Drei Jahre Pionierarbeit brachten Rostockern jetzt Erfolg

05.05.1995

ROSTOCK (ms) - Mit ihren drahtlosen Modems hat sich die Rostock Elektronik Produktions GmbH einen Platz im Markt erkaempft. Seit 1991 gehoert der ehemalige Betrieb des Kombinats Datenverarbeitung zur Hamburger Dr. Neuhaus Telekommunikations GmbH. Eine Partnerschaft, die volle Auftragsbuecher brachte.

Gezimmert wurde die Wiege der Rostock Elektronik Produktions GmbH 1967 auf dem VII. Parteitag der SED. Allerdings unter anderem Namen: Als VEB Entwicklung und Projektierung mikroelektronischer Rationalisierungsmittel sollte das Unternehmen die Produktion der kleineren Firmen in der Ostseeregion modernisieren.

Angehaengt an das DVZ Rostock, (ein Betrieb des Kombinats Datenverarbeitung) fertigte der etwa 300 Mitarbeiter zaehlende Betriebsteil zu DDR-Zeiten unter anderem Reinigungsgeraete fuer Wechselplattenspeicher, Maschinen zur Leiterplattenfertigung und Baugruppen fuer Computer.

Mit der Einigung Deutschlands und neuen wirtschaftlichen Strukturen leerten sich die Auftragsbuecher der Rostocker Elektroniker. Hatten sie zur Wende noch etwa 17 Millionen Mark umgesetzt, so war nach der Waehrungsunion daran nicht mehr zu denken.

Die Firma loeste sich vom absterbenden DV-Kombinat (1989: ueber 12 000 Beschaeftigten) und firmierte ab Juli 1990 mit noch 120 Mitarbeitern unter ihrem heutigen Namen.

Die Kooperation mit den Hamburgern begann ein Jahr spaeter. Gottfried Neuhaus, Gruender und Geschaeftsfuehrer der Dr. Neuhaus Mikroelektronik GmbH (seit Maerz 1995 Dr. Neuhaus Telekommunikation GmbH; rund 250 Mitarbeiter), war auf seinen Reisen durch die ost- norddeutschen Lande auf die Rostocker Firma "mit ihren exzellent ausgebildeten Ingenieuren" aufmerksam geworden und kaufte sie im Sommer 1991 der Treuhand ab. Grund: "Bis dahin hatte unser Hamburger Unternehmen keine eigene Produktion. Alle Modems liessen wir von Subkontraktoren fertigen." Know-how in der Fertigung, so der Norddeutsche, sei fuer eine Firme unverzichtbar, um auf alle Kosten Einfluss nehmen zu koennen.

Das ostdeutsche Unternehmen sollte jedoch nicht nur als Produktionsbasis fungieren. Neuhaus wollte die Erfahrungen der Rostocker nutzen und "ihre Entwicklungstradition fortsetzen".

Unterstuetzt wurde das "sehr teure Konzept" - Entwicklung und Produktion von Geraeten zur Datenuebertragung per Postdienst Modacom - aus dem Foerdertopf des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Etwa elf Millionen Mark investierte man in das Werk. Allerdings kamen damit noch keine Kunden. Anfang 1993 - ein Jahr der Rezession - waren Auftraege hart umkaempft. Holm Neuhaeuser, Produktionschef des ostdeutschen Teams, erinnert sich: "Fuer einen namenlosen und dazu noch Ostbetrieb waren die Chancen eher schlecht." Die Produkte (analoge Modems) habe man nur zu "extrem niedrigen Preisen" an die Kaeufer bringen koennen. Ergebnis: 300 000 Mark Verlust pro Monat.

Die wirtschaftliche Flaute brachte auch der Hamburger Firma niedrigere Umsaetze: Von 57 Millionen Mark (1992) sank man 1993 auf 41 Millionen Mark.

Neuhaus begann zu sparen - und zwar in Rostock. Alle Aktivitaeten, die nichts mit der Entwicklung von Funkmodems zu tun hatten, wurden gestoppt - und siebzig Mitarbeiter entlassen.

Der Weg aus der Krise kam mit der Konjunkturbelebung im letzten Jahr. Seitdem habe man "wieder kraeftigen Wind in den Segeln", freut sich der Hamburger. Neue Produkte wie Geraete zur digitalen Datenuebertragung via Handy (Datenservice-Adapter) oder das System "Visycom", mit dem koerperbehinderte Menschen telefonieren, faxen oder Notrufe versenden koennen, haetten auch die Anwender aus dem Consumer-Markt ueberzeugt.

Der Aufschwung scheint sich vor allem im Rostocker Betrieb zu zeigen. Fuer die neuen Modacom-Modems ("Mobycom") made in Rostock - je nach Ausfuehrung kosten sie rund 1800 oder 1900 Mark - gebe es grosses Interesse, heisst es von der Ostsee. Die Produkte seien problemlos ueber die V.24-Schnittstelle mit portablen Computern, mobilen Datenterminals sowie anderen Endgeraeten zu verbinden.

Auch ohne Steckdose und Telefonleitung sei somit eine "perfekte Kommunikation von unterwegs moeglich".

Ueber mangelnde Auftraege kann die Ostseefirma nicht klagen. Zu den Kunden des rund 70koepfigen Teams gehoert die Deutsche Telekom Mobilfunk GmbH, die kuerzlich 10 000 Funkmodems in Auftrag gab.

In der Fabrik laeuft derzeit die Produktion auf Hochtouren: an sechs Tagen in der Woche und in drei Schichten. Laut Neuhaus soll die Kapazitaet durch neue Maschinen noch erhoeht werden, damit "wir die derzeitige Spitzenposition unseres Unternehmens halten koennen". Um Marktanteile zu sichern, soll ein grosser Teil des Gewinns kuenftig fuer Forschung, Entwicklung und Marketing ausgegeben werden. Und das bedeute langfristig auch sichere Arbeitsplaetze fuer Mecklenburg-Vorpommern.