Deutsche Postgewerkschaft nimmt Teilungs- und Privatisierungsmodelle für die Bundespost ins Visier:

DPG macht Front gegen Regierungskommission

12.06.1987

Die Adressaten der Postgewerkschaft sind unter anderem in der Regierungskommission Fernmeldewesen, im Wirtschafts- und Innenministerium, zu suchen. Die Knackpunkte im einzelnen:

- zu geringe Repräsentanz der Postler und Postkunden in der Regierungskommission;

- die "Ordnungspolitiker" im Wirtschaftsministerium hätten schon oft als Hemmschuh in Sachen Innovation gewirkt (Beispiel: Btx);

- das Innenministerium spielt eine unrühmliche Rolle bei der Personalrekrutierung der Bundespost.

Die groß aufgezogene Tagung der DPG, die unter dem Motto "Kommunikationsversorgung der Zukunft - Lebensqualität für viele oder Profit für wenige?" stand, war sorgfältig terminiert. Nur zwei Tage nach einer entsprechenden Veranstaltung des Bundes der Deutschen Industrie (BDI) und knapp vor dem Beginn des Weltwirtschaftsgipfels in Venedig suchten die Gewerkschafter ihre Position "Sichert die Post - Rettet das Fernmeldewesen", aber auch die "Begehrlichkeiten" der multinationalen Unternehmen zu verdeutlichen.

Sowohl die Regierungserklärung des Bundeskanzlers als auch die Koalitionsvereinbarungen der Regierungsparteien vom März dieses Jahres enthalten Hinweise auf "Privatisierung", respektive "Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens". Die wohl durch gezielte Indiskretion bekannt gewordenen Vorschläge der Regierungskommission Fernmeldewesen - sie sehen eine Trennung der Post in mindestens zwei selbständige Unternehmen vor (siehe CW Nr.10/87, Seite 6) - und die Forderungen der US-Regierung nach "Abbau des Protektionismus" und mehr Marktöffnung für amerikanische Telekommunikationsprodukte nehmen das Unternehmen Bundespost quasi in die Zange Einschneidende Veränderungen, wie sie die Regierungskommissionsvorschläge suggerieren, erscheinen unvermeidbar.

Die DPG, spricht sich vor diesem Hintergrund jedoch eindeutig für ein gemeinwirtschaftlich verpflichtetes Post- und Fernmeldewesen im Gegensatz zu den diskutierten privatwirtschaftlich orientierten Post-Unternehmensmodellen aus. In einem Beschluß des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) heißt es dazu: "Der DGB bekämpft alle Bestrebungen, die darauf gerichtet sind,

- das gemeinsame Betreiben der Dienste der DBP zu beseitigen (Deregulierung),

- Dienstleistungen der DBP zu privatisieren,

- die DBP vom Endgerätemarkt auszuschließen und

- die Netzträgerschaft, das Netzeigentum und die Netzverantwortung der DBP in Frage zu stellen."

Außer dem letzten Punkt dieses Positionspapiers scheinen allerdings alle anderen durch Regierungskommission, BDI und den massiven Druck amerikanischer Wirtschaftsinteressen auf den deutschen Telekommunikationsmarkt in Frage gestellt zu sein.

Die Tagung lieferte den engagierten Postlern jedoch gerade dazu eine Reihe von Argumentationshilfen, aber auch gegen die offenbar als Unterstellung empfundenen Ergebnisse beispielweise von Studien der Beratungsunternehmen KcKinsey und Mommert & Partner, die die Post als "Innovationshemmer" apostrophiert hatten (siehe CW 16/87, Seite 2).

Kontrahenten blieben Gegenbeweis schuldig

In der Tat blieben die eingeladenen Kontrahenten (John von Freyand BDI) auf direktes Befragen, wo denn die Post, was die Technik anbelange dem State of the Art nicht genüge den schlüssigen Gegenbeweis schuldig. Auch den mangelnden Wettbewerb im Endgerätesektor vermochte van Haaren - bis auf die eine Ausnahme Hauptanschluß - nicht auszumachen: "Wir haben die totale Liberalität. Ich weiß nicht, wenn man über Wettbewerb spricht, worüber man spricht Im Postwesen - mit Ausnahme des Briefdienstes - ist totaler Wettbewerb. Ich weiß nie, welche Landschaft beschrieben wird. Wir haben bei den Diensten 4000 Merkmale um alle laufen. Das ist mehr als in den USA."

Auch ein auf der Tagung des BDI diskutiertes "Mietleitungskonzept", dort von dem Wirtschaftsrechtler Wernhard Möschel vorgetragen, erntete ein erbittertes Kontra des DPG-Vorsitzenden in Form der Fragen: "Macht man Gebührenschutz bei Mietleitungen? Oder macht man ein Mietleitungskonzept und läßt die Post fast wie von einem Blutsauger aussaugen - ohne daß es in irgendeiner Weise einen Arbitrage-Schutz gibt?" Er bescheinigte dem Tübinger Professor mangelnde Fachkenntnis und sprach von "einer Milchmädchenrechnung, die man unter ernsthaften Fachleuten nicht machen kann".

Tarife so schnell wie möglich an Kosten orientieren

Offener zeigte sich der Gewerkschaftsmann den Vorschlägen von Unternehmensberater Rolf-Dieter Leister gegenüber. Der stellvertretende Sachverständige für Nachrichtenwesen im Postverwaltungsrat hält "mehr Marketing der Postler" für dringend erforderlich. Auch die Bundespost müsse, wolle sie nicht Arbeit an den privaten Markt abgeben, über den Nutzen verkaufen, insbesondere an den Mittelstand.

Leister plädierte darüberhinaus dafür, daß die Post ihre Tarife besser nutzt, um neue Nachfrage anzuregen: "Es ist gefährlich zu sagen, wir werden unsere Gebühren nicht erhöhen. Digitaltechnik führt dazu, daß die Preise niedriger werden. Dies muß man kompensieren, und zwar durch neue Dienste. Wir sollten das technische Instrumentarium der Post wesentlich stärker einsetzen, um die Kosten der Transportleistung im Netz zu reduzieren, und die Tarife so schnell wie möglich an den Kosten orientieren." Für einen gefährlichen Anachronismus hält es Leister, neue Anwendungen "festzementieren zu wollen auf der Grundlage des Telefontarifes". Leister abschließend: "Die Deutsche Bundespost braucht unbedingt Freiräume für einen Anpassungsprozeß und zur Findung einer geschäftlichen Strategie, die sie für die Zukunft als ein modernes Dienstleistungsunternehmen braucht."