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Digitalisierung - Siemens will bis 2020 zweistellig wachsen

13.12.2016
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Die Digital Enterprise Suite

Mit der Digiatlisierung konnte Maserati die Entwicklungszeit um 30 Prozent senken (im Bild: Maserati GranTurismo MC Stradale).
Mit der Digiatlisierung konnte Maserati die Entwicklungszeit um 30 Prozent senken (im Bild: Maserati GranTurismo MC Stradale).
Foto: Maserati Automotive

Als Antwort auf Industrie 4.0 versteht Siemens seineDigital Enterprise Suite. Sie soll ein Portfolio an softwarebasierten Systemen für die Fertigungs- und Prozessindustrie liefern und vier Kernaspekte adressieren:

  • Industrielle Software, die nicht nur die Automatisierungsprozesse optimiert, sondern auch in die Automatisierungskomponenten integriert wird.

  • Industrielle Kommunikationsnetze, die nicht nur eine Kommunikation zwischen den Maschinen ermöglichen, sondern die Daten auch auf Management-Ebene zur Verfügung stellen.

  • Ferner soll das Thema Sicherheit adressiert werden, das in der digitalisierten Fertigung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Zumal mit der wachsenden Anzahl an IP-basierten Netzen die Gefahr von Cyber-Angriffen im industriellen Umfeld steigt.

  • Spezifische industrielle Services sollen ferner die Chance eröffnen, verborgene Verbesserungspotenziale zu heben, um so die Performance der Produktionsanlagen zu steigern.

Konzept des Digital Twins

Die time to market reduzierten die Italiener im Digital Enterprise von 30 auf 16 Monate.
Die time to market reduzierten die Italiener im Digital Enterprise von 30 auf 16 Monate.
Foto: Maserati Automotive

Hinter der Digital Enterprise Suite steckt die Idee des "Digital Twins" (digitaler Zwilling). Das Konzept dabei ist, die komplette Wertschöpfungskette vom Produktdesign über die Produktionsplanung, dem Produktionsengineering und die Produktion selbst bis hin zu den Services zu digitalisieren. Oder anders formuliert: jedes Produkt, jeder Sensor, jede Maschine aus der realen, physischen Welt soll in der virtuellen Welt ein digitales Abbild, seinen Digital Twin erhalten. Auf diese Weise, so die Vorstellung von Siemens, können Unternehmen ihre Produkte in der virtuellen, digitalen Welt simulieren, testen und optimieren und auch virtuell produzieren, ohne reale Ressourcen einzubinden. Mit den so gewonnenen Daten kann dann der reale Produktionsprozess aufgebaut werden.

Maserati verkürzt time to market

Soweit die Theorie, praktische Erfahrungen mit der Digital Enterprise Suite konnte beispielsweise bereits der italienische Sportwagenbauer Maserati sammeln. Laut Horst Kayser, Chief Strategy Officer (CSO) bei Siemens, konnten die Italiener so die Entwicklungszeit um 30 Prozent reduzieren. Die time to market für neue Modelle konnte zudem, wie Kayser weiter berichtet, von 30 Monaten auf 16 Monate reduziert werden.

Kein 3D-Druck ohne Digitalisierung

Fast 20 Prozent weniger NOx aus der Gasturbine. Möglich macht es der 3D-Druck, der bisher unmögliche Bauteile liefert.
Fast 20 Prozent weniger NOx aus der Gasturbine. Möglich macht es der 3D-Druck, der bisher unmögliche Bauteile liefert.
Foto: Siemens

Ein großes Einsatzfeld sieht Siemens für die Digital Enterprise Suite und das Konzept des Digital Twins ferner im Bereich Additive Manufacturing (AM) - wie der 3Druck im industriellen Umfeld bezeichnet wird. Ins 3D-Druckergeschäft will der Konzern nach eigenem Bekunden nicht einsteigen. Hier setzt man auf Partnerschaften und will lediglich die erforderliche Software liefern.

Auch wenn man bei Siemens ein großes Potenzial in der Technik sieht warnt man doch, "3D-Druck ohne Digitalisierung macht keinen Sinn." Denn ohne eine durchgängige Digitalisierung der kompletten Prozessketten würden der Aufwand für Dateikonvertierungen etc. die Vorteile von AM wieder auffressen. Ferner könnte so die Möglichkeit, Produkte zu drucken, die bislang mit herkömmlichen Maschinen und Produktionsverfahren nicht zu produzieren waren, nicht genutzt wurden. Eine Erfahrung von Siemens zeigt, dass "etwa 50 Prozent der Produktdesigns nicht druckbar sind und 30 Prozent ein komplettes Redesign benötigen". Und gerade dies soll sich mit der vollständigen Digitalisierung der Prozesse vermeiden lassen.

Auf der anderen Seite liegen die Vorteile auf der Hand: So konnte Siemens die Herstellung eines Bauteils von 15 Stunden (klassische Methode) auf 1,45 Stunden reduzieren, in dem eine AM-Sintering-Maschine verwendet wird. Ferner gelang es den Ingenieuren ein Bauteil einer Gasturbine so zu konstruieren, dass sie den NOx-Ausstoß um 15 bis 20 Prozent reduzierten. Allerdings lässt sich das Bauteil mit herkömmlichen Fertigungsmethoden nicht produzieren, sondern kann nur gedruckt werden. In der Luftfahrtindustrie werden bereits 30 Prozent der Bauteile gedruckt. Ziel ist es, diesen Anteil in zwei bis fünf Jahren auf 50 Prozent zu steigern.

next47 - Start-up-Scout für Siemens

Um bei diesem rasanten Wandel mithalten zu können, hat Siemens die Tochternext47gegründet, denn dem Konzern ist bewusst, dass er nicht alle Innovationen mit Hilfe seiner eigenen Mitarbeiter stemmen kann auch, wenn das Unternehmen allein 2016 4,7 Milliarden Euro und damit fast 6 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert hat. next47 agiert dabei als Risikokapitalgeber, Förderer und Berater für Gründer und Start-ups. Gleichzeitig soll es eine Brücke zwischen der Welt der Start-ups und dem Siemens-Ökosystem schlagen. Dazu hat Siemens die Tochter mit einem Fördervolumen von rund einer Milliarde Euro für die Dauer von fünf Jahren ausgestattet. next47 unterhält Büros an den globalen Innovations-Hotspots - unter anderem in München, Palo Alto, Berkeley, Boston, Tel Aviv, Peking und Schanghai.