Interview IT-Weiterbildung

"Digitalkompetenz ist mehr als Spotify und Instagram"

15.12.2022
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Mit seiner "Networking Academy" will Cisco in den kommenden zehn Jahren rund einer Million Menschen in Deutschland IT-Kompetenzen vermitteln. Carsten Johnson, Leiter des Programms, erklärt im Interview, wie das funktioniert und warum es dringend nötig ist.
Wer sich im IT-Bereich weiterentwickeln will, erhöht mit international anerkannten Zertifikaten seine Karrierechancen.
Wer sich im IT-Bereich weiterentwickeln will, erhöht mit international anerkannten Zertifikaten seine Karrierechancen.
Foto: LookerStudio - shutterstock.com

Vor 25 Jahren waren IT-Jobs noch eher etwas für Nerds, wie steht es heute um IT-Fachkräfte?

Carsten Johnson: Als die Cisco Networking Academy vor 25 Jahren an den Start ging, war Online-Lernen noch außergewöhnlich und nur etwas für IT-Experten, das ist richtig. Inzwischen ist diese Form der Wissensvermittlung in vielen Bereichen zentraler Bestandteil der Aus- und Weiterbildung - sowohl in Schulen als auch in der Berufsausbildung und an Universitäten.

25 Jahre ist es auch her, dass Deutschland die ersten Ausbildungsverordnungen für IT-Berufe festgeschrieben hat. Damals standen Berufsschulen vor der Herausforderung, diese Rahmenlehrpläne mit Inhalten und Leben zu füllen. Seitdem unterstützt die Networking Academy auch in Deutschland mit kostenfreien Kursen, Lehrmaterial und Know-how. Denn die Fähigkeiten sind angesichts der Digitalisierung längst nicht mehr nur in der IT-Wirtschaft, sondern in allen Branchen gefragt.

"Das vorhandene Wissen hängt nicht vom Alter ab"

Wie viele IT-Fachkräfte haben Sie für deutsche Unternehmen in der Pipeline?

Johnson: In Deutschland haben wir bereits 382.000 Menschen mit IT-Kompetenzen weitergebildet. Besonders in den letzten Jahren verzeichneten wir einen enormen Boom, aktuell zählen wir rund 70.000 Student:innen pro Jahr. Deshalb sind wir überzeugt, dass in den nächsten zehn Jahren eine Million weitere Expert:innen durch die Bildungsangebote dazukommen.

Die Jugendlichen gelten ja immer als Digital Natives, wird der Ausbildungsbedarf da geringer, sprich sind inzwischen andere Kompetenzen gefragt?

Johnson: Digitalkompetenz ist deutlich mehr als Spotify und Instagram. Grundkenntnisse der IT-Security oder des Enterprise Networkings lernt man nicht nebenbei. Daher wird der Ausbildungsbedarf nicht geringer, sondern steigt sogar mit den zunehmenden Anforderungen von Unternehmen. Wir sehen zwar, dass die meisten Jugendlichen viel Erfahrung mit der Bedienung von Smartphones haben, aber nicht immer mit einer klassischen Tastatur oder PCs. Hier haben sogar Erfahrene oft Vorteile. Das vorhandene Wissen hängt praktisch nicht vom Alter ab, sondern von den bisherigen Tätigkeiten und Erfahrungen. Deshalb reichen unsere Angebote von Einsteigerkursen über gestaffelte Fachkurse für Berufsschulen bis hin zu Spezialkursen für Universitäten. So stellen wir für jedes Level ein geeignetes Angebot bereit.

Carsten Johnson, Leiter des Cisco Networking Academy Programms, ist davon überzeugt, dass man nie zu alt ist, um dazuzulernen.
Carsten Johnson, Leiter des Cisco Networking Academy Programms, ist davon überzeugt, dass man nie zu alt ist, um dazuzulernen.
Foto: Johnson - Cisco Networking Academy

Welche Zertifizierungen bieten die besten Karrierechancen für Absolventen? Welches Know-how ist aktuell besonders gefragt?

Johnson: Wenn man die Einstiegsgehälter betrachtet, sind insbesondere Spezialisten gesucht. Ein Infrastrukturarchitekt kann mit 91.500 Euro und ein Sicherheitsarchitekt mit 90.000 Euro Jahresgehalt rechnen. Aber selbst allgemeine Kenntnisse eines Data Scientists werden mit 62.900 Euro dotiert. Das sind wohl gemerkt die Einstiegsgehälter laut "Gehaltsreport 2022 Information Technology", die sich natürlich mit den Jahren und weiterer Erfahrung sowie Zusatzqualifikationen erhöhen. Die Cisco Networking Academy bietet etwa Zertifizierungen gerade in den Gebieten mit hohen Gehältern, also Networking, Infrastructure Automation oder Cybersecurity. Aber auch Kurse zu Betriebssystemen und IT, Internet der Dinge oder Programmierung vermitteln Know-how, das auf dem Markt stark nachgefragt wird.

"Selbst in IT-fernen Bereichen steigen die Anforderungen"

Bieten Zusatzqualifikationen auch Berufswechslern oder Etablierten neue Perspektiven oder ist man für eine zusätzliche IT-Ausbildung irgendwann zu alt?

Johnson: Man ist nie zu alt, um dazuzulernen. Im Gegenteil: Heute kommt kein Job mehr ohne zumindest grundlegendes IT-Know-how aus. In Zukunft werden selbst in IT-fernen Bereichen die Anforderungen an die technischen Fähigkeiten immer weiter steigen. So müssen sich auch Menschen, die fest im Beruf etabliert sind, ständig weiterbilden. Und für Berufswechsler eröffnen IT-Zertifizierungen völlig neue Möglichkeiten. Nehmen Sie die ReDI School of Digital Integration mit ihren Standorten unter anderem in Berlin und München. Hier erhalten Geflüchtete die Möglichkeit, Fähigkeiten zu erlernen und über international anerkannte Zertifikate schneller in den Arbeitsmarkt zu kommen. Die 2016 gegründete Initiative ist eine gemeinnützige Tech-Schule, die Migranten und marginalisierten Einheimischen kostenlosen und gleichberechtigten Zugang zu digitaler Bildung bietet.

Können Sie Tipps geben, auf was beim Erwerb von Digitalkompetenzen besonders zu achten ist?

Johnson: Wer sich im IT-Bereich weiterentwickeln will, sollte unbedingt international anerkannte Zertifikate erwerben. Das gilt selbst für Fachkräfte, die in Deutschland bleiben. Denn viele Kunden und Partner vertrauen nur Dienstleistern mit international etablierten Zertifizierungen, die sie kennen. Gerade in der heutigen Zeit von Hybrid Work und virtueller Zusammenarbeit ist auf einen barrierefreien Zugang der Kurse zu achten.

Das schließt einen reibungslosen Online-Zugriff auf die Inhalte von zu Hause, vom Büro oder unterwegs ein. Die Kurse sollten auch immer Transkripte anbieten - beispielsweise, wenn sie im Zug oder im Großraumbüro sitzen. Wichtig sind neben praxisnahen Inhalten auch das richtige Level für Einsteiger, Fortgeschrittene oder Experten. Und nicht zu vergessen: Man ist auch niemals zu seniorig, um sich weiterzubilden. Auch Führungskräfte brauchen heute IT-Kenntnisse.

Was sollten junge Talente für ihre Karriere außerhalb von Zertifizierungen beachten beziehungsweise worauf legen Unternehmen heute besonders Wert?

Johnson: Neben den reinen Fachkenntnissen achten Unternehmen auch auf eine hohe Sozialkompetenz. Schließlich werden heute praktisch alle Aufgaben im Team erledigt. Einzelkämpfer sind passé. Das heißt: klare, verständliche Formulierungen in Textform und der Sprachkommunikation, gutes Zuhören, Diskussionsfähigkeit, zuverlässiges Umsetzen der Aufgaben und sowie im Kundenkontakt auch gepflegtes Äußeres.

Wie hat sich das Trainingsgeschäft nach Corona verändert, was wird mehr, was weniger nachgefragt, was ist also Unternehmen wichtiger geworden, und welche Formate setzen sich durch?

Johnson: Es gab schon vor Corona viele Online-Angebote und virtuelle Schulungen. Doch seitdem nutzen die TeilnehmerInnen diese Angebote viel selbstverständlicher und selbstbewusster. Gerade Videokonferenzen sind zum Alltags-Tool geworden. Inhaltlich hat sich die Nachfrage in Richtung Cloud-Angebote und -Security verlagert, um Hybrid Work zu unterstützen. Aktuell beobachten wir eine verstärkte Nachfrage nach Kursen zum Thema Cybersicherheit. Besonders gefragt sind Kurse zum Selbstlernen, die modular aufgebaut sind und relativ kurze Lerneinheiten mit Praxisbezug bieten. (pg)