Bitkom-Konferenz hub.berlin

Digitalisieren in Zeitlupe

11.04.2019
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Telekom-Chef Höttges beklagt verlorene Jahre

Timotheus Höttges, Chef der Deutschen Telekom, warnte auf der Bitkom-Konferenz offen davor, dass Deutschland und Europa im globalen Wettbewerb zwischen den USA und China aufgerieben werde könnten. Nationen wie China investierten Milliarden in Schlüsseltechnologien. Europa dagegen habe sich in den vergangenen drei Jahren mit internen Problemen, Flüchtlingsfragen und Nationalismus beschäftigt. Keiner habe sich über die Wettbewerbsfähigkeit Gedanken gemacht. "Das waren drei verlorene Jahre", so Höttges. "Wenn wir so weitermachen, werden wir weiter zurückfallen."

Der Telekom-Chef plädierte dafür, Ökosysteme zu schaffen, damit Europa global wettbewerbsfähig bleibe. Mehr Regulierung helfe an dieser Stelle nicht weiter. Wichtiger sei es, größer zu denken. Europäische Champions müssten entstehen, die den großen Konzernen in den USA und Asien Paroli bieten könnten. Die fragmentierten europäischen Märkte mit ihren vielen Playern stünden dem jedoch im Wege. "Wir müssen Europa noch stärker als zusammenhängende Markt definieren."

Von der Politik verlangte Höttges mehr Unterstützung. Dazu zählten Steuererleichterungen für Forschung und Entwicklung sowie für Investitionen in neue Techniken und Startups. Über die aktuell laufende Auktion der 5G-Frequenzen, die gerade die Fünf-Milliarden-Euro-Grenze durchbrochen hat, beklagte sich der Telekom-CEO bitterlich. "Das ist ein Skandal." Für das Geld hätten sich weit über 20.000 Sendemasten aufstellen lassen. Geld, das nun beim Netzausbau fehle. "Man kann den Euro nur einmal ausgeben."

Wake-up-Call für mehr Umweltschutz

Höttges nahm sich noch eines weiteren aktuellen Themas an: Die "Fridays-for-Future"-Proteste der Schüler in ganz Europa seien eine schallende Ohrfeige für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Telekom-Chef sprach von einem Wake-up-Call und kündigte an, dass sein Konzern bis 2030 seine CO2-Emissionen um 90 Prozent senken werde. Ab 2021 wolle man den eigenen Energiebedarf aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Zudem soll der Plastikverbrauch bei der Telekom massiv verringert werden.

Während über das Für und Wider der richtigen Industrie- und Technologiepolitik gestritten wurde, machte die hub.berlin-Konferenz aber auch deutlich, dass sich etliche Unternehmen bereits auf den Weg der Digitalisierung begeben haben. Ein Beispiel ist der Werkzeugmaschinenbauer Trumpf, der derzeit Machine-Learning-Lösungen entwickelt und sein Portfolio neu aufstellen will. "Wie bekommt man die neue Denke in ein Unternehmen, dem es sehr gut geht", fragte Julia Duwe, Forschungsleiterin und Chief Agile Manager bei Trumpf, in die Runde. Für Trumpf bedeute das, nicht einfach nur mehr Maschinen zu verkaufen, sondern Lösungen für die Produktionsprozesse der Kunden zu finden - und das End-to-End.

Trumpf beginnt, seine Maschinen mit Sensoren auszurüsten. Darüber hinaus gebe es aber noch das traditionelle Geschäft, mahnt Duwe. Beide Seiten ließen sich nicht voneinander trennen. Das sieht auch Nandani Lynton so, Chief Transformation Officer für die Bereiche Digitales und Service in der Gas- und Energiesparte von Siemens. Auch hier gebe es nach wie vor viel Legacy. Der Lebenszyklus solcher Anlagen umfasse mehrere Jahrzehnte. Lynton sieht es in erster Linie als Führungsaufgabe, in so einem Umfeld Visionen für eine digitalisierte Zukunft zu entwickeln. Märkte und das eigene Geschäft müssten kontinuierlich beobachtet und neu justiert werden.

Startups als Digitalisierungs-Katalysator

Um den Digitalisierungsmotor in Gang zu kriegen, setzt die deutsche Wirtschaft auch auf Startups. So kann die 2017 gestartete Hub-Initiative der Bundesregierung erste Erfolge vorweisen. In den zwölf Standorten haben sich mittlerweile rund 450 Startups sowie rund 200 Unternehmen und etwa 100 Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen.

"Wir sind in Deutschland nicht die schnellsten und risikofreudigsten", bremste indes Janina Kugel, Chief Human Resources Manager bei Siemens, die Euphorie. Christian Piechnick, Mitbegründer und CEO von Wandelbots, konnte das nur bestätigen. Der Gründer, dessen Unternehmen sich auf Lösungen für das Anlernen von Robotern spezialisiert hat, berichtet von seinen Erfahrungen in Gesprächen mit größeren Unternehmen. Während man in Deutschland über Monate vertröstet werde, würden chinesische Unternehmen am liebsten sofort mit Pilotprojekten loslegen. "Das ist eine ganz andere Geschwindigkeit", konstatierte Piechnick.

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