Dokumenten-Management/Vobis und Infosoft entwickelten neues Beleg- Erfassungs-Tool Vorgangsbearbeitung von zwei Wochen auf zwei Tage gekuerzt

15.09.1995

Von Reiner Kappus*

180 Filialbetriebe der Vobis AG archivieren und dokumentieren nicht - wie es nahegelegen haette - auf dem von SAP empfohlenen Weg, sondern mit dem Produkt "Easys", das im Vergleich zur SAP- Loesung zusaetzlich ueber Workflow-Funktionalitaeten verfuegt. Die Handelskette arbeitet in diesem Sektor inzwischen voellig papierlos.

Die Vobis Mikrocomputer AG zaehlt zu den fuehrenden PC-Anbietern in Deutschland und verarbeitet taeglich riesige Mengen an Eingangsrechnungen. Das zentrale Rechnungswesen bearbeitet die Vorgaenge heute voellig papierlos. Die Vorteile liegen in einer verbesserten Auskunftsfaehigkeit bei Rueckfragen sowie einer deutlich reduzierten Durchlaufzeit der Verarbeitung.

Im Jahr 1993 entschied sich die Vobis AG fuer den Einsatz von SAP R/3 im Rechnungswesen. Dessen Komplexitaet fuehrte schon bald nach der Einfuehrung zu Engpaessen beim Erfassen und Verarbeiten der Eingangsrechnungen. Das Erfassen erstreckte sich ueber bis zu drei Bildschirmseiten fuer einen Vorgang.

Weitere Arbeitsgaenge waren erforderlich

Neben dem eigentlichen Erfassen der Buchungsdaten verzoegerte das papierbasierte Bearbeiten die Durchlaufzeit erheblich. Der Originalbeleg wurde von Bearbeiter zu Bearbeiter weitergereicht. Die Rechnungsfreigabe erfolgte oft viele Tage nach dem Posteingang. Dies fuehrte unter anderem zu Skontoverlusten. Weiterhin war die Auskunftsfaehigkeit der Sachbearbeiter im Falle von Rueckfragen eingeschraenkt, da sie keine Information ueber den aktuellen Stand und den Aufbewahrungsort des Originalbelegs hatten.

Schnell wurde man sich im Rechnungswesen klar darueber, dass eine moderne Vorgangssteuerung noetig war. Man versuchte nun zunaechst auf Basis der von SAP empfohlenen Vorgehensweise unter Nutzung der Archive-Link-Schnittstelle eine Vorgangsbearbeitung aufzubauen. Diese konnte zwar das optische Archiv integrieren, doch reduzierte sich das aufwendige Erfassen der Buchungsdaten dadurch nicht. Im Gegenteil, es waren weitere Arbeitsgaenge erforderlich, die zu umfangreichen organisatorischen Umstrukturierungen, jedoch keiner Reduktion der Durchlaufzeiten fuehrten.

Man entschloss sich daher, nicht den von SAP empfohlenen Weg zu gehen, sondern ein optisches Archivierungssystem mit Workflow- Funktionalitaet zu suchen, das die Nachteile der Datenerfassung in SAP ausschloss. Nach umfangreicher Produktbetrachtung fiel die Entscheidung auf das elektronische Archivierungssystem Easys von Infosoft Computersysteme GmbH. Das Koblenzer Unternehmen konnte bereits gute Erfahrungen und Referenzen im Bereich des Handels vorweisen.

Zusammen mit Vobis entwickelte Infosoft ein neues Modul zur Rechnungserfassung und -bearbeitung. Die elektronische Archivierung der Eingangsbelege war dabei ein "Abfallprodukt". Bei der Realisation achtete man stets darauf, bestehende Systemstandards von Easys zu erhalten. So ist heute eine Recherche nach Dokumenten aus dem Standardsystem heraus jederzeit moeglich, auch wenn der Vorgang im Modul EA-RP bereits lange abgeschlossen und die Daten in SAP R/3 bereits verbucht sind. Dies verschafft somit auch solchen Benutzern eine Zugangsmoeglichkeit zum Originalbeleg, die nicht Anwender von R/3 sind. Taeglich werden nun bis zu 3000 Vorgaenge eingescannt. Dabei werden logische Belegstapel gebildet. Anschliessend stehen die digitalen Belege zur Weiterverarbeitung zur Verfuegung.

Die Papierbelege werden nicht mehr weiterbearbeitet. Nach dem Durchlauf eines Vorgangs sind sie bereits vernichtet. Alle weiteren Bearbeitungsschritte erfolgen anhand des eingescannten Belegs.

Eine Vorerfassung erfasst einige Eckdaten des Belegs. Anhand der Kreditorennummer findet zum Beispiel eine Verteilung der Belege an bestimmte Sachbearbeiter statt. Da man nicht direkt auf die SAP- Tabellen zugreifen konnte, pflegt Easys eigene Referenztabellen. Diese werden in periodischen Abstaenden aus R/3 aktualisiert. In der Vorerfassung fuegt man die einzelnen Seiten zu Vorgaengen zusammen.

Die Erfasser bearbeiten anschliessend ihren elektronischen Postkorb selektiv. Damit ist es moeglich, bestimmte Vorgaenge mit besonderer Prioritaet vorab einzugeben. Man wahrt somit Skontofristen oder kann durch das Bearbeiten mehrerer Belege eines Kreditors den Erfassungsaufwand reduzieren.

"Die Bearbeitungszeit eines Vorgangs konnten wir von mehr als zwei Wochen vor Systemeinfuehrung auf zwei bis drei Tage reduzieren" berichtet Wilhelm Leyer, Leiter des Rechnungswesens bei Vobis. Trotz anfaenglicher Probleme mit der Performance moechte er heute das System nicht mehr missen.

Die grossen Belegmengen sowie die hohe Benutzeranzahl erforderten eine staendige Optimierung des Datenbanksystems. Die Handelskette arbeitet mit einer Sybase-Datenbank auf einem Novell-Server. Die Speicherung der Bilddaten erfolgt auf WORMs, die in einer Jukebox mit 120 Cartridges aufbewahrt werden. Derzeit arbeiten zirka 70 Benutzer mit dem System.

Alle Eingaben in einer Maske

Bei der Datenerfassung liegt der Schwerpunkt auf hohem Benutzerkomfort und schneller Erfassung. So kann man zum Beispiel eine Lupe definieren, die dynamisch einen Erfassungsbereich vergroessert darstellt. Umfangreiche Plausibilitaetspruefungen reduzieren die Fehlerhaeufigkeit beim Erfassen. Hierbei wurde konsequent die Logik des SAP-Systems uebernommen. Der grosse Vorteil ist jedoch, dass alle Eingaben in einer Maske zu erfassen sind. Ein Blaettern durch mehrere Masken entfaellt. Der Durchsatz an Belegen erhoeht sich damit deutlich.

Heute lassen sich alle Arten von Belegen verarbeiten. Sowohl Anlagenrechnungen als auch Belege, die Aufteilungsbuchungen erfordern, sind moeglich. Alle erfassten Daten werden anschliessend zur Verbuchung in R/3 in eine sogenannte Batch-Input-Mappe gestellt. Diese wird von R/3 abgearbeitet und verbucht.

Bei Vobis ging man jedoch noch einen Schritt weiter. Neben der Verbuchung der Belege sollte die Freigabesteuerung ebenfalls systemgestuetzt erfolgen. Frueher wurde jeder Beleg in Papierform zum Kostenstellenverantwortlichen gebracht. Dieser gab die Rechnung zur Zahlung frei oder monierte sie, falls sie fehlerhaft war. Nach der Rechnungspruefung erfolgte der Ruecktransport des Papierbelegs per Hauspost in das Rechnungswesen. Dort wurde der Beleg entweder manuell in R/3 zur Zahlung freigegeben, storniert oder neu erfasst.

Die Infosoft-Loesung sieht eine automatische Steuerung der Belege zur Zahlungsfreigabe vor. Der Rechnungserfasser entscheidet bereits bei der Datenerfassung darueber, wer den Beleg zur Freigabe erhaelt. Die Auswahl wird durch das System anhand von Tabellen vorgenommen. Der Erfasser hat ausserdem die Moeglichkeit, den Empfaenger manuell zu bestimmen. Somit entfielen nicht nur Transportzeiten, sondern man reduzierte auch die Moeglichkeit des Fehlleitens und des "mysterioesen" Verschwindens von Belegen. Ein wichtiger Aspekt bei der Loesung ist die Tatsache, dass das Dokument tatsaechlich nur ein einziges Mal in digitaler Form existiert. Alle Arbeitsschritte referenzieren immer nur das Image. Somit sind sehr gute Antwortzeiten zu erzielen.

Die Rechnungspruefung nimmt nun die Zahlungsfreigabe durch Wiederholung des Betrags vor. Der Pruefer gibt ihn ein und quittiert mit seiner "elektronischen Unterschrift" den Vorgang. Sollte es zu Fehlerfassungen oder zu falschen Belastungen gekommen sein, hat er die Moeglichkeit, den Vorgang wieder umzuleiten. Er kann eine Stornierung herbeifuehren, wodurch der Beleg zurueck zur Erfassung gelangt, oder eine Belastungsanzeige erzeugen. Automatisch wird ein entsprechender Buchungssatz erstellt und ein Schreiben an den Lieferanten generiert. Alle Bearbeitungsschritte werden protokolliert, Bearbeitungshinweise als sogenanntes elektronisches "Post-it" dem Vorgang mitgegeben. So ist auch die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern in bezug auf Bearbeitungshinweise jederzeit moeglich.

Der verantwortliche Projektleiter bei Vobis meint zum heutigen Stand des Systems: "Die Akzeptanz des Systems im gesamten Haus ist sehr hoch. Anfaengliche Schwierigkeiten in der Einfuehrungsphase wurden in Kauf genommen, da man sich der Potentiale des Systems bewusst war." Die Erfahrung aus dem Projekt zeigt, dass man die Mitarbeiter schon waehrend der Systemgestaltung miteinbeziehen sollte. So fliessen praktische Erfahrungen ein, und die Akzeptanz steigt. Das System steht mittlerweile als Modul EA-RP auch anderen Anwendern zur Verfuegung.

Man nutzte die Offenheit des Systems

Bei der Vobis-Loesung nutzte man die Offenheit des SAP-Systems, um bestehende Unschoenheiten in optimaler Weise zu umgehen. Neben der Vorgangsbearbeitung im Bereich Rechnungswesen wird die elektronische Archivierung zur Ablage aller Kassenberichte der zirka 180 Filialen eingesetzt, wo das zu archivierende Volumen mehr als 2000 Belege taeglich betraegt.

* Reiner Kappus ist Geschaeftsfuehrer der Infosoft in Koblenz