Doag: Oracle vernachlässigt den Support

15.11.2007
Fried Saacke, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag), erläutert im Gespräch mit CW-Redakteur Martin Bayer, warum die Kunden nach wie vor mit dem Oracle-Support unzufrieden sind.

CW: Wie steht es um die Supportqualität von Oracle?

Doag-Konferenz 2007

Die 20. Auflage der Jahreskonferenz der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag) findet in diesem Jahr am 21. und 22. November im Congress Center in Nürnberg statt. Fest integriert in die Veranstaltung ist die 5. Oracle-Business-Software-Anwenderkonferenz. Schwerpunktthemen der Konferenz sind die neue Datenbankversion 11g sowie die Bereiche Middleware und Applications.

SAACKE: Die Qualität des Oracle-Supports ist in vielen Punkten besser als die des Wettbewerbs. Dennoch gibt es Kritik und Verbesserungspotenzial. Wir spüren nach wie vor, dass unsere Kritik am Service von Oracle nicht ausreichend ernst genommen wird. Dabei stehen wir in Deutschland nicht alleine. Ich befürchte, dass der Support immer noch nicht auf dem Level angekommen ist, den wir uns als Anwender wünschen.

CW: Was macht Oracle falsch?

SAACKE: Früher gab es in jedem Land eine eigene Supportorganisation. Der Service war damit lokal ausgeprägt und persönlich. Heute versucht Oracle, eine höhere Effizienz durch Konzentration in wenige Support-Center zu erreichen. Dabei entstehen aber oft Probleme im Dialog. Ein schlecht Englisch sprechender Supportmitarbeiter und ein unsicherer Anwender aus Deutschland können schwer miteinander kommunizieren. Hinzu kommen kulturelle Differenzen und fehlendes betriebswirtschaftliches Verständnis.

CW: Sieht Oracle diese Probleme nicht?

SAACKE: Fakt ist, dass Oracle einen hohen Anspruch an sich stellt, einen hochwertigen Support zu leisten. Ich vermute jedoch, dass 90 bis 95 Prozent der Fragen, die Oracle gestellt werden, Standardfragen sind: Der Kunde schildert sein Problem, der Supportmitarbeiter sieht in seiner Datenbank nach, schickt dem Anwender einen Patch, und das Problem ist aus der Welt. Es gibt jedoch einen gewissen Prozentsatz an Fragen, die Oracle nicht ad hoc beantworten kann.

CW: Was passiert dann?

SAACKE: Oracle muss erst einmal Aufwand in die Analyse stecken, um das Problem einzugrenzen. Der Ball geht immer wieder zwischen dem Kunden und Oracle hin und her. Nach acht Stunden übernimmt bei einer hohen Priorität der nächste Supportmitarbeiter den Fall. Dann kann es passieren, dass dem Anwender die gleichen Fragen noch einmal gestellt werden. Spätestens jetzt sind die Kunden unzufrieden, weil sie sich nicht richtig wahrgenommen fühlen. Der Bereich der komplexeren Störungen wird von Oracle nicht vernünftig abgehandelt.

CW: Dann konzentriert sich Oracle im Grunde nur auf die 08/15-Probleme der Nutzer?

SAACKE: Oracle hat seine gesamte Supportorganisation daraufhin optimiert, die Standardprobleme schnell und effizient zu lösen. Da ist Oracle sicher gut und viel besser als der Wettbewerb. Die Firma stellt eine enorme Wissensdatenbank zur Verfügung. Damit verfolgt Oracle allerdings auch eigene Interessen. Alles, was der Kunde alleine löst, kostet den Hersteller kein Geld. An den Stellen, wo ein Dialog gefordert ist, wird es dagegen schwierig. Allerdings muss ich einräumen, dass die IT mittlerweile so komplex geworden ist, dass es zunehmend schwieriger wird, Probleme zu lösen. Trotzdem muss sich das Unternehmen dieser Herausforderung stellen.

CW: Eine andere Herausforderung, mit der Oracle aktuell zu kämpfen hat, ist die Fusion-Entwicklung. Die Doag hat immer wieder gefordert, tiefere Einblicke in Fusion zu bekommen. Sind Sie damit auf offene Ohren gestoßen?

SAACKE: Ehrlich gesagt bekommen die User Groups nicht mehr Informationen als jeder andere Kunde auch. Es hat außerdem den Anschein, dass Oracle seine Termine still und heimlich immer weiter nach hinten verschiebt. Ich habe noch Folien vor Augen, wonach für 2008 ein komplettes Fusion-Applications-Release angekündigt war. Jetzt spricht man nur noch von ersten Modulen, die Ende nächsten Jahres herauskommen sollen. Damit stecken wir im Grunde noch in einer sehr frühen Phase.

CW: Wie können Sie sich als User Group in die Entwicklung einbringen?

SAACKE: Wir können einen gewissen Einfluss ausüben, indem wir Wünsche äußern. Dazu gibt es auch international tätige Gremien. Zum Beispiel leitet die Doag einen weltweiten Arbeitskreis, in dem es darum geht, die Lokalisierungsanforderungen festzulegen und zu priorisieren.

CW: Setzt Oracle die Ergebnisse auch um?

SAACKE: Das werden wir erst sehen, wenn die neue Applikationslinie auf dem Markt ist. Derzeit können wir nur versuchen, deutlich zu machen, wie wichtig das ist gerade auch aus dem deutschen Interesse heraus. Die Befürchtungen bei den Anwendern hierzulande sind groß, dass es gerade im Bereich der Lokalisierung wieder Schwächen geben könnte. Wir haben ein großes Interesse daran, dass die künftigen Oracle-Produkte auch tauglich für den deutschen Markt sind.

CW: Sehen Sie denn Abwanderungstendenzen von Oracle-Kunden in Richtung SAP?

SAACKE: Es gibt immer einzelne Kunden, die wechseln, und zwar in beide Richtungen. Aber ich sehe keinen Abwanderungstrend. Im Gegenteil: In den Reihen der Oracle-Community stelle ich ein zunehmendes Vertrauen gegenüber dem Unternehmen fest. Was noch fehlt, sind nachhaltige Erfolge im Neukundengeschäft. Da muss der deutsche Markt noch etwas aufholen.

CW: Wobei Deutschland mit der übermächtigen SAP natürlich auch ein schwieriges Pflaster darstellt.

SAACKE: Nach meiner persönlichen Einschätzung geht Oracle mit Fusion Applications den richtigen Weg. Wenn es Oracle gelingt, seine Versprechen zu halten, nämlich eine SOA-basierende Suite mit offenen Standards und wirklich offenen Schnittstellen auf den Markt zu bringen, dann wird man nahe an die SAP herankommen. Oracle muss allerdings den SOA-Gedanken konsequent zu Ende führen, um alle Applikationen unter einen Hut zu bekommen. Ich gehe davon aus, dass Oracle dann in fünf bis zehn Jahren auf Augenhöhe mit SAP agieren kann.

CW: Was macht Sie da so sicher?

SAACKE: SAP ist betriebswirtschaftlich sehr gut, wird aber immer eine proprietäre Lösung bleiben. Ich sehe keine Anzeichen, die auf das Gegenteil hindeuten. Ich glaube aber, die Welt braucht offene Lösungen auf Basis offener Standards. Wer das anbietet, wird in Zukunft deutlich Marktanteile gewinnen.

Das komplette Interview mit Fried Saacke, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Oracle Anwendergruppe, lesen Sie online unter www.computerwoche.de/1847231.