Dokumenten-Management-Systeme verwalten transparent

Dokumenten-Management-Systeme verwalten transparent "Speichern unter" braucht den Benutzer nicht mehr zu kümmern

19.03.1999
Dokumenten-Management gilt heute als zentrale Technik, sollen die in einem Unternehmen angesammelten Informationen effektiv genutzt werden. Frank Schick* beschreibt, daß es dabei um mehr geht als um die mit Verwaltungsfunktionen erweiterten Editierprogramme.

Die Schaltzentrale für die Erstellung, Verteilung und Archivierung von Belegen (Angebote, Aufträge, Lieferscheine, Rechnungen, Schriftverkehr, Telefaxkopien etc.) in einem Unternehmen bildet das Dokumenten-Management. In dieser Betrachtungsweise stehen schriftliche Unterlagen mit Personen und anderen Objekten eines Geschäftsprozesses in Verbindung: mit Bearbeitern und deren Vertretern, mit Entscheidern, mit organisatorischen Strukturen eines Unternehmens (Hierarchien), mit anderen Dokumenten sowie mit Kunden und Lieferanten.

Außerdem unterliegt jedes an einen Geschäftsprozeß gebundene Schriftstück einem Lebenszyklus, der im wesentlichen in die Stufen "Planung, Entwurf und Erstellung" sowie "Weitergabe und Verteilung" bis hin zur "Ablage und Archivierung" unterteilt werden kann. Auf jeder dieser Stufen steht das Dokument in Verbindung zu anderen Unternehmensobjekten - alle Beziehungen zusammen ergeben den Geschäftsprozeß. Nicht zuletzt die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Kommunikationstechnologie (E- Mail, Internet etc.) haben die Notwendigkeit für ein integriertes Dokumenten-Management unterstrichen, sie haben aber auch die Voraussetzungen dafür entscheidend verbessert.

Nach außen nicht transparent

An ein Dokumenten-Management sind mehrere Anforderungen zu stellen. Dazu gehören die Integration von Dokumenten unterschiedlicher Herkunft, deren Verbindung zu den Ressourcen eines Unternehmens sowie die Abbildung von Geschäftsprozessen im Rahmen eines Workflow. Ein leistungsfähiges Dokumenten-Management muß daher die Schriftstücke in einer konsistenten, nach außen nicht transparenten Struktur verwalten. Ob dabei das Dokument tatsächlich als File, als Datensatz oder als Verweis auf ein anderes File behandelt wird, braucht den Anwender nicht zu interessieren.

Anders als bei einem einfachen Dateisystem soll die Technik der Speicherung ganz von der Applikation übernommen werden und muß dem Benutzer verborgen bleiben, damit willkürliche Änderungen und Eingriffe erst gar nicht möglich sind. Der Anwender typisiert das Dokument, weist Schlagworte oder Suchbegriffe zu (sofern die Software dies nicht automatisch übernimmt), das System verwaltet es und sorgt auf einer tieferen Schicht für die Speicherung an einem geeigneten Ort.

Moderne Dokumenten-Management-Systeme (DMS) sind daher nicht einfach die Weiterentwicklung oder Verbesserung bisheriger Textverarbeitungssoftware. Sie bieten einen ganz neuen Ansatz, der in den billigen Dokumenten-Tools für wenige hundert Mark überhaupt nicht realisiert ist. Bei diesen Produkten wurde in den letzten Jahren lediglich über eine Technologie der 70er Jahre eine raffinierte Editier- und Darstellungsmethode gestülpt, die grundlegenden Schwächen des Text-File-Konzepts jedoch nicht beseitigt.

Die Aufnahme eines Dokuments in das DMS darf für den Anwender nicht aufwendiger sein als das gewohnte Speichern eines Schriftstücks. Moderne Dokumenten-Management-Systeme setzen daher oft auf Textverarbeitungsprogramme auf, indem sie diese als Editierwerkzeug verwenden, jedoch den herkömmlichen "Speichern- unter"-Befehl beispielsweise durch den automatischen Eintritt ins DMS ersetzen.

Basis einer DMS-Lösung muß die Integration in ein Datenbankmodell sein. Hier erfolgt die Zuordnung zu Arbeitsprozessen, zu anderen Dokumenten, Benutzern und Benutzergruppen. Dokumentenhistorien, Versionskontrollen und Suchalgorithmen ergeben sich daraus ganz von selbst. Insofern ist auch die Prozedur "Datei öffnen" der Textverarbeitung entsprechend zu ändern.

"Öffnen" und "Speichern" bilden die natürlichen Schnittstellen zwischen Texteditiersoftware und Dokumenten-Management. Meist läßt sich solch eine Integration über die Makrosprachen der jeweiligen Text- oder Kalkulationssoftware programmieren, bei MS-Office etwa über Visual Basic für Applikationen. Einige DMS-Anbieter haben sich mittlerweile in Form von Open Document Management (ODMA) auf einen gemeinsamen Standard zur Integration in eine Dokumentenverwaltung geeinigt. Sollte sich diese Schnittstelle in der Anwendungssoftware durchsetzen, kann sie auf ihrem Sektor eine Bedeutung erlangen, die durchaus mit der von ODBC im Bereich der strukturierten Daten vergleichbar ist.

Die einem DMS zugrundeliegende Datenbank enthält in der Regel nicht die Dokumente selbst, sondern nur die Metadaten, auf deren Basis das System auf das Dokumenten-File zugreift. Die Trennung hat ihren Sinn: Sie verbessert Performance, Interoperabilität und Flexibilität eines DMS. Der wirkliche Dateiname wird dann vom System automatisch erstellt, während der Benutzer mit einer ausführlichen Dokumentenbeschreibung arbeitet.

Workflow soll Prozeßdynamik erfassen

Auch auf dem Sektor Dokumenten-Workflow gilt es, neue Wege zu beschreiten. "Weiterleitung", dieser angestaubte Begriff aus der Welt der Ablagemappen und Hängeordner, erfaßt die Dynamik eines Prozesses nur sehr ungenau. Es ist nicht damit getan, bearbeitete Dokumente mittels E-Mail zum Kollegen zu schieben. Die einzelnen Phasen müs-sen zeitabhängig oder aufgabenbezogen vom System aus zu steuern sein. Ist ein Bearbeitungsschritt erledigt, wandert das Dokument (nach Freigabe) automatisch weiter.

Zusätzlich erforderliche Informationen kann das System dann gleich bereitstellen: Ist der Kollege in Urlaub und reicht das DMS deshalb den Vorgang an die definierte Vertretung weiter? In einem solchen Ablauf läßt sich die gesamte Bürotätigkeit deutlich effektiver gestalten, weil die Mitarbeiter von zeitraubenden Organisations- und Kontrolltätigkeiten ihrer eigenen Arbeit weitgehend entlastet werden.

Dabei darf die Außenwirkung einer derartigen Neuorganisation nicht unterschätzt werden: Angebote sind schneller fertig, Reklamationen sofort beantwortet, Entscheidungen und Informationen gleich verfügbar. Kundenorientierung läßt sich mit DMS per Software implementieren, zumindest was die sachlichen Voraussetzungen betrifft.

Mit der gelegentlich zitierten "digitalen Registratur" kann und darf diese Umorientierung nur wenig zu tun haben. Dieser Begriff betont einseitig den Aspekt von Ablage und Wiederfinden, geht also ganz von der Problemlage der File-Text-Welt aus. Modernes Dokumenten-Management stellt den dynamischen Prozeßgedanken in den Vordergrund, die Einbindung der Dokumente in Unternehmensabläufe. Vor diesem Hintergrund ist auch die Rolle der Ablage neu zu definieren.

Ein weiterer Aspekt gilt der elektronischen Archivierung. Die zu archivierenden Dokumente weisen stark unterschiedliche Strukturen auf. Mit der Vergabe von Schlagworten oder Indizes wird versucht, sie übergeordneten Begriffen zuzuordnen. Neben das Dokument treten damit die Metadaten, die außer verwaltungstechnischen Angaben, den Profildaten, Datum der Ablage, Name des Bearbeiters, Aktenzeichen, Kundennummer oder Projektbezeichnung vor allem den Lagerort des Dokuments selbst und die Schlagworte festhalten, die den inhaltlichen Zusammenhang der Dokumente herstellen.

Die Trennung von Dokument und Metadaten ist zwar auch bei traditionellen Papierarchiven üblich, es gibt jedoch keine automatische Verknüpfung zwischen beiden. Aus dem Dokument müssen Schlagworte manuell ins Register übernommen werden, ein aufwendiger Vorgang, der daher auf wenige Begriffe beschränkt bleiben muß. Bei der Suche wird im Register nachgeschlagen und das Schriftstück samt Aktenordner aus dem Regal geholt.

Im digitalen Archiv lassen sich die vorgegebenen Schlagworte automatisch dem Dokument zuweisen, mit der Speicherung am (logischen) Aufbewahrungsort ist die Ablage schon erledigt. Die Metadaten werden einer Datenbank übergeben, die auch komplexe Abfragen erlaubt.

Eine technische Herausforderung der digitalen Archivierung ist die Verarbeitung von analogen Vorstufen. Letztlich entscheidet sich hier, wie effektiv, komfortabel und leistungsfähig ein DMS ist.

CI-Dokumente (CI = Coded Information) enthalten elektronisch lesbare, digitale Informationen. Dazu gehören per Computer erstellte Dokumente etwa aus Office-Programmen, Massendaten aus betriebswirtschaftlichen Lösungen oder aus Warenwirtschaftssystemen. In der Regel liegen nur ausgehende Dokumente als CI-Dokumente vor. Hinzu kommt, daß fast jedes Programm sein eigenes Datenformat unterstützt und so eine Vielzahl unterschiedlichster Formate archiviert werden muß.

NCI-Dokumente (NCI = Non Coded Information) lagen ursprünglich in Papierform vor und werden nun als Grafikdatei eingescannt. Sie benötigen relativ viel Speicherplatz, und die in ihnen enthaltene Information kann nur eingeschränkt für Recherchen verwendet werden. Die meisten eingehenden Schriftstücke und Belege werden als NCI-Dokumente abgelegt. Solcherart transformierte Unterlagen sind nicht identisch mit digitalen CI-Dokumenten.

Die Umwandlung der NCI-Dokumente per OCR erfolgt in zirka 99 Prozent der Fälle korrekt. In der Praxis werden jedoch nur fünf bis zehn Prozent der Schriftstücke per OCR eingescannt, beispielsweise die Korrespondenz oder Prospekte. Nicht geeignet für OCR sind jedoch Eingangsrechnungen oder eingehende Lieferscheine. Hier kommt es auf die hundertprozentig korrekte Erfassung an.

Die Integration von Dokumenten der fortbestehenden analogen Vorstufen ist für den praktischen Erfolg eines DMS entscheidend. Erst ein umfassender Einsatz von EDI würde diese Situation ändern und auch der Archivierung neue Wege eröffnen. Ein DMS könnte dann ohne Medienbruch, also ohne die unvermeidlichen Fehlerquellen etwa bei OCR, operieren. Wann dies soweit sein wird, ist derzeit noch nicht absehbar, so daß sich die Archivierung an den (analogen) Gegebenheiten orientieren muß. Archivierungssysteme müssen daher eine Schnittstelle zwischen den externen Unterlagen und den Files des Unternehmens finden, mit der Dokumente aus verschiedenen Quellen in einem Archiv zusammengeführt werden können.

Herzstück ist der Archiv-Server

Als Leistungsmerkmale moderner Dokumenten-Management-Systeme hat sich eine Kernel- und Server-basierte Mehrprozeßarchitektur herauskristallisiert: Das Kernmodul bildet ein Archiv-Server, der zusammen mit Zusatzmodulen seine Dienste netzwerkübergreifend für berechtigte Anwender zur Verfügung stellt. Datenhaltung und Applikation befinden sich auf zentralen Server-Systemen und können unabhängig auf mehreren Servern verteilt werden. Eine Kernel- und Modulimplementierung garantiert, daß sich das System gut warten und um technologische Neuerungen ergänzen läßt.

Weitere Merkmale sind die parallele Unterstützung von relationalen Datenbank-Management- und von professionellen Volltext- Suchsystemen. Gefordert wird auch eine vollständige Parametrisierbarkeit und hohe Flexibilität: Ein DMS sollte sich nahtlos den gewachsenen Abläufen und der gegebenen Infrastruktur eines Unternehmens anpassen. Wie, wo und mit welchen Schlag- beziehungsweise Stichworten die Dokumente verwaltet und archiviert werden, bestimmt allein der Anwender. Dabei sind alle Einstellungen jederzeit änder- und ergänzbar, ohne daß bereits abgelegte Dokumente neu erfaßt werden müssen.

Unabhängigkeit durch Java-Oberfläche

Weitere DMS-Features sind:

-die Verwaltung nahezu aller Arten von Dokumenten wie Ausgangs- und Eingangsbelege, Bilder, Texte, Schriftverkehr, Videoaufzeichnungen und Tonaufnahmen;

-Sicherheitssystem und Versionskontrolle (der Zugriff auf Dokumente am System muß standardmäßig bereits ausgeschlossen sein, eine der wichtigsten Voraussetzungen für die automatische Versionskontrolle);

-darüber hinaus sollte es optional weitere Verschlüsselungsverfahren für Daten und Dokumente bis hin zur Paketverschlüsselung der Kommunikation zwischen Client und Servern geben.

Gefordert wird außerdem die Integration in bestehende Büroanwendungen und Unternehmenssoftware: Durch die perfekte Einbindung in bestehende Office-Applikationen können Benutzer aus ihren Anwendungen wie Word, Excel etc. Dokumente recherchieren, bearbeiten und ihre Arbeit versionskontrolliert an das System übergeben. Das gewohnte Speichern und die Vergabe von Dateinamen entfällt vollständig. Produkte, die einer COM-basierten Architektur folgen, lassen sich so sehr einfach auch in andere Applikationen integrieren. Hersteller betriebswirtschaftlicher Standardsoftware etwa können sämtliche Funktionalitäten eines DMS in eigene Anwendungen einbinden und ihren Kunden Archivierungsfunktionen bieten. Schließlich gewährleisten Front- end-Applikationen für Windows 95,98, NT und Java einen ergonomischen, effizienten und komfortablen Umgang mit einem DMS. Um eine vollständige Plattformunabhängigkeit zu gewährleisten, bietet sich eine in Java erstellte Benutzeroberfläche an.

*Frank Schick ist Vertriebsvorstand bei der daa Systemhaus AG in Hügelsheim bei Baden-Baden.