Bitkom-Umfrage zum CEBIT-Auftakt

Digitalisierung gibt’s nicht zum Nulltarif

11.06.2018
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Der Digitalisierungsmotor der deutschen Wirtschaft stottert. Viele Unternehmen bezeichnen Techniken wie KI und Blockchain zwar als wichtig. Doch zum konkreten Praxiseinsatz klafft eine große Lücke, wie die Ergebnisse einer Bitkom-Umfrage gezeigt haben.

Neue digitale Technologien sind von großer Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, kommen bislang aber noch nicht flächendeckend zum Einsatz. Das ist das Ergebnis einer Befragung des Bitkom von über 600 Managern aus deutschen Unternehmen. Die Ergebnisse hat der Lobbyverband der hiesigen IT-Industrie zum Auftakt der CEBIT (11. bis 15. Juni 2018) in Hannover vorgestellt.

Der IT-Lobbyverband Bitkom ermahnt die deutschen Unternehmen, in Sachen Digitalisierung endlich aufzuwachen.
Der IT-Lobbyverband Bitkom ermahnt die deutschen Unternehmen, in Sachen Digitalisierung endlich aufzuwachen.
Foto: Irina Levitskaya - shutterstock.com

Demzufolge ordnen rund drei Viertel der Unternehmen das Internet of Things (76 Prozent) und Big Data (74 Prozent) als wettbewerbsentscheidende Schlüsseltechnologien ein. Zwei von drei befragten Managern (66 Prozent) messen Robotik eine große Bedeutung bei. Dahinter folgen Virtual & Augmented Reality (57 Prozent) sowie 3D-Druck (56 Prozent). Gut jedes zweite Unternehmen sieht in Blockchain (53 Prozent) und Künstlicher Intelligenz (51 Prozent) eine große Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

IoT und Big Data finden deutsche Unternehmen am wichtigsten.
IoT und Big Data finden deutsche Unternehmen am wichtigsten.
Foto: Bitkom

Nachholbedarf bei KI und Blockchain

Auch wenn den Verantwortlichen in den deutschen Betrieben die Bedeutung dieser Techniken bewusst ist. In der Praxis spielen viele dieser digitalen Schlüsseltechnologien derzeit noch keine große Rolle. Das größte Interesse gibt es an Big Data - wobei das Thema bereits seit etlichen Jahren bekannt ist: Sechs von zehn Unternehmen (57 Prozent) nutzen der Umfrage zufolge diese Technologie beziehungsweise planen oder diskutieren deren Einsatz. Knapp vier von zehn Unternehmen setzen das Internet of Things (39 Prozent), 3D-Druck (38 Prozent) und Robotik (36 Prozent) ein beziehungsweise planen dies oder diskutieren zumindest darüber, bei Virtual & Augmented Reality gilt das für jedes vierte Unternehmen (25 Prozent). Den größten Nachholbedarf gibt es dem Bitkom zufolge bei Künstlicher Intelligenz (elf Prozent) und Blockchain (sechs Prozent).

Zwischen theoretischer Bewertung von Technologien und deren Praxiseinsatz klafft eine große Lücke.
Zwischen theoretischer Bewertung von Technologien und deren Praxiseinsatz klafft eine große Lücke.
Foto: Bitkom

Die Bitkom-Verantwortlichen differenzierten bei der Vorstellung der Studienergebnisse nicht weiter zwischen dem Einsatz von und der Diskussion über bestimmte Technologien. Gerade bei Zukunftstechniken wie Blockchain und KI dürfte der überwiegende Anteil der Organisationen derzeit noch darüber debattieren, wie diese Techniken am besten einzusetzen seien. Konkrete Anwendungsszenarien sind vermutlich noch die Ausnahme.

"Zügig zur Umsetzung kommen"

Bitkom-Präsident Achim Berg sieht einen Widerspruch zwischen der guten Beurteilung der Chancen der Digitalisierung und der eher verhaltenen Investitionsbereitschaft. "Die Unternehmen haben die immense Bedeutung digitaler Schlüsseltechnologien erkannt. Jetzt müssen wir zügig in die Umsetzung kommen", sagte der IT-Funktionär und monierte, dass die Bedeutung der Digitalisierung zwar erkannt sei, deutsche Firmen in der Umsetzung aber etwas hinterherhinkten.

Bitkom-Präsident Achim Berg (Mitte, links CEBIT-Chef Oliver Frese) ermahnte deutsche Unternehmen zum CEBIT-Auftakt zu mehr Anstrengungen in Sachen Digitalisierung.
Bitkom-Präsident Achim Berg (Mitte, links CEBIT-Chef Oliver Frese) ermahnte deutsche Unternehmen zum CEBIT-Auftakt zu mehr Anstrengungen in Sachen Digitalisierung.

Deutschland habe Berg zufolge bei vielen Zukunftstechnologien eine hervorragende Ausgangsposition im internationalen Wettbewerb, wie 3D-Druck, Blockchain, Internet of Things, Künstliche Intelligenz. Diese Position müsse man ausbauen. "Die Digitalisierung erfordert Vision, Action und Speed: Die Erkenntnis ist da, jetzt geht es darum, zu investieren und Tempo aufzunehmen", ermunterte Berg die Betriebe, mahnt aber im gleichen Atemzug: "Liebe Unternehmen, Digitalisierung gibt's nicht zum Nulltarif!"

Die Gründe für den derzeit noch zurückhaltenden Einsatz neuer Technologien sind aus Sicht des IT-Verbands vielfältig. Knapp zwei von drei Unternehmen (63 Prozent) führen der Umfrage zufolge Anforderungen an den Datenschutz als Hürde für den Technologie-Einsatz an. "Wenn wir im Datenschutz überziehen, verhindern wir den Einsatz digitaler Schlüsseltechnologien wie Big Data und Künstlicher Intelligenz. Bislang haben wir keine wirklich funktionierende Balance zwischen dem Schutz von Privatsphäre und der Nutzung von Daten gefunden", sagte Berg und kritisiert die seit kurzem greifende DSGVO. "Die neue Datenschutz-Grundverordnung soll einen einheitlichen Rechtsrahmen für Europa schaffen, führt in vielen Unternehmen aber zu Verunsicherung."

Der Datenschutz behindert den Einsatz neuer Technologien, behauptet der Bitkom und verweist auf seine jüngste Umfrage.
Der Datenschutz behindert den Einsatz neuer Technologien, behauptet der Bitkom und verweist auf seine jüngste Umfrage.
Foto: Bitkom

Keine Zeit, kein Geld

Mehr als die Hälfte der Unternehmen (54 Prozent) nennt Anforderungen an die technische Sicherheit als große Hürde für den Technik-Einsatz. Auch der Fachkräftemangel hemmt die Investitionsneigung: Vier von zehn Unternehmen (42 Prozent) sehen fehlende Fachkräfte als Hürde für den Einsatz neuer Technologien. Außerdem scheinen viele Betriebe sich bei der Digitalisierung selbst im Weg zu stehen beziehungsweise das Thema offensichtlich doch nicht so wichtig zu nehmen. Knapp ein Drittel nennt fehlende Zeit (32 Prozent) beziehungsweise langwierige Entscheidungsprozesse (29 Prozent) als Hürden für den Einsatz neuer Technologien. Gut jedem fünften Unternehmen (21 Prozent) fehlen dafür offenbar die finanziellen Mittel. Berg verglich die Situation mit einem Motorsportrennen, wo Fahrer keine Zeit hätten, an die Box zu fahren.

Spezialisten dringend gesucht

Zur CEBIT zeigt sich die deutsche Digitalwirtschaft in guter Verfassung, konstatierte der Bitkom. Die IT- und Telekommunikationsbranche werde auch 2018 stabil wachsen und neue Arbeitsplätze schaffen. Die Umsätze würden dieses Jahr voraussichtlich um 1,7 Prozent auf 164 Milliarden Euro steigen, hieß es. Die Beschäftigung steigt nach aktueller Prognose um 3,8 Prozent auf 1.134.000. Dem kräftigen Job-Plus stehe allerdings ein wachsender Fachkräftemangel gegenüber. Branchenübergreifend würden derzeit 55.000 IT-Spezialisten gesucht.