Betriebssystemkrieg endet mit einem Waterloo fuer die Networking- Company

DOS gestoppt: Novell kapituliert vor der Dominanz von Windows

16.09.1994

ATLANTA - Die Claims auf dem Softwaremarkt sind jetzt endgueltig abgesteckt. Waehrend der Networld+Interop in Atlanta verkuendete Novells Executive Vice-President John Edwards das definitive Aus fuer DOS 7. Die Networking-Company will sich kuenftig - auf die neue Freundschaft mit Microsoft bauend - wieder auf ihr Kerngeschaeft konzentrieren und ihr Netzwerk-Betriebssystem getreu dem Motto "Netware everywhere" forcieren.

"The war is over": Mit diesen Worten verkuendete Edwards waehrend der Netzwerk-Messe das Ende des Konfrontationskurses mit Microsoft. Die beiden Kontrahenten scheinen nun endgueltig das Kriegsbeil begraben zu haben, denn Novell wird die Weiterentwicklung aller Produkte einstellen, die strategisch gegen das Betriebssystem Windows vom Marktfuehrer Microsoft gerichtet waren.

Dies markiert deutlicher als jedes andere Zeichen das Ende der Aera Ray Noordas, unter dessen Fuehrung als CEO und President die Networking-Company zur Nummer zwei im Softwaregeschaeft avancierte.

Seit jedoch Noordas Nachfolger Bob Frankenberg im Fruehjahr das Steuer uebernommen hat, scheinen die beiden Software-Giganten Microsoft und Novell ein freundschaftlicheres Verhaeltnis im Umgang miteinander zu suchen. Jedenfalls ist bei den Netzspezialisten der Wille zum Friedensschluss so gross, dass bereits heute von der M glichkeit gemeinsamer Entwicklungen gesprochen wird. Auf die Frage, ob dieses Miteinander fuer die Anwender gleichzeitig eine Neuordnung der Softwarewelt bedeute - mit Microsoft als "King of the Desktop", waehrend Novell im Reich des Networking regiert -, antwortete Edwards mit einem klaren Ja und dem Bekenntnis:

"Windows ist fuer uns der Standard auf dem Desktop."

Anstatt Microsofts Desktop-Klassiker weiterhin zu bekriegen, will Novell kuenftig gemeinsam mit Microsoft an einer besseren Integration von Windows in Netware arbeiten. So soll dessen Nachfolger Chicago, das als "Windows 95" auf den Markt kommt, besser unterstuetzt werden. Zusaetzlich bekennt man sich nun auch zu OLE 2.0 als Standard fuer objektorientiertes Arbeiten auf dem Desktop.

Ob sich der Friede mit Microsoft letztendlich als Pyrrhussieg erweisen wird, kann nur die Zukunft zeigen, denn bei Microsoft hiess es bis Redaktionsschluss nur lapidar: "No comment." Novell zahlt fuer die Zusammenarbeit auf jeden Fall einen hohen Preis: Die Weiterentwicklung zahlreicher Windows-Konkurrenzprodukte wird definitiv eingestellt.

Rueckzug an vielen Fronten

So sind unter anderem die Arbeiten an DOS 7, das Novell in Deutschland noch mit grossem Marketing-Aufwand ("Trau keinem DOS unter 7") in den Markt zu druecken versuchte, gestoppt. Den mehr als 700 000 deutschen Kaeufern des Desktop-Betriebssystems verspricht die Company nun immerhin, den Support bis auf weiteres aufrechtzuerhalten.

Auch fuer "Unixware Personal Edition", der Desktop-Unix-Variante von Novell, kommt das Aus. Darueber hinaus wollen sich die Netzwerker kuenftig nicht mehr im vertikalen Applikationsmarkt engagieren und die Fortfuehrung der "Appware Foundation", die eine gemeinsame Grundlage zur Erstellung von Applikationen auf Nicht- Windows-Plattformen herstellen sollte, auf Eis legen. Nur der "Visual Appbuilder", laut Novell ein Entwicklungs-Tool der fuenften Generation, wird kuenftig weiterentwickelt.

Damit nicht genug: Im Bereich der Datenbanken, urspruenglich auch ein Wunschziel der Netzwerker aus Provo, wird ebenfalls zum Rueckzug geblasen. Allerdings halte man sich hier, so Edwards, die Option offen, mit anderen Datenbankherstellern wie Oracle oder Borland zusammenzuarbeiten, nachdem man das eigene System "Btrieve" bereits verkauft hat.

Die neue Freundschaft zwischen Novell und Microsoft duerfte sehr schnell auch Dritte beeinflussen. Erste Auswirkungen des Schulterschlusses wird vor allem IBMs OS/2-Gemeinde spueren. Zwar versprach Edwards, OS/2-Produkte wie "Netware for OS/2" nicht einfach vom Markt zu nehmen, doch sei eine Weiterentwicklung der OS/2-Linie "eher unwahrscheinlich".

Auf die Frage, womit Novell kuenftig noch Geld verdienen wolle, antwortete Edwards mit dem Konzept eines sogenannten "Pervasive Computing". Nach diesem Ansatz koennen Anwender bereits in naher Zukunft ueberall und jederzeit mit anderen Teilnehmern im Netz kommunizieren beziehungsweise entsprechende Netzwerkservices gemeinsam nutzen.

(Siehe auch Beitrag "Supernos von Novell ..." auf dieser Seite.)