Bitkom-Prognose 2022

Digitalindex im Sinkflug

12.01.2022
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Für 2022 rechnet der Bitkom mit einem soliden Wachstum im deutschen ITK-Markt. Doch die Corona-Euphorie des vergangenen Jahres scheint vorbei. Der Digitalindex der Branche zeigt nach unten.
Seit seinem Höhenflug Mitte 2021 befindet sich der Bitkom-Digitalindex wieder im Sinkflug.
Seit seinem Höhenflug Mitte 2021 befindet sich der Bitkom-Digitalindex wieder im Sinkflug.
Foto: Bitkom

Die Unsicherheiten bezüglich der weiteren Corona-Entwicklung hinterlassen Spuren im deutschen ITK-Markt. Nach der Sonderkonjunktur im vergangenen Jahr, als Firmen und Privatpersonen viel Geld in IT-Equipment investierten, um Arbeit und Privatkontakte am Laufen zu halten, scheint sich eine gewisse Ernüchterung breit zu machen. Zwar liegt der ifo-Digitalindex des Bitkom mit aktuell 24,0 Punkten auf einem soliden Wert, in etwa vergleichbar mit dem Vorkrisenniveau. Seit einem halben Jahr zeigt die Kurve aber nach unten. Mitte 2021 lag der Index noch auf einem Rekordwert von 40,5 Punkten.

Die Kurve des Digitalindex korrespondiert mit der allgemeinen Geschäftsstimmung in Deutschland. Auch die trübt sich seit einigen Monaten ein. Das gilt für die Beurteilung der aktuellen Lage (37,2 Punkte) wie für die Geschäftserwartungen der nächsten Monate (11,5 Punkte).

Schwieriges wirtschaftliches Umfeld

Vertreter der hiesigen IT-Lobby sprechen dennoch von einem stabilen Wachstum, verweisen aber auch auf ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld. Neben den Pandemie-bedingten Herausforderungen nennt der Bitkom zunehmende Probleme mit Lieferengpässen, Inflation und Fachkräftemangel.

Der Umsatz in der deutschen ITK-Branche soll 2022 auf knapp 185 Milliarden Euro wachsen.
Der Umsatz in der deutschen ITK-Branche soll 2022 auf knapp 185 Milliarden Euro wachsen.
Foto: Bitkom

Nichtsdestotrotz rechnet der Verband der ITK-Anbieter hierzulande mit einem soliden Wachstum. Bitkom-Berechnungen zufolge soll der deutsche Markt für IT, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent auf 184,9 Milliarden Euro wachsen. Zudem würden die Unternehmen in Deutschland bis zum Jahresende voraussichtlich 39.000 zusätzliche Jobs schaffen. Aktuell seien 1,25 Millionen Menschen in der Branche beschäftigt.

Digitalisierung als Antwort auf die Probleme unserer Zeit

"Ob Klima, Pandemie oder Standortwettbewerb - Digitalisierung ist die Antwort und ein entscheidender Teil der Lösung der Krisen und Herausforderungen unserer Zeit", gibt sich Bitkom-Präsident Achim Berg zuversichtlich. Wirtschaft, Staat und große Teile der Gesellschaft wollten die Digitalisierung beschleunigen und würden weiter in digitale Infrastrukturen, Geräte, Software und Services investieren. "Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung Schwung gegeben, und das belebt den Markt."

Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung Schwung gegeben, sagt Bitkom-Chef Achim Berg.
Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung Schwung gegeben, sagt Bitkom-Chef Achim Berg.
Foto: Bitkom

Die Belebung der ITK-Geschäfte durch Corona war bereits im vergangenen Jahr deutlich zu spüren. 2021 wuchs das Marktvolumen im Vergleich zum Vorjahr um 3,9 Prozent auf 178,4 Milliarden Euro, was vor allem am guten Geschäft mit IT-Hardware und Software lag. Auch in diesem Jahr sind diese beiden Segmente die Haupttreiber für das Wachstum. Die Geschäfte mit Software sollen um neun Prozent auf 32,4 Milliarden Euro zulegen, die Umsätze mit Hardware um 5,7 Prozent auf 33,2 Milliarden Euro. Die Erlöse mit IT-Services sollen stabil um 3,9 Prozent auf 43,0 Milliarden Euro wachsen.

Informationstechnik bleibt gefragt

Insgesamt wird der Markt für Informationstechnik dem Verband zufolge 2022 wie im Vorjahr überdurchschnittlich zulegen und den für Telekommunikation weit hinter sich lassen. Die Umsätze mit IT überstiegen 2021 erstmals die 100-Milliarden-Euro-Marke und werden nach den aktuellen Prognosen dieses Jahr um 5,9 Prozent auf 108,6 Milliarden Euro wachsen.

Im Bereich Telekommunikation setzt sich voraussichtlich das moderate Wachstum aus dem Vorjahr fort, so die Verantwortlichen des ITK-Verbands. 2022 soll der Markt um 0,9 Prozent auf 67,3 Milliarden Euro zulegen. Mit Telekommunikationsdiensten werden nach Bitkom-Berechnungen 49,2 Milliarden Euro umgesetzt, das ist ein Plus von 1,7 Prozent. Das Geschäft mit Endgeräten, insbesondere Smartphones, werde deutlich auf 11,2 Euro zurückgehen (- 3,1 Prozent). Die Investitionen in die Telekommunikations-Infrastruktur sollen um 2,2 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro steigen.

Problemkind bleibt der Markt für Unterhaltungselektronik. Laut Bitkom-Prognose fallen hier die Umsätze 2022 erneut, nachdem 2020 Corona-Sondereffekte zu einem zwischenzeitlichen Anstieg geführt haben. Dieser kleinste ITK-Teilmarkt schrumpft in diesem Jahr voraussichtlich um 2,3 Prozent auf 9,0 Milliarden Euro.

Es fehlen weiter viele Fachkräfte

Ein großes Problem bleibt der Fachkräftemangel. Jahr für Jahr schaffe die Branche zehntausende Arbeitsplätze. "Die Unternehmen könnten noch weitaus mehr Personal einstellen, aber es fehlt an Spezialistinnen und Spezialisten", klagt Berg. Quer durch alle Branchen seien 96.000 Stellen für IT-Fachkräfte unbesetzt. "Das bedeutet weniger Wachstum, weniger Wertschöpfung und weniger Innovation - und bremst uns bei der Digitalisierung aus und vergrößert den Abstand zu den Vorreitern wie den USA", so der Bitkom-Chef.

Im globalen Maßstab spiele der deutsche ITK-Markt nur eine untergeordnete Rolle, analysiert der Verband. Deutschlands Anteil an den weltweiten ITK-Ausgaben liege 2022 voraussichtlich bei 3,9 Prozent. Der Anteil gehe von Jahr zu Jahr zurück, weil die Investitionen und Ausgaben in anderen Ländern schneller zulegten, neben den USA (plus 4,7 Prozent) besonders im asiatischen Raum. Wachstumsspitzenreiter seien Indien (plus 9,1 Prozent) und China (plus 5,3 Prozent). Mehr als ein Drittel des ITK-Weltmarkts entfalle auf die USA (36,0 Prozent), mit deutlichem Abstand dahinter folge China mit gut einem Neuntel (11,6 Prozent).