DMS Expo: Gute Zeiten für die Softwareanbieter

15.09.2008
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Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.
Auf Europas größter Fachmesse für Dokumenten-Management zeigte sich: Viele Anwenderprobleme sind noch ungelöst.

Von Sascha Alexander*

T rotz leicht rückläufiger Besucher- und Ausstellerzahlen bleibt die Kölner DMS Expo wichtigster Branchentreff rund um das Thema Dokumentenverwaltung in Europa. Wie schon in den letzten Jahren profitieren die Aussteller vom hohen Leidensdruck der Anwender. Diese müssen dringend Lösungen zur geordneten und rechtskonformen Aufbewahrung ihrer Dokumente beispielsweise für die digitale Steueraußenprüfung finden. Compliance-Themen wie Records-Management, Langzeit- und E-Mail-Archivierung sowie digitale Signatur waren entsprechend ein Messeschwerpunkt.

Zugleich bildet der Empfang und Versand von Briefen und Faxen einen Kostentreiber, dessen man mit einer höheren Automatisierung und Auslagerung von Prozessen Herr werden muss. Schätzungen, nach denen die manuellen Bearbeitungskosten für ein eingehendes Papierdokument bei bis zu 70 Euro liegen können, zeigen, welche Einsparungen hier noch möglich sind. Dementsprechend waren Techniken und Dienstleistungen für den digitalen Posteingang auch dieses Jahr ein Publikumsmagnet. Erstmals breiter diskutiert und vorgestellt wurden hingegen die Anwendungsgebiete Technische Dokumentation und Produktdatenverwaltung (Product-Lifecycle-Management).

Disziplinlosigkeit

Eine übergreifende und in die täglichen Abläufe integrierte Nutzung von Dokumenten bleibt jedoch trotz allen Werbens der Hersteller noch Zukunftsmusik. Die "verloren gegangene Auskunftsfähigkeit" müsse wiederhergestellt werden, mahnte DMS-Experte Bernhard Zöller auf der Messe. Papierakten seien heute unvollständig; elektronische Dokumente lägen unauffindbar für Dritte auf irgendwelchen File-Servern in kryptisch ausgezeichneten und tief gestaffelten Verzeichnissstrukturen. Es herrsche eine große Disziplinlosigkeit, die DMS-Software allein nicht beseitigen könne.

Andererseits steigen dort, wo Kunden ihre DMS-Lösungen modernisieren oder erweitern wollen, die technischen und funktionalen Ansprüche an die Hersteller. Vor allem das Interesse an Anwendungen wie der "Virtuellen Akte" und dem "Elektronischen Posteingangskorb" ist groß. Solche Lösungen sind auch Einstiegspunkte für die seit langem beworbenen, aber insgesamt meist nur lokal genutzten Funktionen für ein Dokumenten-basierendes Workflow-Management. Dabei ist zu beobachten, dass nicht nur Anbieter "klassischer" DMS-Systeme versuchen, möglichst viele Arbeitsschritte über ihre Software abzudecken, sondern jetzt auch Spezialisten für die Posteingangsbearbeitung wie beispielsweise Kofax oder Iris/Docutec Tools bieten, mit denen sich Workflows einrichten lassen. Dabei geht es allerdings vorrangig darum, Post zu klassifizieren und weiterzuleiten.

Technisch stand in Köln die Standardisierung und die Modularisierung des Portfolios hin zu Service-orientierten Architekturen (SOAs) im Vordergrund. Ebenso nehmen Funktionen wie Verschlüsselung, Watermarks, Nutzungsprotokollierung oder kontrollierter Export zu. Sie sollen Daten und Dokumente sicher und vertraulich halten. Ein Dauerbrenner sind zudem kom-fortablere und übersichtlichere Clients. Nachdem die Hersteller lange daran gearbeitet haben, die bisherigen Funktionen ihrer Fat Clients auch über einen Browser bieten zu können, kommen nun neben der Integration in den "Windows Explorer" auch interaktivere Techniken wie "Ajax" und "Adobe Flex" vermehrt zum Einsatz.

Geben und nehmen

Abgesehen von den internationalen Branchenriesen IBM/Filenet, EMC/Documentum und Open Text, gibt es aber heute keinen Anbieter, der versuchen würde, sämtliche Aufgaben der Dokumentenerfassung und -ver-waltung abzudecken. Vielmehr dominiert eine Arbeitsteilung zwischen den Spezialisten und Dienstleistern für DMS, Input- und Output-Management, die sich in vielen Partnerschaften niederschlägt. Auch hat es eine immer wieder prognostizierte Marktkonsolidierung im größeren Umfang nicht gegeben. Der Branchenfokus, kleine Kriegskassen und große funktionale Überschneidungen innerhalb der Marktsegmente machen Übernahmen wenig attraktiv.

DMS Expo

362 Anbieter (2007: 382) aus 13 Ländern (2007: 11). Nach offiziellen Angaben kamen rund 19 200 Besucher (2007: 20 208) in die Kölner Messehallen.

Schwerpunkte waren Enter-prise-Content- und Dokumenten-Management, Compliance, Langzeitarchivierung, digitale Postbearbeitung und Business-Prozess-Management. Seit ihrem Start 1998 konnte Europas größte DMS-Fachmesse ihre Besucher- und Ausstellerzahlen etwa halten.

Allerdings wurden in den letzten Monaten vor allem Spezialisten für das Input-Management wieder vermehrt aufgekauft. Jüngste Beispiele sind Docutec, Océ Document Technologies, Graphic Data und Captaris. Statt wilder Übernahmeschlachten könnte eine andere Entwicklung den Markt wesentlich mehr verändern: die Integration von DMS-Features in Standardanwendungen. Produkte für die Dokumentenverwaltung könnten ihre Eigenständigkeit verlieren und sich zu Infrastrukturkomponenten von SOAs wandeln.