Zuverlässiger Weg der Rationalisierung:

Dokumentation macht die EDV personenunabhängig

09.12.1977

Dokumentiert wurde seit eh und je. Aber meist so, daß Quantität und Qualität viele Wünsche offenließen. Seit Jahren soll das besser werden. Ist es besser geworden? Die Zahl derer, die an dieser Stelle überzeugt "Ja" antworten, wird nicht sehr groß sein. Zumal es um die konsequente Einführung einer allgemeinen, systematischen Dokumentation geht.

Die Schwierigkeit beginnt schon bei der Begriffsdefinition. Jeder versteht unter einem EDV-Dokumentationssystem etwas anderes. Während die eine EDV-Abteilung noch stolz auf ein Archiv verweist, in dem die aktuellen Umwandlungslisten sauber beschriftet und sortiert abgehängt sind, bereitet sich ein anderer Anwender bereits auf den Einsatz eines umfassenden, weitgehend automatisierten Bibliothekssystems mit Abfragesprache auf Datenbankgrundlage vor.

Worauf können wir uns einigen, wenn wir von einem Dokumentationssystem sprechen?

Es muß sich vor allem wirklich um ein System handeln, also um eine systematische und keine sporadische. individuelle Dokumentation. Der Umfang des notwendigen Dokumentationssystems richtet sich nach Größe und Struktur der vorhandenen und der geplanten EDV-Anwendungen. Greifen diese Anwendungen so weit in die Ablauforganisation des Unternehmens ein, daß ein Herauslösen, ein Betriebsablauf ohne sie nicht mehr möglich ist, dann ist das Dokumentationssystem für das Unternehmen lebenswichtig! Begrenzt wird der Umfang des Dokumentationssystems durch das Kriterium der Wirtschaftlichkeit, wobei der vertretbare Kostenaufwand für die Dokumentation an deren Bedeutung für einen gesicherten Betriebsablauf zu messen ist.

Einfacher zu beantworten ist die Frage nach der Art der zu dokumentierenden Elemente und Merkmale: Es ist alles zu dokumentieren, was erforderlich ist, um die personenunabhängige Transparenz der EDV-Anwendungen jetzt und künftig zu gewährleisten. Diese Transparenz ist dabei nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Wartbarkeit, sondern auch in Hinblick auf Datenschutz und Datensicherung zu sehen.

Zwei große Gruppen zu dokumentieren

Wir können die zu dokumentierenden Merkmale in zwei große Gruppen einteilen:

- Datenbezogene Elemente: Datenbanken, Dateien, Datensätze, Segmente, Formate, Kontrollblöcke, Informationsgruppen, Datenfelder, Druckausgaben, Schlüssel.

- Programmbezogene Elemente: Projekte, Programme, Moduln, Unterprogramme, Markos, Proceduren Strukturen.

Innerhalb der beiden Gruppen und zwischen ihnen gibt es verschiedenartige Beziehungen, die durch entsprechende Querverweise dargestellt werden müssen.

Die Aufgabenstellung ist damit einigermaßen umrissen. Von welchem Iststand können wir ausgehen?

Wie erwähnt, ist der Entwicklungsstand bei der Dokumentation von Anwender zu Anwender äußerst verschieden. Wir können aber einen Minimalstatus unterstellen, wonach bei jedem Anwender mindestens vorliegen:

Datenbezogen:

- Eine Auflistung der Dateien (Dateiverzeichnis) oder der Datensätze (Satzverzeichnis)

- Eine Datenfeldbeschreibung

- Ein Formularverzeichnis oder eine Formularsammlung.

Programmbezogen:

- Ein Programmverzeichnis

- Die Programmbibliothek (Programme im Maschinencode - ablauffähig)

- Die Programme im Quellencode (Lochkarten, Umwandlungslisten. Source-Bibliothek) .

Daneben sind wohl bei den meisten Anwendern Unterlagen aus nachfolgender Aufstellung mit jeweils sehr unterschiedlichem Vollständigkeitsgrad und ebenso unterschiedlicher Aktualität vorhanden:

- Einzeldokumentation zu Programmen (Analysen, Datenflußdiagramme, Ablaufdiagramme, Beschreibungen, Entscheidungstabellen)

- Sammeldokumentation zu Systemen, Komplexen, Programmen

- Ausführungsanweisungen.

Auch hier: Eigenbau oder Standardpakete?

Anhand der gegebenen Anforderungen und auf der Grundlage des Iststandes ist nun ein Dokumentationssystem zu konzipieren und einzuführen. Die Frage lautet auch hier: Eigenbau oder Standardsoftware? Auf dem Softwaremarkt werden vom Data Dictionary über Dokumentationshilfen bis zum kompletten, perfekten Bibliothekssystem mit Abfragesprache Produkte angeboten, die Teilbereiche oder die gesamte Dokumentation (sogar unter Einschluß der über die EDV-Dokumentation hinausgehenden Dokumentation von Organisationsabläufen) abdecken. Solche Systeme sind teilweise automatisiert, das heißt, sie verfügen zunächst über Möglichkeiten, um vorhandene Datensammlungen maschinell auszuwerten. Die so gewonnenen und durch - je nach System mehr oder weniger umfangreiche - manuelle Eingaben ergänzten Informationen werden in vom System angelegten Dateien gespeichert und mit maschineller Unterstützung gewartet. Sie können nach festgelegten Konventionen oder bei Verwendung einer Abfragesprache auch nach momentanen Anforderungen entweder über Druckausgabe oder on line abgefragt werden.

"Do it yourself" hat weniger Komfort

Alternativ haben wir die Möglichkeit, das Dokumentationssystem selbst zu entwickeln. Der Anwender, der dies ins Auge faßt, muß sich darüber im klaren sein daß er sich mit einem verhältnismäßig einfachen System begnügen muß oder daß seine Aufwendungen letzten Endes nicht wirtschaftlich sind, verglichen mit dem Kaufpreis eines angebotenen Standardprodukts.

Der kommerzielle Anwender kommt angesichts der immer komplexer werdenden Softwareprodukte nicht mehr um ein Dokumentationssystem herum. Und er tut gut daran, die Entscheidung über das einzuführende System nicht zu lange aufzuschieben. Das System muß die notwendigen Anforderungen abdecken, es muß aber auch wirtschaftlich vertretbar sein. Natürlich darf die Dokumentation nicht zum Selbstzweck ausarten. Bei der Untersuchung der Kosten des Dokumentationssystems ist zu beachten, daß eine umfassende, aktuelle und zuverlässige Dokumentation auch ein wichtiger Beitrag zur Rationalisierung der Datenverarbeitung sein kann (Grochla: Dokumentation - ein zuverlässiger Weg der DV-Rationalisierung - CW vom 18. 2. 77). Das Ziel muß sein, eine Methode zur möglichst weitgehend computerunterstützten, formalisierten, permanenten Dokumentation zu finden, die auch den Anforderungen der Zukunft gewachsen ist.

* M. Wieland ist EDV-Leiter in München.