DIN-Tagung deckt Defizite bei der Rechtssicherheit auf Anwender optimieren mit Edifact ihre interne Ablauforganisation

28.07.1995

HERRENBERG (CW) - Ganz der Anwendung von EDI war die 10. DIN- Tagung im Schulungszentrum der IBM Deutschland GmbH im schwaebischen Herrenberg gewidmet. Bei der von der Deutschen EDI- Gesellschaft (Dedig) durchgefuehrten Veranstaltung kamen diesmal in erster Linie Anwender und die Wissenschaft zu Wort. Sie berichteten ueber Erfahrungen mit der Implementierung und dem Status quo von Edifact und EDI.

Obwohl die Rezession hierzulande den tiefsten Punkt ueberwunden zu haben scheint, sitzt bei vielen Unternehmen der Schock noch tief. Sie reagieren, wie auf der DIN-Tagung deutlich wurde, mit Rationalisierungsmassnahmen. Dazu gehoeren neben dem Personalabbau die Einfuehrung neuer Technologien, unter anderem der Einsatz von Edifact.

EDI-Anwendungen im rechtsunklaren Raum

Das Regelwerk scheint als Mittel zur Straffung von Ablauforganisationen geradezu praedestiniert zu sein. Immerhin stellt Edifact einen branchenneutralen Standard dar, der mittlerweile weltweit Akzeptanz gefunden hat. Die Vorteile, die sich die Unternehmen von dieser Norm erhoffen, liegen zum einen in Kosteneinsparungen, zum anderen in der Sicherung sowie dem Ausbau der Wettbewerbsfaehigkeit.

Ein kraeftiges Lebenszeichen in Sachen EDI verspueren zum Beispiel die vielen Banken, die als Anwender und Anbieter von EDI- Dienstleistungen auftreten. Laut Antje Rauch, Mitarbeiterin im Referat Electronic Banking - Entwicklung der Dresdner Bank AG, ist seit 1994 die Nachfrage in Sachen Electronic Banking, also der Automatisierung der finanziellen Transaktionen beim Kunden und in der Bank, stark gestiegen. Wie wichtig das Finanzwesen das Thema EDI nimmt, bewiesen die Vertreter von vier Grossbanken, die an der DIN-Tagung teilnahmen.

Das Interesse der Wirtschaft an der Einfuehrung von Edifact spiegelte sich auch in den Diskussionen wider, die sich den einzelnen Referaten anschlossen. Dabei spielten Rechtsaspekte eine wesentliche Rolle. Fragen zu Aufbewahrungspflichten und -fristen bei der Auftragsabwicklung ueber EDI oder zum EDI-Rahmenvertrag haeuften sich. Es wurde deutlich, dass die Anwender heute teilweise mit pragmatischen Loesungen und im rechtsfreien Raum arbeiten, weil die Rechtsgrundlage derzeit noch nicht eindeutig geklaert ist.

Viele EDI-Newcomer beschaeftigt vor allem der immer wieder genannte EDI-Rahmenvertrag. Davon gibt es mehrere Ausfuehrungen, unter anderem von der Arbeitsgemeinschaft fuer wirtschaftliche Verwaltung (AWV). Erprobte EDI-Anwender vertraten in Herrenberg hingegen die Ansicht, bestehende Rahmenvertraege muessten lediglich um einen EDI- Zusatz ergaenzt werden. In Sachen Rechtssicherheit besteht jedoch, wie die Tagung zeigte, grosser Aufklaerungsbedarf. Die Dedig hat bereits durchblicken lassen, in dieser Angelegenheit aktiv zu werden.

Gedanken zu sicherheitsrelevanten Aspekten hat sich laut Ulrike Korte, Projektleiterin fuer kryptografische Sicherheitstechnologie in der Buchungszentrale der westfaelisch-lippischen Sparkassen, auch eine internationale Arbeitsgruppe - die "Security Joint Working Group (SJWG)" - gemacht. Die von der SJWG entwickelten Ansaetze wurden vor einem Jahr der UN/ECE vorgestellt und als Entwuerfe verabschiedet. In der bevorstehenden Version 4 der Edifact-Syntax

(ISO 9735) sollen die entsprechenden Beschreibungen integriert sein.

Der Schwerpunkt der Anwenderberichte galt der Konsumgueterwirtschaft und dem Zahlungsverkehr. Hier konnten denn auch die groessten Erfolgsmeldungen verbucht werden. Das Eancom- Subset-Szenario ist im Bereich des Einzel- und des Grosshandels in aller Munde. Branchen wie die Textil-, Kosmetik-, Moebel- und Keramikindustrie sowie die Buerowirtschaft haben ihre Edifact- Anwendungen jetzt auch auf Eancom gestuetzt oder sind im Begriff, sie entsprechend der Eancom-Definition einzurichten. Die Henkel KG plant zum Beispiel, wie Andreas Depta, Mitarbeiter der Abteilung Account-Management, berichtete, den Bestell- und Rechnungsdatenaustausch von dem branchenspezifischen Standard Sedas nach Edifact, in diesem Fall in das Eancom-Subset-Szenario, zu ueberfuehren.

Ganz der Forschung an den Universitaeten war der Nachmittag des zweiten Veranstaltungstages in Herrenberg gewidmet. Mit EDI im Internet beschaeftigte sich Rahild Neuburger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut fuer Organisation an der Ludwig- Maximilians-Universitaet, Muenchen. Sie nahm in ihrem Vortrag kommerzielle Anwendungen im Internet und hier insbesondere EDI- Applikationen unter die Lupe. Trotz der offenen Kommunikationsstruktur biete das Internet in Zukunft genuegend Sicherheit beim Austausch von elektronischen Geschaeftsdaten.

Mit dem Thema Subsets beschaeftigt sich schon seit geraumer Zeit eine Projektgruppe an der Universitaet Hamburg. Im Rahmen des von der Deutschen Telekom AG gefoerderten Projekts "Vulcan II" wurde ein Windows-Programm geschaffen, das die computergestuetzte Pruefung von Edifact-Nachrichtentypen und Subsets erlaubt. Die Software soll es ermoeglichen, auf dem Markt angebotene Konverter zu testen und Nachrichtentypen beziehungsweise auch Subsets auf Korrelationen hin zu untersuchen. Fuer die Harmonisierung von Subsets koennte das Programm hilfreich sein.

Eine von der Universitaet Wuerzburg ebenfalls im Rahmen von Vulcan II angestellte Untersuchung ergab, dass EDI sich in kleineren und mittleren Unternehmen noch nicht durchgesetzt hat. Obwohl eine Reihe von Softwareherstellern EDI-Kleinsysteme anbietet, haelt sich hier die Nachfrage sehr in Grenzen.

Trotz aller Zuversicht waren sich die Teilnehmer der DIN-Tagung einig, dass fuer die flaechendeckende Anwendung von Edifact noch einiges getan werden muss. Anbieter, Dienstleister und Kunden, das heisst alle Arten von Anwendern, muessen in Verwaltung und Wirtschaft mit den aktuellen Mitteln noch enger verknuepft werden.