VW, Daimler, BMW

Digitalisierung braucht mehr Speed

01.04.2019
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Die deutschen Automobilbauer schalten in Sachen Digitalisierung einen Gang hoch. Mehr Geschwindigkeit und Agilität in der IT sollen im Rennen um die Mobilitätskunden von morgen den Erfolg bringen.

Daimler-CIO Jan Brecht hat ein ehrgeiziges Ziel. Um die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern, soll die IT des schwäbischen Automobilkonzerns künftig doppelt so schnell arbeiten wie bisher. "#TwiceAsFast" nennt der IT-Chef seine Initiative und betont: "Geschwindigkeit und Qualität müssen keine Gegensätze sein."

"Geschwindigkeit und Qualität müssen keine Gegensätze sein", sagt Daimler-CIO Jan Brecht.
"Geschwindigkeit und Qualität müssen keine Gegensätze sein", sagt Daimler-CIO Jan Brecht.
Foto: Daimler AG

Auf dem automotiveIT Kongress in Berlin erläuterte Brecht, welche Prioritäten sich daraus für die Daimler-IT ergeben. Freie und Open-Source-Software gehören für ihn ebenso dazu wie DevOps-Strukturen und Cloud Computing. Mehr Flexibilität soll auch eine API-Architektur bringen. Daimler investiere zudem verstärkt in qualifiziertes Personal und lege besonderen Wert auf die Themen Security sowie Identity and Access Management.

Die strategische Vorgabe des Managements lautet: "Speeding up our CASE Business". Das Kürzel steht für Connectivity, Autonomous Driving, Sharing und Electric. Ganz ähnlich wie der Münchner Erzrivale BMW beschreibt Daimler damit die Zukunftsfelder, die die Mobilität prägen werden.

Digital Experience bei Porsche

Um Geschwindigkeit geht es auch bei der Volkswagen-Tochter Porsche. "Zum Thema Digitalisierung haben wir uns gefragt: Was können wir vom Motorsport lernen?", berichtete CIO Mattias Ulbrich in Berlin. Für die Ausrichtung der IT hat Porsche ein "Strategy Execution Framework" entworfen, das den geschäftlichen Nutzen von IT-Initiativen in den Mittelpunkt stellt. Die Themen Agilität und Speed spielten dabei eine wichtige Rolle, so Ulbrich.

"Digital Experience ist mittlerweile genauso wichtig wie das Design unserer Produkte", sagt Porsche CIO Mattias Ulbrich.
"Digital Experience ist mittlerweile genauso wichtig wie das Design unserer Produkte", sagt Porsche CIO Mattias Ulbrich.
Foto: Porsche

Porsche setze agile Methoden nicht nur in der IT, sondern beispielsweise auch in der Produktion ein. Erfolgsentscheidend seien am Ende aber die Faktoren "People and Culture". Ulbrich: "Wir müssen die Menschen mitnehmen". Sonst könne die digitale Transformation nicht gelingen.

Die strategische Marschrichtung beschreibt der Sportwagenbauer in seiner "Mission D" mit dem Slogan: "Wir bringen das Porsche-Erlebnis in die digitale Zukunft." Dahinter stehen die zentralen Handlungsfelder Digital Experience, Artificial Intelligence (AI) und Digital Security. Geht es um digitale Kundenerfahrungen, richte sich Porsche konsequent an User Journeys aus, so der CIO: "Digital Experience ist mittlerweile genauso wichtig wie das Design unserer Produkte."

Zugleich habe man eine übergreifende AI-Strategie entwickelt, die es beispielsweise ermögliche, aus dem Verhalten von Kunden beim Nutzen von Fahrzeugfunktionen zu lernen. Porsche setze künstliche Intelligenz und speziell Machine Learning aber auch in vielen anderen Bereichen ein, beispielsweise in der Entwicklung und der Produktion sowie in Finanz- und Personalabteilungen.

Digitale Leitplanken bei VW

Einen anderen Blickwinkel auf das Thema präsentierte Falk Bothe, Director Digital Transformation Office bei der Volkswagen AG. Seine Aufgabe sei es, "die Leitplanken für die digitale Transformation des Volkswagen-Konzerns" zu setzen. Die Anforderungen der Kunden hätten sich grundlegend verändert, so der Manager. Daraus ergäben sich für Volkswagen ganz neue Herausforderungen: "Wir müssen ein Ökosystem aufbauen, das Mobilität auf Nachfrage bereitstellt, ergänzt durch ein breites Spektrum unterschiedlichster Services."

Vor einigen Jahren habe man die zentrale Position eines Chief Digital Officers (CDO) etabliert, spielte Bothe auf Johann Jungwirth an, der Mitte 2018 seinen Posten abgeben musste und inzwischen für Volkswagen in den USA arbeitet. Nun aber gehe es darum, die Verantwortung für die digitale Transformation in die Fachbereiche zu bringen. Inzwischen gebe es in jedem funktionalen Bereich und in jeder Volkswagen-Marke Digital-Verantwortliche.

Erfolgsentscheidend ist aus Bothes Sicht, ein gemeinsames Verständnis über die Bedeutung der digitalen Transformation zu entwickeln. Dazu müsse man die richtigen Menschen an Bord haben, eine gemeinsame Sprache sprechen und Technologiepotenziale ausschöpfen.

Letzteres will Volkswagen auch mit Unterstützung von Amazon angehen. Erst kürzlich haben die Unternehmen angekündigt, die Vernetzung der VW-Fabriken und die Digitalisierung der Lieferketten gemeinsam anzugehen. Mit dem Partner Microsoft arbeitet der Konzern zudem an der Volkswagen Automotive Cloud.

BMW bald komplett agil

Elektrisch, vernetzt und autonom - so sieht auch BMW das Automobil der Zukunft. Die Erfolgsformel für den notwendigen Wandel in der IT folgt dem Motto "100% agile". CIO Klaus Straub hat seine IT-Organisation dafür komplett neu aufgestellt: durchgehend agil und tief integriert mit dem Business.

BMW-CIO Klaus Straub: "Wir haben es mit ganz neuen Mitbewerbern zu tun, die in unser Geschäft eindringen. Und die arbeiten zu 100 Prozent agil."
BMW-CIO Klaus Straub: "Wir haben es mit ganz neuen Mitbewerbern zu tun, die in unser Geschäft eindringen. Und die arbeiten zu 100 Prozent agil."
Foto: IDG / Foto Vogt

Den Kritikern eines derart radikalen Umbaus - und damit auch all jenen, die das Konzept einer Bimodal IT verteidigen - hielt Straub auf dem automotiveIT Kongress entgegen: "Wir haben es mit ganz neuen Mitbewerbern zu tun, die in unser Geschäft eindringen. Und die arbeiten zu 100 Prozent agil." Er meine damit nicht Daimler, Audi oder Porsche sondern beispielsweise Microsoft und Google. Ohne agile Methoden könne man das Potenzial neuer Technologien wie Blockchain oder Analytics zudem gar nicht ausschöpfen.

BMW befinde sich mitten in der Implementierungsphase der Agile-Strategie und sehe erste Erfolge, berichtete der CIO. So sei etwa ein gemeinsames Framework und ein Agile Working Model für alle Teams in der BMW Group IT entstanden. Straub ist sich sicher: "In drei Jahren wird das kein Thema mehr sein. Dann haben wir die Strategie umgesetzt."