PC-Betriebssystem enthaelt weniger Features als angekuendigt

DOS 6.0 von Microsoft noch nicht zu haben - der Virus dazu schon

05.03.1993

MS-DOS 6.0 enthaelt eine ganze Reihe von Programmteilen, die nicht aus den Microsoft-Labors stammen, zum Beispiel das Defragmentierungs-Programm "Norton Speed Disk" von Symantec, das die Dateien auf der Festplatte sortieren und den Zugriff beschleunigen soll.

Nach Auskunft von Patrick Tensil, Produkt-Manager bei der Microsoft GmbH, Muenchen, wurde auch die Backup-Funktion von Symantec uebernommen. Central Point hingegen steuerte mit "Undelete" ein Programm bei, das Erste Hilfe bei versehentlich geloeschten Dateien leisten soll.

Von Central Point stammt auch das Virenschutzpaket "Antivirus". Das Programm wurde dafuer konzipiert, bekannte Computerviren zu beseitigen und zu verhindern, dass sich noch nicht definierte Viren in dem System einnisten. Diese Faehigkeit wird jedoch bereits angezweifelt. Dazu Christoph Fischer, Leiter des Microbit-Virus-Centers der Universitaet Karlsruhe und Beta-Tester von MS-DOS 6.0: "Es gibt bereits einen Virus, der auf die Antiviren-Software von MS-DOS 6.0 spezialisiert ist." Fischer erhielt den Virus nach eigenen Angaben aus verschiedenen, ortsunabhaengigen Quellen.

Tremor - ein Grund zum Zittern fuer Microsoft?

Tremor, so der Name des Virus, habe sich bei Testlaeufen von Antivirus teilweise ohne Meldung des Schutzprogramms weiterverbreitet und seine Spuren hinterlassen. "Der Virus hat explizit in diesem Antivirus-Produkt etwas ausgeschaltet", berichtet Fischer. Er will den Virus nun intensiver analysieren.

Das Microbit-Team zeigte Erstaunen darueber, wie schnell die Viren-Szene auf das neue MS-DOS-Release reagiert hat. "Es war uns klar, dass Microsofts Betriebssystem ein primaeres Ziel fuer Virenautoren wird", raeumt Fischer ein. "Dass dies aber so schnell passieren wird, ist natuerlich ein Reinfall."

Bei Microsoft hatte offenbar noch niemand etwas von Tremor gehoert. Fuer Produkt-Manager Tensil jedenfalls war die Information neu.

Die Mannen unter Microsoft-Mogul Bill Gates haben derzeit ganz andere Sorgen, denn sie mussten zwei urspruenglich zum Paket gehoerende Module aus dem Beta- Test-Paket entfernen. Dabei handelt es sich um die Funktionen Max- Compress und Mail-Client. Max-Compress sollte die mit dem Komprimierungs-Tool "Double Space" verdoppelte Speicherkapazitaet zusaetzlich erhoehen.

Das Hilfprogramm wird voraussichtlich dem Rechtsstreit mit Stac Electronics (siehe CW Nr.6 vom 5. Februar 1993, Seite 28: "Microsoft entwickelt sich zum Langzeitkunden der US-Gerichte") zum Opfer fallen. Das Thema ist fuer Microsoft jedoch noch nicht passe. Nach Angaben von Tensil besteht die Moeglichkeit, Max-Compress bis zum Auslieferungstermin doch noch in die Vollversion packen zu koennen.

Ebenfalls nicht im Paket enthalten ist die Mail-Client-Funktion, die dazu dienen sollte, das Betriebssystem zusammen mit Windows for Workgroups oder einem LAN-Manager-Netz zu betreiben. Wie Tensil mitteilte war Mail-Client jedoch nicht in Novell-Netzen einsetzbar und ist deshalb entfernt worden. Das Tool soll aber separat angeboten werden.