Trend bleibt noch hinter den Erwartungen zurück

Downsizing ist noch für viele Kunden von IBM Teufelswerk

24.07.1992

MÜNCHEN (CW) - Obwohl Downsizing und offene Systeme in der Anwendergunst ganz oben stehen, ist die Bereitschaft, sich in ein solches DV-Abenteuer zu stürzen, nicht so groß wie allgemein angenommen. Eine entsprechende Relativierung der beiden DV-Megatrends haben englische Analysten vorgenommen. Laut Umfrage lehnen in Großbritannien 41 Prozent der Anwender ein Downsizing ab.

Wie die "Financial Times" berichtet, ist zwar das Interesse an Hochleistungs-PCs und Systemoffenheit stark angestiegen, doch der Mainframe steht zumindest bei IBM-VSE-Anwendern, auf die sich die Befragung konzentrierte, noch immer hoch im Kurs. Da diese Gruppe am ehesten Handlungsbedarf hätte, könne davon ausgegangen werden, daß die Downsizing-Bereitschaft von MVS-Anwendern noch weit geringer sei. Trotzdem habe Branchenprimus IBM gegenwärtig und zukünftig unter den Abwanderungsgelüsten von Stammkunden zu leiden.

Vielen DV-Managern fehlt es an Erfahrung

In den meisten Fällen, so zitiert das Finanzblatt Untersuchungsergebnisse der britischen Gesellschaft EC-Soft, wird der Mainframe in die neue DV-Landschaft integriert. Dies liege unter anderem daran, daß viele Anwender ihrem Großrechner in puncto "kommerzielle Robustheit" Eigenschaften zusprächen, an die Minicomputer, Workstations und PCs nicht heranreichten.

Andererseits seien aber die geringeren Preise der kleineren Rechner ein gewichtiges Argument für das Downsizing - das könnten auch die DV-Verantwortlichen schwerlich ignorieren. Der Trend zu offenen Systemen, so analysiert die Wirtschaftszeitung weiter, wird nicht zuletzt dadurch aufgehalten, daß es an DV-Managern fehlt, die den Mut und die Erfahrung haben, eine neue DV-Ära einzuläuten.

DV-Verantwortung geht zum Anwender über

In der Regel sei es der Alltagstrott, der Anwenderunternehmen an proprietären, oft unökonomischen DV-Systemen festhalten ließe. Für ein Downsizing und die Ausmusterung proprietärer Systeme entscheiden sich daher laut EC-Soft in erster Linie Unternehmen, die sich im Umbruch befinden. Die Fusionierung mit einem anderen Konzern oder dessen Akquisition kann dabei ebenso den nötigen Impuls geben wie die Beschäftigung eines neuen, aufgeschlosseneren DV-Managers. Ein weiterer Trend, der die Veränderung der IT-Landschaft vorantreibt, der aber gleichzeitig von vielen DV-Verantwortlichen gefürchtet wird, ist die Verlagerung der Verantwortung vom RZ-Leiter zu den Endanwendern. "Viele Abteilungsleiter haben heute bereits ihr eigenes DV-Budget", konstatiert etwa Steve Coussins, ein Manager von EC-Soft.

In England wurden insgesamt 200 IBM-VSE-Anwender befragt. Das entspricht etwa einem Fünftel aller britischen Mainframe-Anwender. Davon hatten 35 Prozent entweder ihre Downsizing-Pläne schon verwirklicht, oder sie stehen unmittelbar vor dessen Realisierung.

Dabei ergibt sich folgendes Bild: Ein Drittel bevorzugt eine offene Systemumgebung, ein weiteres Drittel orientiert sich in Richtung IBM-Midrange-Welt (AS/400). Als überraschend hoch wertet EC-Soft den dreizehnprozentigen Anteil solcher Anwender, die in eine andere proprietäre Systemumgebung eingestiegen sind. Über die restlichen 20 Prozent macht die "Financial Times" keine Angaben.