"DOS ist nur ein Betriebssystem für kleine und mittlere Anlagen"

14.07.1978

Mit Diether Eichhorn, Leiter Systemplanung, R + V Versicherungen, Wiesbaden, sprach Dieter Eckbauer

- Als einer der ersten, wenn nicht der erste IBM-Anwender in Deutschland haben Sie Antang Januar 1977 die Umstellung von DOS/VS auf OS/VS2 sprich MVS - in Angriff genommen. Hatten Sie vor diesem Betriebssystemwechsel keinen Bammel?

Bei den meisten Anwendern gibt es eine psychologische Barriere, ein Betriebssystem in der Rangfolge zu überspringen und gleich das ranghöhere Betriebssystem einzusetzen, wie wir das mit der Umstellung von DOS/VS auf OS/VS2 getan haben. Für uns war das OS ohnehin Neuland und so haben wir uns eine spätere Umstellung von OS/VS1 auf OS/VS2 erspart und alle Imponderabilien, die damit verbunden sind.

- Welche Gründe sprachen überhaupt für diesen Betriebssystemwechsel?

Es gab zwei Hauptgründe für die Umstellung auf das OS: Auf der einen Seite hat uns die erfreuliche Entwicklung unseres Unternehmens rapide wachsende Bestände beschert, auf der anderen Seite war es die Forderung der Fachbereiche nach immer stärkerer und umfangreicherer maschineller Unterstützung der Sachbearbeitung - und das mit immer komplexeren Programmen und Programmsystemen.

- Verstehe ich Sie recht: DOS hat Ihnen auf der Hardwareseite Beschränkungen auferlegt, die Sie nur dadurch beheben konnten, daß Sie mehr Hardware installierten - wodurch wiederum eine Konfiguration entstand, für die DOS erneut keine optimale Unterstützung lieferte?

So ist es. Wir haben jetzt ein Großrechenzentrum, das den Anforderungen der Fachbereiche von der Maschinenkapazität her durchaus gerecht werden kann. Eine Installation in dieser Größenordnung ist jedoch mit einem Betriebssystem für kleine und mittlere Anlagen wie DOS, nur noch bedingt steuerbar. Logisch, daß wir unsere beiden Systeme 370/158 mit DOS nicht optimal auslasten konnten. Darüber hinaus gibt's im VSAM keine "Cross System Share Options". Zudem ist eine sichere Bedienbarkeit der großen Systeme im DOS auch deshalb eingeschränkt, weil es eine Katalogverwaltung nur für VSAM-Bestände gibt.

- Warum sind Sie dann nicht schon früher auf OS gegangen?

Es war damals, wenn Sie jetzt auf die Zeit vor vier oder fünf Jahren anspielen, ein reines Kapazitätsproblem. Seinerzeit hätten wir alle Anwendungsprogramme vor Einsatz eines OS-Systems auf OS umstellen müssen, und das war mit der vorhandenen Kapazität einfach nicht zu schaffen.

- Sie haben der Systemplanung den erforderlichen Umstellungsaufwand akribisch kalkuliert. Was verursachte eigentlich den Umstellungsaufwand?

Den größten Einzelposten im Gesamtaufwand stellt die OS-Schulung für Programmierung, Rechenzentrum und Systemplanung dar, danach folgt der Aufwand für die Umstellung der JCL und der anschließende Funktionstest aller Programme. Der Aufwand für den Entwurf, die Generierung und den Test der Betriebsysteme wirkt dagegen gering mit 28,5 MM.

- Wie hoch war der Aufwand insgesamt?

Wir haben 18,5 Mannjahre gebraucht, davon allein 9,3 Mannjahre für die Schulung

- Jetzt haben Sie bei der OS-Einführung darauf gesetzt, daß mit dem "Dolmetscher" DUO von UCC/AC, der DOS-Programme unter OS/VS ausführbar macht, die Anwendungsprogramme nicht umgeschrieben werden müssen.

Man kann das nicht so sehen, daß langfristig oder mittelfristig auf eine Umstellung der DOS-Programme auf OS verzichtet werden könnte, Jedenfalls erlaubt DUO, DOS-Programme sofort nach Fertigstellung des Betriebssystems und nach Umstellung der Jobsteuersprache einzusetzen, ohne eine langwierige Umstellung der Anwendungsprogramme vornehmen zu müssen.

- Hätten Sie die Umstellung ohne dieses Tool nicht vorgenommen? Oder hätten Sie dann eine andere Lösung gewählt?

Bevor wir DUO kennenlernten, wollten wir mit Hilfe des VM 370 auf OS/VS1 umstellen. Nachdem wir aber DUO geprüft hatten, fanden wir, daß es uns eine Umstellung wesentlich einfacher ermögliche.

- Die bestehenden Programme sind zum größten Teil noch DOS-Programme, neu programmiert wird in OS, und Sie setzen darüber hinaus den SVC-Filter DUO ein. Schafft das nicht Verwirrung?

Nein, ich glaube, das kann man so auch nicht sehen. Unser Betriebssystem ist ein reines OS, und die einzige Schnittstelle zu DUO - nur bei noch zu DOS-Zeiten entwickelten Programmen ist eine Parameter-Angabe in der Execution-Karte. Denn DUO arbeitet ja in der Art, daß es DOS-Programme wie Unterprogramme behandelt. Das aufgerufene Programm ist DUO und DUO selbst lädt sich die DOS-Programme nach, und da hat man über bestimmte Parameter Möglichkeiten des Einflußes auf DUO. Das ist auch schon die einzige Schnittstelle, und die schafft meiner Meinung nach keinerlei Verwirrung, sondern trennt eher klar DOS-Programme von echten OS-Programmen.

- Nun wird DUO wie ein Keil zwischen Anwendungsprogramme und Betriebssystem getrieben. Das gibt sicherlich keine Probleme bei Anwendungsprogrammen, aber das Betriebssystem wird vom Hersteller ständig verbessert. Ist eigentlich sichergestellt, daß DUO diese IBM- Verbesserungen nachvollzieht?

Wir rechnen ohnehin nicht damit, daß wir DUO länger als ungefähr zwei Jahre einsetzen werden, weil wir der Meinung sind, daß wir alle unsere DOS-Programme in dieser Zeit auf OS umstellen können. Die meisten unserer Programme sind ohnehin relativ änderungsintensiv, weshalb sie bei aus anderen Gründen nötigen Änderungen gleich auf OS umgestellt werden. Außerdem beschäftigt sich eine selbständige Gruppe der Anwendungsprogrammierung mit der Aufgabe, Programme von DOS auf OS umzustellen.

- Ein neues OS-Release erwarten Sie nicht?

Selbst wenn - alle neuen Betriebssysteme kommen in Europa wesentlich später auf den Markt als in Amerika. Der amerikanische DUO-Entwickler hätte also allemal Zeit, DUO auf einen Releasewechsel vorzubereiten. Zudem ist es ja nicht so, daß wir gezwungen sind, unser OS-Release innerhalb von zwei Jahren zu ändern.

- Gab es bei der Umstellung Probleme?

Ja, durchaus. Aber wenn ich jetzt meine Mitarbeiter fragen würde, was hatten wir denn eigentlich so für Probleme bei der Umstellung, wird sich kaum einer konkret an alle Probleme erinnern können, sondern vielleicht an eines oder zwei, die sich aber alle im Nachhinein als mehr oder weniger "Peanuts" herausgestellt haben, also gar keine waren.

- Als Versicherungsunternehmen können Sie sich keinen Änderungsstop im Rechenzentrum leisten. Jetzt gab es aber doch Ausbildungszeiten und Programmierzeiten, während Anforderungen der Fachabteilungen aufliefen. Wie haben Sie das vom zeitlichen Ablauf her bewältigt?

Da wir ja die Anwendungsprogramme wegen DUO nicht grundsätzlich von DOS auf OS umzustellen brauchten, haben wir nur einen relativ kurzen Änderungsstop von eineinhalb Monaten gehabt, und zwar in der allerletzten Phase kurz vor Einsatz des MVS.

- Dieser Stop erscheint mir sehr kurz.

Er wäre auch wesentlich länger gewesen, hätten wir eine Umstellung konventioneller Art betrieben, indem wir alle Programme vorher umgestellt und dann erst das Betriebssystem eingesetzt hätten. Es gab natürlich dadurch, daß die Produktion nicht aufzuhalten war, gewisse Redundanzen in der Umstellung, etwa bei der Job-Control. Wenn sich Abläufe durch die Änderung der Programme geändert hatten, mußte die JCL erneut angepaßt werden.

- Hatten Sie immer genügend Kapazität auf der Anlage, um das zu verkraften?

Wir haben in der Umstellungszeit zum Teil drei Schichten gefahren, denn wir hatten uns vorgenommen, alle Programme, für die wir die Job-Control umgestellt haben, einem Funktionstest zu unterziehen. Das erfordert natürlich lange Zeit auf der Maschine. Zum Teil mußten sogar Testbestände neu erstellt werden, was dann zusätzlich schlug.

- Würden Sie Ihre Umstellungs-Lösung als jedermanntauglich hinstellen oder einschränken, daß dieses Vorgehen nur unter bestimmten Voraussetzungen richtig war?

In dieser Art kann man grundsätzlich umstellen. Sicherlich mögen manche Unternehmen, die mit VM 370 umstellen von anderen Voraussetzungen ausgehen und als gravierenden Faktor die zusätzlichen Timesharing-Funktionen von CMS betrachten. Aber bei unserer Umstellung steht uns das TSO mit MVS zur Verfügung, und deshalb sehe ich keinen großen Vorteil, anders zu verfahren.

- Welche Kostenvorteile hat Ihnen denn der Einsatz von DUO gebracht.

Wir können hier nicht über Kostenvorteile sprechen, weil die Zahlen noch nicht verfügbar sind. Den Vorteil, den uns die Umstellung mit DUO gebracht hat, sehe ich darin, daß wir sofort die Vorteile eines MVS mit SHARED SPOOL nutzen, die Umstellung der Anwendungsprogramme aber unter MVS und ohne Terminzwänge vornehmen können.

Diether Eichhorn (45)

ist seit 1965 bei der X + V Versicherungsgruppe. Er stieg 1968 in die Systemprogrammierung ein, übernahm 1971 das Referat " Systemprogrammierung" und leitet seit 1977 die Abteilung "Systemplanung".

Zur B + V Versicherungsgruppe, Wiesbaden" gehören fünf Gesellschaften, die in allen Teilen der Bundesrepublik und in West-Berlin durch Filialen vertreten sind. Die Brutto-Beitragseinnahme der Gruppe betrug 1977 1,8 Milliarden Mark bei 4,9 Millionen Versicherungsverträgen; der Bestand an Versicherungssumme bei der B + V Lebensversicherung a.G. beträgt rund 21 Milliarden Mark. Bilanzsumme: rund 5 Milliarden Mark. Damit gehören die R + V Versicherungen zur Spitzengruppe der deutschen Assekuranz.