COMPUTERWOCHE Roundtable IoT II

Disruptives Denken allein macht noch kein erfolgreiches IoT-Projekt

13.09.2016
Von  und
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.

IoT ist digitale Transformation

Letztlich ist IoT - direkt oder indirekt - ein Thema der digitalen Transformation, so dass die Regeln der Digitalisierung auch hier greifen. Angefangen bei der Überlegung, welche Player das eigene Business-Modell angreifen, über Gedanken wie mit IoT das eigene Geschäftsmodell modifiziert werden kann, neue Märkte zu erschließen sind oder vielleicht auch das Portfolio auf neue Kundensegmente ausgedehnt werden kann. "Ich bin ein ganz klarer Verfechter des Mantras ‚think big, start small‘, was ziemlich genau dem entspricht, wie eine IoT-Initiative aufgebaut werden muss", outet sich Sven Düsseldorf, BDM Digital Enterprise bei Materna. Zudem macht er sich dafür stark, alle - auch die zentrale IT - mit ins Boot zu holen, zumal die Digitalisierung auch eine Transformation der Mitarbeiter bedeutet.

Alle Beteiligten sollten an einem runden Tisch zusammenkommen, gemeinsam Lösungen erarbeiten und ein IoT-Projekt strukturiert angehen, plädiert Karin Hernik, Partner & Channel Manager bei Schneider Electric
Alle Beteiligten sollten an einem runden Tisch zusammenkommen, gemeinsam Lösungen erarbeiten und ein IoT-Projekt strukturiert angehen, plädiert Karin Hernik, Partner & Channel Manager bei Schneider Electric
Foto: Patrick Hagn

Inwieweit die Transformation auch Veränderungen für die Mitarbeiter bedeutet, hängt auch von den Skills ab. Darüber, welche das sind und wie die deutschen Unternehmen aufgestellt sind, herrschte geteilte Meinung. Zumal sich die Frage, so ABB-Manager Ganz, in zweierlei Hinsicht stellt: "Welches Gerüst brauchen wir für IoT als Gesellschaft und welches Gerüst braucht ein Unternehmen für IoT?" Positive Zensuren stellt in diesem Zusammenhang Beckereit dem deutschen Mittelstand aus: "Der inhabergeführte deutsche Mittelstand hat keinen Nachholbedarf und ist meistens deutlich risikoaffiner als fremdgeführte Unternehmen. Wer als Unternehmen IoT-Skills besitzt, ist in der Regel risikofreudig und in der Lage, die IT - spezifisch beim Thema Software - für sich anzupassen." Ernst wiederum glaubt, dass es zu viele Spezialisten gibt und beim IoT eher eine gesamtheitliche Perspektive gefragt sei. Schorer dagegen vermisst genau die Spezialisten, etwa im Bereich Big Data und Analytics. "Gibt es überhaupt DAS IoT-Projekt", versucht man die Wogen in der Diskussion über die erforderlichen Skills zu glätten.

Was definitiv die Wahrnehmung über Erfolg oder Misserfolg bei diesen Projekten beeinflusst, sind die vielen Versprechen in den Marketing-Papieren und, dass IoT oft fälschlicherweise als Allheilmittel für alle Probleme angesehen wird, so Frank Beckereit, Head of Digital Transformation Group bei Dimension Data.
Was definitiv die Wahrnehmung über Erfolg oder Misserfolg bei diesen Projekten beeinflusst, sind die vielen Versprechen in den Marketing-Papieren und, dass IoT oft fälschlicherweise als Allheilmittel für alle Probleme angesehen wird, so Frank Beckereit, Head of Digital Transformation Group bei Dimension Data.
Foto: Patrick Hagn

Ähnlich schwer lassen sich allgemeine Tipps zum Einsatz von IoT-Baukästen abgeben. Grundsätzlich erscheinen der Runde die Demo-Container, wie sie etwa Microsoft, IBM oder AWS offerieren, für die ersten Gehversuche sinnvoll. Auf diese Weise könne der Anwender - aber unter Betreuung - an das Thema herangeführt werden, zumal Grundsätze wie "fail fast, fail often" in den Köpfen noch gar nicht angekommen sind. Als Einstieg sieht das auch Schirge als guten Ansatz, warnt aber davor, "sich gleich auf eine Technologie festzulegen und damit nicht mehr offen für andere Ansätze zu sein. Es ist zu überlegen, ob das Konzept auf lange Sicht kommerziell und technologisch tragfähig und skalierbar ist."

IoT und die Cloud

Ein eher zwiespältiges Bild zeichnet sich bei der Entscheidung ab, ob ein IoT-Projekt in die Cloud gehört oder nicht. Während Ernst pro Cloud argumentiert, "in Sachen Skalierbarkeit und Elastizität sollte es eigentlich nicht passieren, dass man bei einer Million oder auch zehn Millionen Geräten einknickt"; hält Ganz dagegen, "dass Konfigurationsaufwände in der Anlage die Cloud-Vorteile auffressen können".

Networking auf dem IoT-Roundtable der COMPUTERWOCHE.
Networking auf dem IoT-Roundtable der COMPUTERWOCHE.
Foto: Patrick Hagn

Allerdings erkennt auch Cloud-Befürworter Ernst an, dass das eigentliche Problem woanders liegt, nämlich "wo ist der echte Business Case". Für ihn geht es nicht nur darum, neue disruptive Geschäftsmodelle zu erfinden. Vielmehr sollten sich Unternehmen überlegen, wie sie etwa vorhandene Anlagen mit IoT verbessern können. Und hierzu sollten Unternehmen in den Augen von Beckereit einen Plan haben und wissen, wo sie hinwollen. Zudem sollten sie sich Zeit nehmen, um auch die Mitarbeiter einzubinden. "Alle Beteiligten sollten an einem runden Tisch zusammenkommen, gemeinsam Lösungen erarbeiten und das Projekt strukturiert angehen", plädiert auch Hernik für eine Einbindung der Mitarbeiter.

Anderen Diskutanten ist zu viel Planung fast schon ein Graus. So steht für Schirge eher der Rapid-Prototyping-Gedanke im Vordergrund: "Wir machen seit 13 Jahren IoT-Projekte. Aus unserer Perspektive sind schnelle Proof of Concepts, die von einer innovativ denkenden Abteilung dem Top-Management vorgestellt werden am erfolgreichsten." Für Kelz setzt der Erfolg eines IoT-Projekts eine klare Lösungsvision voraus, denn die Projekte würden nur selten an der Technik scheitern. Und letztlich sollten sich die Unternehmen bewusst sein, dass der eigentliche Wert in der physikalischen Welt generiert wird. "Ein Projekt muss wieder ins Feld geführt werden und es muss etwas Greifbares dabei herauskommen", erklärt Ganz. "Und dabei sollte ein ‚out of the box thinking‘ auf jedem Fall erlaubt sein", lautet ein anderer Einwurf in der Diskussionsrunde. Und Böker schwebt bei der Planung eines IoT-Projekts eine leichte Modifikation eines bekannten Mottos als Leitspruch vor: "Think big, make them start small."

Zum Thema IoT führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multiclient-Studie unter IT-Entscheidern durch. Die Studie soll zeigen, wie deutsche Manager das Thema IoT in ihren Unternehmen angehen. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, dann hilft Ihnen Frau Franziska Kaufmann (fkaufmann@idg.de, Telefon: 089 36086 882) gerne weiter. Informationen zur IoT-Studie finden Sie auch hier zum Download.