Drahtlose Netze/Mobitex-System verbessert Koordination und Disposition Massgeschneiderter Datenfunk auf dem Flughafen in Frankfurt

28.07.1995

Am Flughafen Frankfurt Main AG (FAG) sorgt ein Datenfunksystem fuer den reibungslosen Ablauf des Verkehrsbetriebs. Auf Basis der Mobitex-Technologie von Ericsson wird auf dem Verkehrsknotenpunkt in der Main-Metropole der Fuhrpark koordiniert und dispositioniert. Das System wurde von Klaus Peick* erfolgreich eingefuehrt. Die volle Auslastung beschraenkt derzeit allerdings noch der Lizenzgeber, der am Flughafen taetigen Fremdunternehmen und Dienstleistern die Nutzung des Netzes verweigert.

Im internationalen Luftverkehr nimmt der Flughafen Frankfurt eine Spitzenposition ein, die er auch 1994 behaupten konnte. Erstmals wurde die Marke von 35 Millionen Passagieren ueberschritten, das entspricht einer Steigerungen um 7,9 Prozent gegenueber dem Vorjahr. Die Luftfracht ohne Luftpost nahm um 8,6 Prozent zu und erreichte 1,3 Millionen Tonnen. An Spitzentagen werden mehr als 132 000 Passagiere und 4700 Tonnen Luftfracht ohne Luftpost abgefertigt.

Die Bewaeltigung all dieser zeitkritischen Ereignisse nicht nur in der Spitzenstunde erfordert Informations- und Kommunikationsmittel fuer alle Beteiligten. Mobile Einsatzkraefte muessen inklusive der ihnen zur Verfuegung stehenden technischen Einrichtungen disponiert werden. Dazu sind unter anderem Funksysteme notwendig, die sich an Organisations- und Abfertigungsstrukturen orientieren und diese Leistung bei hoher Verfuegbarkeit auch wirtschaftlich erbringen. Deshalb wurde 1987 das erste deutsche Buendelfunknetz als Abloesung der hoffnungslos ueberlasteten Betriebsfunkkanaele eingefuehrt, ueber das in Spitzenstunden bis zu 5000 Gespraeche abgewickelt, und - ueber die Erweiterung um ein Datenvermittlungssystem - zwei Fahrzeugflotten mit insgesamt zirka 200 Fahrzeugen disponiert werden. Seine Verfuegbarkeit liegt bei ueber 99 Prozent. Mittlerweile wurde das Buendelfunksystem auf fuenf weiteren deutschen Verkehrsflughaefen in sechs Netzen eingefuehrt, da es Leistungsmerkmale bietet, die sich an den Erfordernissen von Flughafenbetreibern und Fluggesellschaften orientieren. Ein Buendelfunk-Nutzerforum hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Funknetz zusammen mit dem Hersteller AEG weiterzuentwickeln und an die gestellten Aufgaben anzupassen.

Die ersten Versuche zur Einfuehrung von Datenfunk wurden bereits in den Jahren 1979/80 mit der Zielsetzung durchgefuehrt, in den Transportbereichen Ablaeufe zu optimieren. Ein eindeutiger Erfolg konnte damals nicht konstatiert werden. Dies lag jedoch nur an der zur Verfuegung stehenden Technik, die sich als nicht robust genug erwies. Aus betrieblicher Sicht konnten die Tests jedoch als erfolgreich bezeichnet werden. Mittlerweile sind in den Bereichen Passagier- und Gepaecktransport zwei Dispositionssysteme im Einsatz, die sich auf den Datenfunkmodus im Buendelfunk (Dispositionsfunk) stuetzen.

Die Bedrohung des internationalen Luftverkehrs durch Terrorismus hat die internationale Organisation fuer die Zivilluftfahrt, ICAO, veranlasst, im Annex 17, 4.3.1, Empfehlungen fuer die Behandlung des Gepaecks und den Transport auszusprechen, die fuer die Mitgliedsstaaten und deren Luftverkehrsgesellschaften bindend sind. Diese Empfehlungen besagen, dass kein Gepaeck geladen werden darf, fuer das nicht der dazugehoerige Passagier an Bord ist.

Zu ihrer Umsetzung gibt es verschiedene physikalische und administrative Verfahren. Eines der bekanntesten ist wohl die physikalische Gepaeckidentifizierung, bei der der Fluggast sein Gepaeck manuell identifizieren muss. Um dieses personal-, zeit- und kostenintensive und nicht zuletzt fuer den Fluggast aeusserst unbequeme Verfahren abzuschaffen, entschloss sich die FAG, ein entsprechendes elektronisches Verfahren zu entwickeln und es den am Flughafen Frankfurt ansaessigen Luftverkehrsgesellschaften als Dienstleistung anzubieten. Es sollte alle Auflagen des ICAO erfuellen, ohne den Abfertigungsprozess zu stoeren oder gar zu unterbrechen. 1990 fiel die Entscheidung fuer die Entwicklung eines Baggage-Reconciliation-Systems (BRS).

Die Entwicklung erfolgte unter den Rahmenbedingungen

-vollstaendige Erfuellung der ICAO-Empfehlungen,

-Benutzerfreundlichkeit sowie

-Robustheit.

Das Grundprinzip besteht aus dem Vergleich von Einsteige- und Ladedaten. Jeder Passagier bekommt beim Einchecken eine Bordkarte mit einer eindeutigen Codierung, sein Reisegepaeck erhaelt pro Gepaeckstueck einen Anhaenger mit einer eindeutigen Barcode- Codierung. Die Bordkartendaten werden beim Einsteigen des Passagiers durch einen Bordkartenleser (ATB = Automatic Ticketing and Boarding) gelesen, der Barcode des Gepaeckanhaengers hingegen von einem Ladearbeiter, der dazu einen Laserscanner benutzt. Im BRS-Host, der online mit den Buchungssystemen der Vertrags- Airlines verbunden ist, erfolgt der Vergleich der erfassten Daten. Der Lader erhaelt auf einem Bildschirm beziehungsweise auf dem LC- Display des Funk-Scanners die Mitteilung, ob das soeben erfasste Gepaeckstueck geladen werden darf.

Das Gesamtsystem laesst sich in drei Teile gliedern: das BRS- Rechnersystem, eine Doppelrechnerinstallation mit zwei IBM-RISC- 6000-Rechnern, das mit dem Betriebssystem AIX der Version 3.1 laeuft und eine Oracle-Datenbank, Version 6.0, integriert. Das zweite Modul ist eine drahtgebundene Erfassungsanlage in den Gepaeck-Gates mit 200 stationaeren und zehn andockbaren Endgeraeten. Schliesslich ist eine funkgebundene Erfassungsanlage fuer die Vorfeldpositionen vorhanden. Der BRS-Host wurde ueber eine X.25- Schnittstelle an die Datenfunkvermittlung angeschlossen und kommuniziert so mit den 100 mobilen Scannern.

Anwender waren bei Entwicklung involviert

Ausgehend von den Datenuebertragungs-Moeglichkeiten im Buendelfunknetz wurde eine Loesung mit vorhandenen Funksystemen angestrebt. Aus dem bekannten Gepaeckvolumen und den zu erwartenden Zuwachsraten im Luftverkehr errechnete man ein Datenaufkommen, das als Obergrenze angesetzt wurde und vom Datenfunksystem bei bestimmten definierten Aktionen mit einem Antwortzeitverhalten von maximal drei Sekunden bewaeltigt werden musste. Simulationen fuer das Buendelfunknetz zeigten, dass eine solche Loesung unwirtschaftlich ist, da sie sich nur mit einem hohen Kanalaufwand realisieren laesst. So ergab sich zwangslaeufig die Errichtung eines speziellen Datenfunknetzes, das eine flaechendeckende Funkversorgung des gesamten Flughafens mit einer Ortswahrscheinlichkeit von 95 Prozent sicherstellt und sich an den funktechnischen Auflagen fuer Buendelfunknetze nach Lizenztyp C orientiert. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war noch nicht klar ersichtlich, wie solch ein lokales Datenfunknetz vom BAPT (Bundesamt fuer Post und Telekommunikation) genehmigt werden kann. Diese Frage ist immer noch unbeantwortet.

Die Entwicklung des Datenfunksystems erfolgte aus der Praxis fuer die Praxis, der Anwender wurde in die Implementierung involviert. Dadurch ist ein System entstanden, das von der Mehrzahl der Anwender ohne aufwendige Schulungsmassnahmen genutzt werden kann, weil es sich harmonisch in den Gesamtarbeitsgang einfuegt.

Bei der zeitkritischen und schweren Ladearbeit laesst sich ein rauher Umgang mit den entsprechenden Hilfsmitteln nicht vermeiden. Ausnahmen sind auch bei sensiblen technischen Geraeten wie einem Laserscanner nicht zu tolerieren. Der mobile Scanner sollte also

-staubdicht und wasserfest nach IP 54 sein.

-einen Betrieb bei bis zu 90 Prozent Luftfeuchtigkeit garantieren;

-Umgebungstemperaturen von -20iC bis +50iC aushalten;

-Stuerze aus einem Meter Hoehe auf Beton verkraften und

-ein eingebautes Datenfunkmodem enthalten, da eine zweiteilige Loesung vom Anwender nicht akzeptiert wurde.

Wie sich rasch zeigte, war ein solches Geraet nicht handelsueblich, sondern musste speziell angefertigt werden. Es fanden sich schliesslich zwei Hersteller, die dazu prinzipiell bereit waren. Wegen zu hoher Entwicklungskosten fiel jedoch einer von ihnen aus dem Rennen.

Aufgrund der geforderten Flaechendeckung wurde beschlossen, die bereits vorhandenen Standorte des Buendelfunksystems, bei denen ein Erreichen der Ortswahrscheinlichkeit von 95 Prozent nachgewiesen war, mitzubenutzen. AEG schuf an allen vier Funkstandorten einen Einspeisepunkt fuer das neue Datenfunksystem in die Antennenanlage. Bedingt durch die sehr hohen Ansprueche an die Verfuegbarkeit wurde ein selbstueberwachendes System definiert, das zudem in wichtigen Komponenten redundant aufgebaut ist. So war eine Dopplung der Paketvermittlung und der Funkkanaele mit automatischer Umschaltung bei einem eventuellen Ausfall notwendig. Nach einer entsprechenden Ausschreibung erhielt die Firma Ericsson den Auftrag als Generalunternehmer fuer die Gewerke Funkinfrastruktur, mobiles Datenerfassungsgeraet, fuer das die Hand Held Products BV Unterauftragnehmer war, und API-Entwicklung, die von AU-System durchgefuehrt wurde.

Die Entwicklung der Applikationssoftware im Endgeraet ging an die Firma Softlab, die bereits einen Auftrag fuer die Erstellung der Gesamtanwendung erhalten hatte. Die Auswahl der Lieferanten wurde unter anderem nach den Kriterien Angebotspreis, Liefertermin und internationale Verfuegbarkeit des Standards getroffen, da dieses System neben dem Einsatz auf dem Flughafen Frankfurt auch international vermarktet werden soll.

Bereits im April 1994, zirka fuenf Monate nach der Auftragsvergabe fuer das Datenfunksystem, konnte die Infrastruktur in Betrieb genommen und die erreichte Ortswahrscheinlichkeit nachgemessen werden. Das mobile Datenendgeraet stand nach Freigabe des Prototyps im Herbst in Musterstueckzahlen zur Verfuegung. Der Realbetrieb mobiles BRS wurde zum Jahresende 1994 aufgenommen.

Nahezu zeitgleich mit der Entwicklung des BRS begann man auch mit den Arbeiten fuer die Einfuehrung des Datenfunks in den Transportbereichen. Auch hier war es nicht moeglich, sich am Markt zu bedienen, sondern man war gezwungen, adaequate Systeme einschliesslich der Endgeraete zu entwickeln, was die Firmen AEG fuer die Datenfunkinfrastruktur und mobile Datenendgeraete sowie Inform fuer die Einsatzleitsysteme uebernahmen.

Das System wurde bisher in den Bereichen Passagier- und Gepaecktransport eingefuehrt. Dabei kam es zu keinerlei Akzeptanzproblemen. Eine weitere Umsetzung geschieht im Frachttransport, der im Vergleich zu den jetzigen Dispositionssystemen neue und hoehere Anforderungen an die Technik stellt. Die Zielsetzung bei beiden Dispositionssystemen ist die bessere Auslastung der Fahrzeugflotten durch das Vermeiden von Leerfahrten, die Auswahl des oertlichen guenstigsten Fahrzeugs fuer einen Auftrag, die Erhoehung der Servicequalitaet, Entlastung des Fahrers und die automatische Dokumentation der jeweils erbrachten Leistung. Die Wirtschaftlichkeit solcher Systeme wurde durch entsprechende Simulationen nachgewiesen.

Wegen der starken Orientierung an den Anwenderbeduerfnissen und der Mitarbeiterbeteiligung kamen Systeme zum Einsatz, die vom Grundsatz her nichts Neues mehr darstellten, sondern schon bekannt waren, und bei denen die Mitarbeiter ihre Ideen mit eingebracht haben. Ziel bei der Entwicklung der Anwendungen war es, vorhandene Ablaeufe, die sich bewaehrt hatten, nicht zu veraendern und den Arbeitsfluss, bei dem eine Umsteigezeit von 45 Minuten garantiert wird, nicht zu unterbrechen, sondern zu optimieren, was unter anderem durch den Wegfall der manuellen Dokumentation gelungen ist. Die erforderlichen Schulungen gestalteten sich dadurch einfacher, Akzeptanzprobleme wurden vermieden beziehungsweise aufkommende Hemmnisse fruehzeitig erkannt und beseitigt.

Lizenz beschraenkt die Nutzung auf FAG-User

Durch die Nutzung zweier Datenfunksysteme lassen sich alle bis jetzt bekannten Anforderungen umsetzen:

-Dispositionsfunk fuer alle Applikationen, bei denen die Datenuebertragung im Vordergrund steht, dem Anwender aber ergaenzend die Moeglichkeit der Sprachkommunikation erhalten bleiben muss und der Einbau von zwei Funkanlagen vermieden werden soll.

-Datenfunk im Mobiltextnetz fuer alle anderen Anwendungen, die grosse Datenmengen zu uebertragen haben und bei denen kein Sprachverkehr erforderlich ist.

Ein Problem, das die FAG heute noch beschaeftigt, betrifft die Lizenz fuer das Datenfunksystem. Die Leistung auf Flughaefen wird nicht allein vom Flughafenbetreiber erbracht, sondern ist das Ergebnis der Zusammenarbeit vieler Unternehmen wie Luftverkehrsgesellschaften, Reinigungsdienste, Tankdienste. Also ist es fuer die FAG selbstverstaendlich, dass das Datenfunknetz, wie zuvor schon das Buendelfunknetz, allen berechtigten Dritten offenstehen sollte. Das Bundesministerium fuer Post und Telekommunikation (BMPT) sperrt sich derzeit jedoch, eine lokale Datenfunklizenz zu erteilen, so dass das Netz nur den Mitarbeitern der FAG zur Verfuegung steht. Zwar raeumen die Ausschreibungsunterlagen zur Datenfunklizenz eine solche Moeglichkeit ein, doch weder BMPT und BAPT sahen sich bisher imstande, der FAG auf Anfrage eine Lizenz zu erteilen.

*Klaus Peick ist Sachbearbeiter und Projektleiter in der Abteilung Hochfrequenztechnik bei der Flughafen Frankfurt Main AG.