Noch fehlt manchen Anwendern der Mut zur Ehrlichkeit

Downsizing bedeutet eine Umsetzung einfacher Regeln

12.03.1993

Eigentlich hat Downsizing in den 80er Jahren angefangen, als IBM mit dem PC einen Rechner auf die Welt brachte, den man als Volkswagen der DV-Welt bezeichnen koennte. Dieser Winzling und seine Nachfolger machten auf dem Schreibtisch Karriere. Erstmals war Rechenpower und eine Basis fuer zahllose Applikationen verfuegbar, von denen viele Anwendungsentwickler schon lange getraeumt hatten, waehrend sie noch unerquickliche Spezialprogramme fuer in Kuehlkammern brummende Rechenriesen schrieben.

Die Revolution kam von unten

Auch diese Version des Maerchens vom haesslichen Entlein endet positiv: Das graue, kleine und langsame Schwimmtier praesentiert sich heute als stolzer MIPS-Schwan, der ueber eine Leistungsfaehigkeit verfuegt, die saalfuellende Rechner aus den sechziger Jahren zum schamvollen Erroeten bringen wuerde - wenn diese ueber die Faehigkeit zur Farbausgabe verfuegten. Mit der Entwicklung von PCs und Workstations mit den beiden Betriebssystem-Standards DOS und Unix begann also der Siegeszug von Desktop-Rechnern.

Hatte man sich in der Fruehzeit der Computerei noch mit graesslichen Texteditoren auf Grossrechnern behelfen muessen, hielt nun die Spezies der Textverarbeitungen Einzug in die Bueros - und mit ihnen Tabellenkalkulation, Grafikprogramme und Datenbanken. Die Software-Entwickler wurden immer geschickter in der Ausnutzung der Rechnerleistung, die Hardwareproduzenten schufen immer schnellere und leistungsfaehigere Maschinen - die Revolution kam von unten.

Natuerlich nahmen in dieser Zeit auch die Grossrechner an Umfang ab und an Performance zu - aber im Preis blieben sie mindestens vollschlank. Gerade in einer Zeit, wo alle Welt von lean spricht und damit Kosten sparen meint, stellt sich die Frage, inwieweit sich die Rechenmonster rentieren, wenn es doch fuer die meisten Aufgaben mittlerweile auch kleinere und handlichere, vor allem aber billigere Systeme gibt.

Was das Wort Downsizing heute fuer viele Nicht-DVler impliziert, ist jedoch nur ein Teilaspekt dessen, was sich wirklich dahinter verbirgt. Es meint unter Umstaenden auch die Trennung vom Mainframe, aber eben nur unter Umstaenden. Denn gemeint ist eher das, was der Begriff Rightsizing ausdrueckt: Rechnerleistung entsprechend den exakt definierten Anforderungen einzukaufen und einzusetzen.

Das bedeutet also unter Umstaenden sogar ein "Upsizing", wenn der im Netzwerk als Server eingesetzte PC zu schwitzen anfaengt, weil seine Kollegen ihm zuviel abverlangen. Der Grossrechner hat demnach nicht ausgedient; er hat seinen Sinn in Rechenzentren, Banken und Grossunternehmen, wo Massendaten zu verarbeiten und verwalten sind.

In einem mittelstaendischen Unternehmen dagegen tut´s in der Regel auch ein Mini - oder sogar eine Workstation als Server mit angeschlossenem PC-Netz.

Die Anpassung der Informationstechnik an die tatsaechlichen Gegebenheiten: Das also meint Downsizing.

Auch eine andere weitverbreitete Meinung entspricht nur zum Teil der Wahrheit. Die Kostenreduzierung, die die Abloesung der einen durch die andere Informationstechnik angeblich bringt, ist in Wahrheit das Ergebnis von Investitionen. Um also fruehestens mittelfristig Geld zu sparen, muss man es zunaechst ausgeben. Denn es ist ja nicht damit getan, den Grossrechner ab- und das PC-Netz anzuschalten.

Im Gegenteil, die Abloesung gewachsener, wenn auch veralteter Strukturen durch voellig neue kostet viel Arbeit, Zeit und Geld. DV-Spezialisten empfehlen denn auch, fuer Downsizing-Vorhaben Berater heranzuziehen, die Erfahrung in solchen Projekten haben.

Im Rahmen eines solchen Projekts sollte zunaechst das Unternehmen als Ganzes betrachtet werden: Der Status quo dient als Basis fuer alle notwendigen Veraenderungen. Welche Unternehmensziele werden verfolgt? Mit welchen Mitteln arbeitet man derzeit? Wie lassen sich diese Mittel optimieren? Wie laufen die Informationsstroeme im Unternehmen? Wer benoetigt welche Information zu welcher Zeit? Und so weiter.

Hat man erkannt, wo ueberdimensionierte Rechenleistung einer geringen Nachfrage gegenuebersteht - oder im Gegenteil, wo grosser Nachfrage zu geringe Leistung entspricht -, gilt es, Alternativen zu entwickeln: Im Extremfall koennte der Mainframe verkauft und seine Stelle von einem vernetzten System unter Einbindung von Servern eingenommen werden. Oder ein Minirechner, eine Workstation oder ein PC erhaelt lediglich bestimmte Anwendungen des Mainframes uebertragen, waehrend die Grossmaschine weiter die Gehalts- und Lohnabrechnung im Stapelbetrieb ueber Nacht erledigt.

Alternativmoeglichkeiten zum bestehenden System muss man schliesslich auf ihre Kostenvertraeglichkeit untersuchen. Kosten fallen vielfaeltig an. So ist neue Hard- und Software zu kaufen; bestehende Applikationen sind unter Umstaenden auf die neuen Plattformen zu portieren. Re-Engineering ist nicht umsonst; Mitarbeiter brauchen Schulung. Hinzu kommen natuerlich Ausfallzeiten durch Umbau und Installation sowie anfaengliche Schwierigkeiten im Umgang mit dem neuen System.

Downsizing-Spezialisten wie Juergen Pauleweit, Mitarbeiter bei CMG in Frankfurt/Main, sprechen denn auch von einer Projektlaufzeit von mindestens 18 Monaten. Erst dann beginnen die Massnahmen in bezug auf Kostenreduzierung zu greifen, und erst dann ist das Projekt mit allen Teilaspekten abgeschlossen.

Die Grossen der Branche springen auf den Zug

"Unter Umstaenden entdeckt man zu Beginn des Projekts, dass die gesamte Informations-Infrastruktur veraendert werden muss. Dann heisst es, Bestehendes zu zerschlagen und neu aufzubauen, um endlich Effizienz im Datenverkehr zu erreichen", sagt Pauleweit.

Viele Unternehmen sind in den letzten zwei Jahrzehnten an ihren Grossrechnern entlanggewachsen. Sie haben sich an sie angelehnt, sich an die Erfordernisse der Monster-DV angepasst. Diese Struktur ist haeufig ein Hindernis fuer die Modernisierung des DV-Systems.

Hinzu kommt, dass die durch ihren intimen Umgang mit den Rechenriesen zu Macht und Ansehen gekommenen Mitarbeiter sich gemeinsam mit den Mainframe-Herstellern gegen eine Entwicklung stemmen, die schon jetzt dazu fuehrt, dass auch in diesem Markt die Margen zu schmelzen beginnen und die Stueckzahlen verkaufter Maschinen zurueckgehen. Zwei Parteien, die nicht per se Verbuendete sind, entdecken Gemeinsamkeiten.

Aber sie haben keine Chance, die Entwicklung zurueckzudrehen. Spaet, aber eilig springen jetzt auch die Grossen der Branche auf den Zug und bieten eigene Downsizing-Services an. Allerdings offerieren sie solche meist auf der Basis der eigenen proprietaeren Systeme oder hauseigener Unix-Derivate, um sowohl mit Dienstleistung als auch mit dem Verkauf von Rechnern zu verdienen.

Dabei hat das Schlagwort offene Systeme noch immer nichts an Aktualitaet eingebuesst. Die Kommunikation zwischen Rechnern aller Klassen, zwischen Applikationen verschiedenster Art ist weiter gefragt. Wenn auch die meisten Anwender gern eine vielseitige DV- Welt mit einer gemeinsamen Sprache zur Verfuegung haetten, so sind doch die spezifischen Erfordernisse der Unternehmen und der Mangel an fuer die DV-Struktur verantwortlichen Informations-Managern oft hinderlich, dieses Ziel durchzusetzen.

Dass ein Zusammenhang zwischen der Informations-Infrastruktur und den Kosten des Unternehmens, zwischen der installierten DV-Basis und Effizienz besteht, ist zwar mittlerweile weithin bekannt. Doch anscheinend zaudern viele Anwender, Konsequenzen zu ziehen.

Darauf weist auch die CMG-Umfrage "Downsizing 2000" hin, die unter den 700 umsatzstaerksten Unternehmen der Republik durchgefuehrt wurde: Danach werden Downsizing-Massnahmen bei 58 Prozent der Unternehmen geplant, bei weiteren 24 Prozent erwogen. Also bleiben immerhin 18 Prozent, die ein derartiges Vorhaben vorlaeufig nicht in Betracht ziehen, und 24 Prozent sind noch unschluessig.

Dabei ist es offensichtlich hoechste Zeit, die Verhaeltnismaessigkeit der eingesetzten Mittel im DV-Bereich zu ueberpruefen und sich einer Kosten-Nutzen-Analyse zu stellen. Diese Massnahmen wuerden vermutlich bei einer Reihe von Unternehmen zu einem Umdenken hinsichtlich der lange Zeit als Allheilmittel geltenden Datenverarbeitung fuehren. Downsizing im Rahmen eines betriebswirtschaftlich ausgerichteten Informations-Managements ist nicht der Stein der Weisen, sondern eine den Markterfordernissen entsprechende Massnahme.

* Juergen Saarmann ist Mitarbeiter der Agentur Fink & Fuchs in Wiesbaden.