Software AG umreißt neuen Typ des Informationsmanagers:

Dornröschenschlaf in der Org/DV beenden

09.11.1984

MÜNCHEN (CW) - Die Datenverarbeitung ist tot - es lebe die Informationsaufbereitung. Mit dieser Aufforderung wendet sich Diplom-Kaufmann Manfred Röttger von der Software AG, München. an die seiner Meinung nach ins Kreuzfeuer der Kritik geratenen Org/DV-Leiter. Der herkömmliche Prototyp von Computerspezialisten in diesem Berufsfeld - er fristet laut Röttger in einem Elfenbeinturm aus Bits und Bytes oft ein unerfreuliches Dasein - soll durch einen Informationsmanager ersetzt werden. Der Diplom-Kaufmann begründet diese Auffassung damit, daß eine geschickte Führung der DV-Abteilung nicht im Verwalten aussageloser Massendaten liegt.

Seit langem schon zerbricht sich die Fachwelt den Kopf über die DV-Verantwortlichen in den Unternehmen. Daß eine bedeutende Berufsgruppe derzeit in die öffentliche Diskussion geriet, hat mehrere Gründe. Zum einen ist die herkömmliche DV-Organisation im Unternehmen so angelegt, daß durch die Komplexität dieses Bereichs der Org/DV-Leiter bereits mit Verwaltungsaufgaben ausgelastet ist. Weder kann er sich mit innovativen und konzeptionellen Vorhaben beschäftigen, noch ist er in der Lage, den Realisierungsdurchsatz für die Fachbereiche zu garantieren.

Die Entstehung des Anwendungsstaus ist somit zwangsläufig. Organisation, Programmierung und Rechenzentrum haben ihr Eigenleben entwickelt. Und dies erst recht, wenn sie als Abteilung innerhalb. des Finanz- und Rechnungswesens dahinkümmern. Hinzu kommt, daß sie von einem des DV-Fachchinesisch unkundigen Finanzleiter in der Regel wenig geliebt und nicht unterstützt werden. Als zweiten Grund muß man die einem unermüdlichen Erfindergeist entsprungenen DV-Instrumente nennen.

Sie sind lediglich dazu geeignet, die Kluft zwischen Anwendungsentwicklern und Endbenutzern offen zu halten. Das Schlimmste dabei ist jedoch, daß die DV-Spezialisten mit diesen Instrumenten nicht immer richtig umgehen können. Die bestehenden Anwendungsprogramme sind oft so instabil geworden, daß jede weitere Änderung oder Anpassung beziehungsweise jede neue Bridge zu anderen Anwendungskomplexen den Systeminfarkt nach sich zu ziehen vermag. Die Produktivität der Org/DV-Bereiche muß in diesem Falle zwangsläufig gegen null gehen, weil Pflege, Anpassung und Arbeitsvorbereitung immer mehr Kapazität binden. Die aufkeimende Frage nach der Wirtschaftlichkeit und damit nach dem Nutzen der DV ist ein erstes Beben, das den Stuhl des Org/DV-Verantwortlichen ins Wanken bringen kann.

Weiterer Grund für die konstatierten Mißstände: Die Motivation der DV-Mitarbeiter ist bei der fast ausschließlichen Beschäftigung mit alten und schlecht dokumentierten Programmen auch durch beneidenswerte Gehaltssteigerungen nicht aufrecht zu erhalten. Die schleichende Frustration wird noch durch den zu oft eintretenden und zunehmenden Druck aus den Fachabteilungen verstärkt. So kommt es, daß die Arbeit in dem Org/DV-Bereich keinen Spaß mehr macht.

Die einsetzende Fluktuation von DV-Mitarbeitern erschreckt nicht nur den Personalchef, sondern wirkt sich auch leistungsmindernd auf den Org/DV-Bereich aus. Den entstehenden DV-Personalengpaß versucht jetzt die Berufsgruppe der Headhunter in den Griff zu bekommen. Das Problem Datenverarbeitung hat also langsam begonnen, die Geschäftsführung des Unternehmens zu belasten und damit ist auch dem Dornröschenschlaf des Org/DV-Bereichs ein Ende gesetzt.

Information als Produktionsfaktor

Die skizzierte Entwicklung hat ihre Ursache jedoch nicht nur im Org/DV-Bereich selber, sondern wird auch dadurch gefördert, daß der Unternehmensführung innerhalb der Datenverarbeitung keine ausreichende betriebswirtschaftliche Bedeutung zugestanden wird.

Die Information ist zum Produktionsfaktor geworden - neben Boden, Kapital und Arbeit. Es gibt in der Regel einen Finanz- und einen Personalvorstand - wo aber ist der Informationsvorstand?

Das Managen von Informationen erfordert eine erfahrene und unternehmerisch denkende Führungspersönlichkeit. Im Diebold-Report vom August 1983 ist der Informationsmanager einmal wie folgt beschrieben worden: "Führungspersönlichkeit, Unternehmensstrategie, Hardware- und Softwareplaner, Kommunikationsexperte, Organisationsspezialist, EDV-Revisor, Anwendungsberater etc. Wenn er dieses Anforderungsprofil erfüllt, dann gehört er zu den wichtigsten Personen im Unternehmen - und ohne ihn wird nichts mehr richtig laufen." Damit steht der Informationsmanager im Zentrum der Verantwortung.

Entscheidend für einen erfolgreichen Org/DV-Bereich ist es, daß der Informationsmanager direkt der Geschäftsleitung unterstellt wird. Außerdem muß sich der Informationsmanager ein integriertes Konzept leistungsfähiger DV-Instrumente zulegen. Dazu gehören zum Beispiel LAN-Textverarbeitung, Büroautomatisation, Arbeitsplatzcomputer, Planungs- und Statistik-Datenbanken, eine Terminverwaltung, Data Dictionary. Die Motivation der DV-Mitarbeiter schließlich ist durch einen kooperativen Führungsstil, eine klare Aufgaben- und Kompetenzstruktur und eine leistungsorientierte Teamorganisation zu erreichen.

Es ist ein offenes Geheimnis, daß DV-Mitarbeiter einen hohen Leistungswillen besitzen, der durch Entwicklungsaufgaben eher zufriedengestellt werden kann als durch sinnlose Wartungs- und Änderungstätigkeiten. Das gesammelte Know-how der DV-Mitarbeiter ist eine wichtige Komponente des Produktionsfaktors Information. Wenn sie effektiver eingesetzt wird, dann mißt man den Org/DV-Bereich auch nicht mehr nur an seinen Kosten. Manch unsinnige Entscheidung wäre zum Beispiel beim Mikroeinsatz im Fachbereich zu verhindern gewesen, wenn man die eigenen DV-Spezialisten zu Rate gezogen hätte.

Welche Ziele und Aufgaben lassen sich nun daraus für den zukünftigen Informationsmanager ableiten? Da mit Sicherheit rund 95 Prozent der benötigten Informationen in einem Unternehmen selbst vorhanden sind, müssen sie nur sinnvoll in das DV-System integriert werden. Deshalb sollte der Informationsmanager folgende Dinge realisieren:

- Zusammenführung der anwendungsbezogenen Datenbestände zu einem integrierten Informationssystem des Unternehmens;

- Umwandlung der herkömmlichen Datenverarbeitung in eine entscheidungsorientierte Informationsaufbereitung;

- Innovation der eingesetzten Informationstechnik;

- Verbesserung der fachbereichbezogenen Datenverarbeitung zu einer qualitativen Informationsaufbereitung für die Unternehmenssteuerung

- Übernahme der Verantwortung für Stellenwert und Qualität der Informationsaufbereitung im Unternehmen.

Durch die genannten Punkte ergibt sich eine deutliche Aufgabenverschiebung vom Org/DV-Leiter zum Informationsmanager. Gesucht ist also der Manager, der imstande ist, die immer größer werdende Zahl von DV-Spezialisten zu führen. Dabei hat die Informationsverarbeitung in einem Unternehmen heute die gleiche Bedeutung wie die übrigen Funktionen. Der neue Produktionsfaktor kann nur von einer Führungspersönlichkeit wirtschaftlich gesteuert werden, die strategisch, dispositiv und operativ zugleich denken und handeln kann. Managen heißt: die vorhandenen Informationen kreativ zum Vorteil des jeweiligen Unternehmens aufbereiten.