Web-Inhalte immer öfter Browser-spezifisch

Disney und Time Warner setzen auf Internet Explorer 4

07.11.1997

Auch wenn es um den vielbeschworenen "Browser-Krieg" mit dem Erscheinen der endgültigen Versionen des "Communicator" von Netscape und des "Internet Explorer 4" (IE4) von Microsoft etwas ruhiger geworden ist, zeigen sich verstärkt die negativen Auswüchse des Wettstreits der beiden Softwarerivalen.

Leidtragende sind, wie so häufig, die Anwender. Disney hat sich für Teilbereiche seiner neu gestalteten Internet-Präsenz für eine speziell angepaßte Variante des Microsoft-Browsers entschieden. Mittels eines "D-Mail" genannten Clients können minderjährige Abonnenten des Dienstes "Disney's Daily Blast" besondere E-Mail-Funktionen nutzen. Ab dem 17. November folgen dann "D-Phone" für Multiuser-Messaging sowie ein dreidimensionaler, virtueller Treffpunkt. Dieser Schritt in Richtung interaktiver Online-Dienst bleibt Netscape-Benutzern verschlossen.

Gleiches gilt für "Entertaindom" von den Warner Brothers. Wer mit dem Communicator auf die Site zugreift, bekommt lediglich die Meldung "Fast geschafft! Sie müssen aber zunächst den Microsoft IE4 installieren" angezeigt. Beide Anbieter berufen sich auf technische Vorzüge des Produkts aus Redmond als Grund für ihre Einbahnstraßen-Entscheidung.

"Weil wir einen angepaßten Browser anbieten, mußten wir uns zwischen den zwei großen kommerziellen Produkten entscheiden. Und mit dem IE hatten wir mehr Möglichkeiten, eine einzigartige und besondere Disney-Erfahrung zu schaffen", so eine Firmensprecherin gegenüber dem Informationsdienst "news.com".

Die Verbraucherverbände schlagen deswegen bereits Alarm. Ralph Nader, prominenter US-Anwalt, kommentiert Microsofts Abkommen: "Die Krake verknotet nun noch ihre Tentakeln mit denen weiterer Medienkonzerne, um andere zu zerquetschen." Gary Reback, ein auf Kartellrecht spezialisierter Anwalt, sieht das ähnlich: "Wenn eine Firma das Tor zum Internet besetzt, dann hat sie enorme Möglichkeiten, die Inhalte zu kontrollieren."

Netscape, momentan ausgebootet, legt indes weiterhin Wert auf eine gute Zusammenarbeit mit beiden Unternehmen, etwa im Rahmen des kürzlich gestarteten "Netscape-Everywhere"-Programms. Jerell Jimerson, Director für Online Content Services, glaubt ohnehin nicht an proprietäre Lösungen: "So etwas macht aus meiner Sicht wenig Sinn. Letzten Endes kommt es doch vor allem darauf an, so viele Inhalte wie möglich so vielen Menschen wie möglich vorzusetzen". Anwalt Reback stößt in das gleiche Horn: "Anhand von Marktzahlen wissen wir, daß viele Leute Netscape bevorzugen. Warum sollte sich ein Inhalteanbieter freiwillig von einem großen Marktsegment abschneiden?.