Direkt und schnell: Die Schubkraft neuer Technologien

08.09.1995

W. James Fischer, Vorsitzender der Geschaeftsfuehrung fuer Andersen Consultings "Maritime Region"

Das Thema "Informationstechnologie" in einem Raum voller Top- Manager diskutieren zu wollen kann einen aehnlichen Effekt haben, wie wenn man in einem vollen Theater "Feuer" ruft. Frueher eher von marginaler Bedeutung, ist sie heute einer der zentralen Faktoren, wenn es darum geht, neue Produkte zu schaffen und Unternehmen so umzugestalten, dass sie bestehen koennen.

Doch fuer viele hat die Informationstechnologie (IT) etwas Bedrohliches. Und noch schlimmer: Sie veraendert sich laufend. Kaum meint man, die Auswirkungen des letzten technologischen Durchbruchs erfasst zu haben, kuendigt sich schon wieder etwas Neues an. Indes, nur keine Panik. Man muss nicht jeder technologischen Neuerung folgen. Man kann sich anhand eines einfachen, auf die wirtschaftlichen Triebfedern zentrierten Schemas klarmachen, wohin eine IT-Entwicklung geht und warum. Wer dieses Grundschema verinnerlicht hat, kann jederzeit selbst eine Vision davon entwickeln, inwiefern die IT dem eigenen Unternehmen zu neuen Erfolgen verhilft. Grundsaetzlich gehen wir von vier Motivationsfaktoren aus, die ein Unternehmen dazu bringen, sich einer neuen Technologie zuzuwenden: Es will direkt, flach, schnell und vernetzt sein.

Direkt: Die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden werden in den kommenden Jahren noch direkter und unmittelbarer werden. Progressive Firmen bauen Beziehungen ohne Zwischenstufen auf, um ihre massgeschneiderten Produkte nahezu auf Bestellung anzubieten. Der zu erwartende Boom beim Home-Shopping und anderen Formen verbraucherorientierter Direktverbindung ist nur ein Aspekt dieser Entwicklung. Daneben nutzen viele Unternehmen die Moeglichkeiten der IT fuer den direkten Informationszugriff. So hat Nissan zum Beispiel ein neues System zur Erfassung ihres Kundenstamms und der entsprechenden demografischen Eckdaten entwickelt, das allen Nissan-Haendlern vor Ort ermoeglicht, individuell angepasste, gezielte Marketing-Plaene zu erstellen.

Flach: Nicht nur die direkte Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden wird ein wichtiger Erfolgsfaktor sein, auch innerhalb eines Unternehmens sind organisatorische Veraenderungen absehbar. British Petroleum (BP) hat mittels IT seine Entscheidungsprozesse flacher gestaltet und damit massgeblich verkuerzt. BP musste in der Lage sein, auf Notfaelle rationell zu reagieren.

Das Unternehmen implementierte deshalb ein Response-System, das auf ein Groupware-Programm aufgesetzt ist, und verband so die europaeischen Niederlassungen miteinander.

Schnell: Wir beobachten einen deutlichen "Trend zum Tempo", der viele Prozesse und Branchen voellig umkrempelt. Zu diesem Trend gehoeren kuerzere Entwicklungszyklen, verbesserte globale Kommunikationswege und "fliessende" Maerkte, in denen es darauf ankommt, Kunden auch kurzfristig individuelle Loesungen zu bieten und auf staendig wechselnde oekonomische Indikatoren umgehend zu reagieren.

Vernetzt: Mit wachsenden Netzwerkkapazitaeten und fortschreitender Technik im Video- und Sprachbereich ergeben sich "virtuell" unbegrenzte Moeglichkeiten der menschlichen Interaktion. Viele Firmen nutzen schon heute diesen Vorteil. Wir bei Andersen Consulting haben ein globales System zum Wissensaustausch entwickelt, um unsere Berater noch enger zusammenzubringen.

Dieses Knowledge-Management-System ueberwindet nicht nur geografische Entfernungen zwischen Mitarbeitern auf der ganzen Welt, sondern bietet den Beschaeftigten unabhaengig von Alter, Titel und Erfahrungsniveau auch eine gemeinsame Plattform zum Informations- und Ideenaustausch. Das Ergebnis sind ein ausserordentliches Gemeinschaftsgefuehl und ein starkes Bewusstsein fuer das gemeinsame Ziel.

Die Informationstechnologie ist heute ein Zuender fuer das Entstehen neuer Geschaeftschancen. Fuehrungskraefte sollten Abstand davon nehmen, den Wert aufkommender Technologien per se zu betrachten. Statt dessen koennen sie jede neue Moeglichkeit anhand eines einfachen Satzes von Kriterien pruefen: - Hilft sie unserem Unternehmen, zum Ziel zu gelangen? Ermoeglicht sie es uns, direkter mit unseren Kunden zu interagieren und unsere Organisationsstruktur abzuflachen, schneller zu handeln und ein Umfeld zu schaffen, in dem die Menschen ihr Wissen und ihre Ideen austauschen?

Waehrend die Konkurrenz die Flucht ergreift, werden visionaere Fuehrungskraefte die Schubkraft der neuen Technologien verstaerken, um so neue Wege in ihren Maerkten aufzutun.

Eine ungekuerzte Version dieses Artikels erschien zuerst im Magazin "Outlook" (1995, S.4) der Unternehmensberatung Andersen Consulting. (Alle Rechte vorbehalten)