Big Data, Industry 4.0 & Co. im Reality Check

Digitalisierung lässt deutschen Mittelstand kalt

29.10.2015
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Das Thema Digitalisierung wird derzeit als Heilsbringer für praktisch alle Branchen gesehen. Eine Studie bringt nun etwas Ernüchterung: Der Megatrend hat keine disruptiven Auswirkungen auf die Unternehmen in Deutschland, ihre Strategien und Geschäftsmodell.
Der Trend, klassische Geschäftsmodelle mit innovativen Technologien umzumodeln, ist in Deutschland nur wenig ausgeprägt.
Der Trend, klassische Geschäftsmodelle mit innovativen Technologien umzumodeln, ist in Deutschland nur wenig ausgeprägt.
Foto: ra2studio_shutterstock

Kalifornische Startups wie Spotify, Uber oder AirBnB stehen als prominente Beispiele für disruptive digitale Innovationen, die sich über bestehende Geschäftsmodelle hinwegsetzen und diese bedrohen. Ihre Strategie: Mit günstigen, leicht nutzbaren und hoch skalierbaren Services und Apps setzen sie einen lange etablierten Anbietermarkt unter Druck.

Doch wie steht es in Deutschland und seiner digitalen Agenda mit solch bahnbrechenden Geschäftsmodellen? Ein Studienteam an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) unter der Leitung von Professor Dr. Gerald Lembke betrachtete in einem Forschungsprojekt 21 Unternehmen in acht Branchen und fragte in Experteninterviews danach, ob sich in den wichtigsten acht Trends der Digitalität wie "Cloud Computing", "Big Data", "Gamification" oder "Industrie 4.0" disruptive Geschäftsmodelle auch im deutschen Mittelstand anbahnen.

Mehr Evolution als Disruption

Das Ergebnis ist ernüchternd: Geschäftsmodelle mit disruptiven Tendenzen, so viel lässt sich über die gesamte Studie hinweg sagen, wird es in den befragten Branchen nur in geringem Ausmaße geben. Schwach ausgeprägt sind sie beim Cloud Computing, etwas stärker beim Thema "Industrie 4.0", bei dem der Maschinen- und Anlagenbau disruptive Ambitionen andeutet.

In den klassischen Medien, bei Verlagen und der Informationsvermittlung behält das Thema der Datensicherheit die Oberhand und dominiert die prognostizierte Geschäftsentwicklung. Bei Software- und IT-Anbietern dagegen geht der Trend zu Big Data und dem damit verbundenen Datensammeln, das die Geschäftsmodelle dieser Branche verändern wird. Für sie wird in den kommenden zehn Jahren Big Data der bestimmende Trend sein.

Die Bewertung der Hypothesen zu einzelenen Trendthemen.
Die Bewertung der Hypothesen zu einzelenen Trendthemen.
Foto: DHBW

Einige Ergebnisse im Detail:

1. Der Trend Cloud Computing zeigt sowohl evolutionäre als auch disruptive Auswirkungen auf die Unternehmen. Doch nur wenige Branchen öffnen sich den digitalen Wolken wirklich. Der Trend, so die DHBW-Studie, wird sich wohl nicht weiter durchsetzen.

2. Auch der Digitaltrend Gamification wird keine disruptiven Auswirkungen verursachen. Nahezu alle befragten Unternehmen erweitern damit lediglich bestehende Produkte oder Leistungen - mit spielerischen Elementen.

3. Der Maschinen- und Anlagenbau mit Serienfertigung dagegen wird Teile der " Industrie 4.0? nutzen. Hier sind disruptive Auswirkungen in den nächsten Jahren zu erwarten.

4. Sharing Economy: In vielen Branchen findet die Idee des Teilens wenig bis gar keine Anwendung und wird sich in den nächsten Jahren evolutionär - also langsam - entwickeln.

"Die Mär der digitalen Revolution ist ein Wunschgedanke zukünftiger Wirtschaftspolitik, kommentiert Professor Lembke die Studie. Viele Unternehmen sollten den nächsten zehn Jahren weitgehend gelassen entgegen sehen - trotz zu erwartender IT-Subventionen aus der Politik. Ihre Geschäftsmodelle würden so schnell nicht abgeschafft.