Workflow/Wenig transparente Preis-Leistungs-Verhältnisse

Dokumenten-Management hat das Web gerade erst entdeckt

04.09.1998

Die Zahlen über das jährliche Marktvolumen für Dokumenten-Management-Systeme (DMS) in Europa sind imposant, wenn auch nicht übereinstimmend: Auf 4,5 Milliarden Markt schätzt es das Fraunhofer-Institut IAO, über 5,5 Milliarden Mark prognostiziert der International Infor- mation Management Congress (IMC). Für das Jahr 2000 gilt ein Jahresumsatz bis zu zehn Milliarden Mark als erreichbar.

Darin enthalten sind sämtliche Ausgaben für Imaging-, Archiv-, Workflow-, Cold-, Retrieval- und Groupware-Systeme einschließlich der jeweiligen Dienstleistungen. Die Zahl der verfügbaren Lösungen ist inzwischen dreistellig, obwohl der eigentliche Durchbruch für das Dokumenten-Management-Geschäft noch auf sich warten läßt.

Verhinderer eines universellen DMS-Einsatzes im Netz ist momentan noch das Management: Sicherheitsfragen etwa zum Thema Firewall und die Furcht, gewohnte Abläufe zu verändern, werden hier vorrangig als hemmend genannt. Daneben beklagen viele Anwenderunternehmen das Fehlen einer entsprechenden Geschäftsstrategie. Testlösungen werden zwar installiert, anschließende vertrauenschaffende Referenz-Implementierungen dann aber doch auf die lange Bank geschoben.

Beobachter wie etwa der Verband Optischer Informationssysteme (VOI) erwarten einen spürbaren Schub für DMS erst dann, wenn die Anwender ihre Umstellungsprobleme auf das Jahr 2000 und den Euro gemeistert haben. Trendtechniken wie Internet und Intranets wirken dabei wie ein Katalysator.

Über Standard-Browser wird die Suche nach Informationen und deren Bearbeitung in unternehmensweiten Netzen möglich. Noch mehr Bedeutung hat der DMS-Einsatz für die Verbesserung des Kundenservice. Die meisten Anbieter haben das erkannt und ihre DM-Lösung in das Internet eingebunden. Zumindest Standardfunktionen wie Informationssuche oder -anzeige sind integriert.

Einige Hersteller können mittlerweile mit Features zur Informationsbearbeitung aufwarten. Das ist auch nötig, wenn beispielsweise die Prognose des Bundesministeriums des Innern zutrifft, daß für den elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehr die Chipkarte mit einem privaten Signaturschlüssel an die Stelle des Füllfederhalters treten wird.

Beim Web-Zugriff sind die Funktionen "Logon", "Query" und Auswahl von Dokumenten ebenso wie das Retrieval allgemeiner Standard. Unterschiede bei den Produkten ergeben sich jedoch, wenn Dokumente bearbeitet ("Check-out") und wieder eingestellt ("Check-in") werden sollen.

Hersteller wie Filenet, IBM, Inconcert, Novasoft und PC-Docs können diese Funktionalität bieten, während andere noch daran arbeiten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß beide Funktionen nur für DMS, nicht jedoch für reine Archivlösungen relevant sind.

Außerdem bestücken verschiedene Anbieter ihre Produkte mit diversen Zusatzwerkzeugen, die sie besonders stark bewerten. Den Mehrwert solcher Erweiterungen muß der Interessent selbst beurteilen. Er läßt sich aus der Situa- tion des einzelnen Anwenders als marginal oder aber als besonders hoch, etwa hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit, einstufen.

Die Mehrzahl der Produkte unterstützt die Web-Server von Microsoft und Netscape. Analog sind die Browser "Internet Explorer" und "Navigator" verwendbar. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die Hersteller zwar gezwungen sehen, eine positive Aussage zum Thema Internet zu treffen, die Produktreife vielfach aber damit nicht Schritt halten kann.

Oft befinden sich die Lösungen im Stadium von demofähigen Kernfunktionen. Von umfangreichen Anwendungsmöglichkeiten, vergleichbar mit denen der Fat-Client-Software, kann derzeit meist nicht die Rede sein. Die Preise für die verfügbaren DMS-Web-Versionen sind nicht allzu transparent, da oft neben einem Grundbetrag benutzer- oder volumenabhängige Gebühren verlangt werden.

Nicht ganz so schnell wie bei den Trendtechniken bewegt sich die DMS-Branche im Bereich der Standards Open Document Ma- nagement API (ODMA) und Document Management Alliance (DMA). ODMA besteht zwar aus funktionalen Kompromissen, bietet aber dennoch unbestreitbare Vorteile für alle Beteiligten. Entsprechend wächst die Zahl der ODMA-kompatiblen Lösungen.

Bei den DMA-Definitionen beenden nun die ersten Produktankündigungen die lange Phase der Vorbereitung. Dieser Standard tangiert in erster Linie die Anwender, die mehrere DM-Lösungen haben und diese systemübergreifend nutzen wollen. Angesprochen sind zum Beispiel Großunternehmen mit unterschiedlichen Geschäftsbereichen und Standorten.

Der Dokumenten-Manager

Paul Carman, President und CEO des International Information Management Congress (IMC): "Es ist zu erwarten, daß die meisten Anbieter innerhalb der nächsten drei Jahre Internet-fähige DMS-Produkte auf den Markt bringen werden - große Player wie IBM, Eastman Software oder Filenet haben dies schon getan. Das bedeutet, daß der Aufbau eines lokalen Netzwerks (LAN) entbehrlich wird und durch Intranets oder Extranets ersetzt werden kann. Diese Technologie ist die wesentlich billigere Alternative, so daß man von einem zusätzlichen Marktschub ausgehen kann.

Eine Hürde für die zügige DMS-Marktdurchdringung ist allerdings immer noch die verbreitet mangelnde Kenntnis dieser Technik. Weitere kritische Faktoren sind fehlende Ausbildung und Training. Das eigentliche Problem liegt jedoch beim Ma- nagement, das heute gezwungen ist, mit dem raschen Technologiewandel Schritt zu halten. Der IMC-Kongreß versucht immer wieder, alle Elemente dieser Technologien zu vermitteln. Aber das möchten die Manager nicht hören. Sie wollen lediglich wissen, was ein System leistet, um einen Wettbewerbsvorsprung zu erzielen."

Angeklickt

Es geht beim Thema Workflow nicht nur darum, Aktenberge wegzubekommen, indem man ihre Bearbeitung und Weiterleitung elektrifiziert. Ein Bestandteil der Aufgaben ist der Informationsaustausch zwischen Personen, die räumlich getrennt an denselben Vorgängen arbeiten. Partnerunternehmen, Kunden oder im Falle von Behörden auch Bürger und räumlich entfernte Verwaltungsabteilungen einzubeziehen ist ein Ziel vieler Anwender. Damit sind Internet und Intranets in die Diskussion gekommen.

Norbert Henkel ist freier Journalist in Baden-Baden. Bernhard Zöller ist Unternehmensberater in Frankfurt am Main.