Interview

Dotcom-Strategie dient dem Rechnerverkauf

10.12.1999
Mit Michael Schroeder, Leiter Produkt-Marketing bei der Sun Microsystems GmbH, sprach CW-Redakteur Hermann Gfaller

CW: Ist die Dotcom-Strategie mehr als Marketing?

Schroeder: Sie wird als Schirm über die gesamte Firmen- und Produktstrategie gespannt.

CW: Bei der IBM sehe ich das Bemühen, umfassende Lösungen von der Hardware- und Netzinfrastruktur bis zu konkreten E-Business-Projekten anzubieten. Können Sie da mithalten?

Schroeder: Das ist nicht unser Ansatz. Wir setzen auf Partner für Beratung, Systemintegration und vieles mehr. Sun konzentriert sich auf seine Kompetenzen im Infrastrukturbereich.

CW: Bieten Sie sich als Gesamtunternehmen oder nur als Anlaufstelle an?

Schroeder: Meist werden wir von Firmen angesprochen, die erkannt haben, daß sie etwas im Internet-Bereich unternehmen müssen und von uns erwarten, daß wir ihnen helfen und ihnen Partnerunternehmen vermitteln.

CW: Warum kommen die Internet-Interessenten zu Ihnen und nicht zu einem E-Commerce-Spezialisten?

Schroeder: Wir werden als eine der ersten Firmen wahrgenommen, die den Internet-Trend erkannt und mit Java auch massiv vorangetrieben hat. Uns wird die intellektuelle Führerschaft zugeschrieben.

CW: Ist Sun damit nicht ein wenig überfordert?

Schroeder: Nein. Wir haben in Vertrieb und Beratung Mitarbeiter, die solche Fragen beantworten können. Vor allem haben wir das Know-how, um zu entscheiden, welche Partner für das jeweilige Projekt am besten passen.

CW: Besteht hier nicht die Gefahr, daß Sie den Kunden Partner vermitteln, die dann von Sun außer Java nichts einsetzen.

Schroeder: Dieses Risiko gehen wir ein.

CW: Wirklich?

Schroeder: Wenn wir einen Partner in das Geschäft hineinnehmen, erwarten wir natürlich, daß er seine Lösung mit unserer Plattform realisiert. Erzwingen können wir das nicht, aber wir hätten ja auch einen anderen Partner vorschlagen können.

CW: Wo genau liegt Ihre Kompetenz bei Internet-Projekten?

Schroeder: Wir konzentrieren uns auf Server, Betriebssysteme sowie Management- und Entwicklungswerkzeuge.

CW: Was ist mit dem Star-Portal, der via Web erhältlichen Office-Software von Stardivision?

Schroeder: Sie wird erst im April nächsten Jahres freigegeben. Es gibt aber schon eine Reihe Kunden, insbesondere aus dem Finanzbereich, die danach fragen.

CW: Befürchten Ihre Kunden nicht, daß sich die End-User ihre gewohnten Microsoft-Anwendungen nicht wegnehmen lassen?

Schroeder: Es geht nicht um die Windows-User. Es geht um die Anwender, die bislang keinen PC haben. Es geht um Anwendungen auf Kleinstcomputern und anderen Internet-Geräten. In diese Richtung entwickeln die Programmierer von Star Division.

CW: Um Internet-Geräte wie den Java-Ring ist es still geworden. Ist das Schnee von gestern?

Schroeder: Unsere zentrale Kompetenz liegt bei der Infrastruktur. Wir werden also selber keine Devices fertigen, bestücken sie aber mit Techniken wie dem Java-Chip "Majc" oder Java.

CW: Sun hat sich mit Forté einen dritten Applikations-Server ins Haus geholt. Gibt es nicht schon genug Probleme bei der Verschmelzung von Netdynamics und dem Netscape-Server?

Schroeder: Forté selbst stuft die Funktionen seiner Software niedriger ein als unsere Produkte.

CW: Tatsächlich? Forté kommt aus dem Case-Geschäft und gilt als Anbieter für große Unternehmen. Dazu paßt, daß der Forté-Server Enterprise Javabeans (EJBs) unterstützt, was sich von Ihren Servern nicht sagen läßt.

Schroeder: Schon richtig. Natürlich wollten wir die EJBs. Vor allem aber ging es uns um die Entwicklungswerkzeuge, etwa für den Mainframe-Bereich.

CW: Ich verstehe noch nicht, welches Geschäftsmodell hinter Ihrer Dotcom-Strategie steckt. Schließlich sind viele Produkte im wesentlichen kostenlos.

Schroeder: Für unsere Technologieentwicklungen außer bei Prozessoren ist das richtig.

CW: Heißt das, daß alle Software außerhalb der reinen Infrastruktur nur dazu dient, Marketing für Ihre Plattformprodukte zu machen.

Schroeder: Ja.

CW: Gilt das auch künftig?

Schroeder: In Zukunft werden Dienste die zentrale Rolle spielen, nicht Applikationen.

CW: Wollen Sie also mit Diensten Geld machen?

Schroeder: Nicht wir, unsere Partner.

CW: Verstehe ich richtig: Sie schaffen ihren Partnern preisgünstige Möglichkeiten, Dienste anzubieten, für deren Realisierung sie Rechner bei Sun kaufen sollen?

Schroeder: So ist es.