus nahe liegenden Gründen IBM als Generalunternehmer. So kam die Softwarefirma Ser Con GmbH, ebenfalls eine Tochter von IBM, als Einführungspartner für das Tivoli-Projekt mit ins Boot.

Die endgültige Entscheidung für die Umgestaltung fiel im Dezember 1998. Start der Implementierung von Tivoli war Anfang Februar 1999. Brüne hatte einen Zeitrahmen von fünf Monaten gesetzt. "Sehr wenig, vielleicht zu wenig, wenn man bedenkt, dass man an hoch verfügbare Produktionsrechner nur an wenigen Stunden am Wochenende zum Aufspielen eines neuen Betriebssystems und der Tivoli-Software heran kann", wie er rückblickend bemerkt. Außerdem konnten die neuen Maschinen nicht immer wie geplant installiert werden. Auch hier war man regelmäßig auf die Wochenenden angewiesen. Tatsächlich konnte der Abschluss des Projekts Ende Juli vermeldet werden, vier Wochen später als geplant.

Thomas Ewert, Ingenieur der Nachrichtentechnik, hatte vor Jahren in Hagen seine Diplomarbeit über das Thema "Heterogene Netzstrukturen" geschrieben und sich damit offenbar auch zum Leiter des entsprechenden Projektteams qualifiziert, das aus mehr als einem Dutzend Personen bestand. "Von Anfang an", so Ewert, "legten wir großen Wert darauf, möglichst tief in die Systematik des System-Managements einzudringen. Wir wollten nach Abschluss des Projekts völlig ohne fremde Hilfe auskommen und weiter ausbauen können." Das gelang: Die Lösung, wie sie sich sechs Monate nach Projektende und dem geplanten Rückzug der Ser-Con-Truppe darstellt, geht inzwischen wesentlich über den damals erreichten Stand hinaus.

Anhand eines detaillierten vierstufigen Projektplans ging Ewert an die Arbeit. Da bei Hoesch Hohenlimburg in drei Schichten und rund um die Uhr gearbeitet wird, konnte man sich keinerlei Fehler erlauben. Hoch integrierte Fertigungseinrichtungen kann man nicht eben mal für einige Stunden anhalten, bis ein abgestürzter PC wieder einwandfrei hochgefahren ist. Vor der endgültigen Portierung von neuen Softwaremodulen auf die Zielmaschinen wurden diese deshalb in einem eigens eingerichteten Labor mit Server und einigen Clients auf Herz und Nieren getestet. Gleichzeitig schulte man die Endanwender auf die Änderungen im Ablauf der Programme auf ihren Bildschirmen.

Aus dem Tivoli-Paket wurden zunächst "Inventory" und "Software Distribution" implementiert. Die nächsten Schritte waren die Installation der "Enterprise Console" und von "Net View". Das "Distributed Monitoring" rundete die Einführung ab.

Was hat ein Unternehmen wie Hoesch Hohenlimburg von diesem neuen System-Management? Die Reihe der positiven Argumente ist lang.

"Inventory scannt regelmäßig alle Systeme und schreibt die Daten in eine relationale DB/2-Datenbank. Wir wissen also ganz genau, wie jede Maschine konfiguriert ist, was im BIOS steht und wie viel Platz noch auf der Platte ist. Wir können proaktiv eingreifen, lange bevor es zu einem Engpass kommt", freut sich Ewert.

Gleiches gilt für sonstige drohende Abstürze. "Noch bevor sich irgendwo im Produktionsbetrieb eine Maschine schleichend verabschiedet, sagt mir das die Enterprise Console. Ich kann also Maßnahmen ergreifen, bevor die Produktion beeinträchtigt wird, bloß weil ein lächerlicher Standard-PC es so will", kommentiert Brüne.

System meldet drohende Abstürze per SMSGanz nebenbei meldet das System solche drohenden Abstürze außerhalb der Arbeitszeit automatisch nach einer festgelegten Interventionskaskade per SMS oder E-Mail auf dem Handy eines IT-Mitarbeiters.

"Die Implementierung von neuen Software-Releases verläuft ohne Schwierigkeiten. Wo früher jemand zu Fuß mit einem Satz Disketten oder einer CD unterwegs war, spielen wir das heute auf den jeweiligen entfernten Server", erklärt Brüne, und: "Dieser Server sorgt über sein Gateway selbständig für die Installation auf seinen Clients - das geht also nicht mal zu Lasten der Bandbreite im WAN."

WAN (Wide Area Network), das ist das Stichwort für den Nachrichtenfachmann Ewert: "Früher wussten wir kaum mehr, als dass etwas im Netz nicht stimmte. Jetzt kann ich mir alle Komponenten ansehen und quasi in jeden Router hineinschauen und ganz konkret für schnelle Abhilfe sorgen."

Hilfe und Änderungen per LeitungNetz-Management per Turnschuh, das heißt zu Fuß, das galt bis vor einigen Monaten auch für den Fall, dass ein Mitarbeiter vor Ort an seinem System nicht weiterwusste und ihm die lokale kleine DV-Mannschaft, die es zwar immer noch gibt, die sich aber auf die Pflege der standortspezifischen Anwendungen konzentriert, nicht helfen konnte. "Dann ist von hier aus jemand dorthin gerannt, um vielleicht nicht mehr zu tun, als in der Registry eine verlorene Zeile wiederherzustellen - heute können wir uns remote auf die Maschine aufschalten und solche Kleinigkeiten im Sitzen erledigen", freut sich der IT-Chef.

Für die rund 650 Mitarbeiter mit Bildschirmarbeitsplatz hat die Veränderung viel und wenig gebracht. Wenig, weil außer dem Tivoli-Icon in der Kommandozeile an der Bildschirmbasis das Netzwerk-Management unsichtbar ist. Viel aber, weil man über genau dieses Icon jederzeit Hilfe anfordern kann. "Das gibt Sicherheit, hat aber nicht dazu geführt, dass die Leute draußen im Feld jetzt dauernd um Hilfe rufen", konnte Ewert beobachten. "Denn", so erklärt Brüne, "keiner will sich als Schlafmütze outen, er versucht deshalb zunächst einmal selbst, wieder in die Gänge zu kommen."

Hoesch Hohenlimburg hat mit der dreifachen Umstellung in einem Aufwasch ein großes Projekt durchgezogen. Hat sich die Anstrengung gelohnt? Brüne und Ewert nicken ohne zu zögern. Der Chef hat das letzte Wort: "Wir haben die Basis dafür gelegt, dass unsere Verarbeitung dem schnellen Wandel der Technik folgen kann, dass die Kosten im Rahmen bleiben, und dass die Mitarbeiter das bekommen, worauf sie Anspruch haben, nämlich dass wir ihnen schnell Hilfe geben können."

* Günter Mallmann ist freier Journalist in Düsseldorf.