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Digitaler Nachlass: So treffen Sie Vorsorge für Ihre Online-Konten im Todesfall

30.08.2017
Von 
Der Freie Autor Lenz Nölkel war sechseinhalb Jahre lang Senior Communication Manager und Editor In Chief bei der evernine Group.

Instagram, WhatsApp, eBay, PayPal, Twitter, Snapchat, Xing, Web.de, GMX, Apple, Amazon

Bei den meisten Diensten gibt es aber gar keine Vorsorgeregel. Daher ist es auf jeden Fall ratsam, für alle oder für einzelne Zugangskonten möglichst handschriftlich eine Vertrauensperson als persönlichen digitalen Nachlassverwalter zu bestimmen und die Zugangsdaten für den Betreffenden sicher aufzubewahren. Am besten eignet sich dafür ein Speicher-Stick. Voraussetzung ist allerdings, dass die Kontoinformationen einschließlich der Passwörter jeweils auf dem aktuellen Stand sind.

Eine Vorsorgeregel wie bei Google und Facebook ist selbst bei den Facebook-Töchtern Instagram und WhatsApp nicht zu finden. Bei eBay, PayPal, Twitter, Snapchat, Xing, Web.de, GMX und Co. ebenfalls Fehlanzeige. Die meisten Anbieter berufen sich wohl auf ihre AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen).

In den AGB von Apple iCloud heißt es laut dem Bayerischen Rundfunk: "Sie stimmen zu, dass Ihr Konto nicht übertragbar ist und dass alle Rechte an Ihrer Apple ID oder Ihren Inhalten innerhalb Ihres Kontos mit Ihrem Tod enden." Gleiches gilt auch für die meisten anderen Dienste. Amazon räumt den Kunden in den AGB auch nur Nutzungsrecht ein. "Ein Account ist nicht übertragbar und alle Rechte an dem Account und den gespeicherten Inhalten erlöschen mit dem Tod des Nutzers", heißt es auch bei Yahoo.

Der BR zitiert aber Rechtsanwalt Steiner, den Präsidenten des Deutschen Forums für Erbrecht mit den Worten, dass es noch kaum Gerichtsurteile gebe, die eindeutig klären könnten, ob die Geschäftsbedingungen zum Wegfall von Lizenzen im Todesfall überhaupt mit dem deutschen Recht vereinbar sind.

Digitale Nachlassdienste

Es gibt auch Firmen, die solche digitalen Nachlassdienste anbieten, zum Beispiel der technische Dienstleister Columba oder die von der Theologin Birgit Aurelia Janetzy gegründete Social-Media Digitalberatung semno. Eine Übersicht über solche Dienstleister findet sich bei digital-danach.de. Darüber können Sie auch verschiedene Preisangebote vergleichen. Manche der Service- oder Beratungsfirmen wagen sich bei der Beschaffung von Zugangsdaten per Hacking auch schon mal in rechtliche Grauzonen vor (siehe ganz unten), von denen man selbst möglichst die Finger lassen sollte.

So kommen Ihre Angehörigen an Ihre Konten

Wenn keine Vorsorge getroffen wurde, können sich die engsten Angehörigen des Verstorbenen ohne Zugangsdaten schriftlich an Amazon, eBay, Google, PayPal, Twitter und Xing wenden. Bei einigen Diensten wie WhatsApp muss man amtliche Nachweise über den Tod des Konto-Inhabers vorlegen, Microsoft verlangt diese sogar mit einer direkten Anfrage an die Zentrale in den USA. Es ist aber in der Regel gar nicht so einfach, an die nötigen Informationen und Formulare heranzukommen.

Bei Instagram allerdings besteht wie bei Facebook jeweils über ein Formular im Hilfebereich die Möglichkeit zu beantragen, dass das Konto des Verstorbenen in den Gedenkzustand versetzt oder gelöscht wird .

Bei Microsoft findet man für den beliebten kostenlosen Mail- und Kalender-Service outlook.com sowie für Hotmail.com, Live.com und MSN.com den etwa sperrig benannten Nächster-Angehöriger-Prozess. Dort heißt es, dass vor einer Freigabe des E-Mail-Kontos eines verstorbenen oder entmündigten Nutzers dem Softwareriesen zuerst eine gültige Vorladung oder eine gerichtliche Verfügung förmlich zugestellt worden sein muss.

Twitter ermöglicht auf Antrag über ein nicht näher spezifiziertes Kontaktformular auch eine Archivierung des digitalen Erbes.

Die Deutsche Telekom bietet den Hinterbliebenen an, über jeweilige Online-Formulare einen Festnetz- oder Mobilfunkvertrag löschen zu lassen oder übernehmen zu können. LinkedIn hält im Hilfe-Bereich deutsche Informationen und den Link zu einem englischsprachigen Online-Formular bereit, über das Angehörige oder Freunde beantragen können, dass das Konto des Verstorbenen gelöscht werden soll.

Auch berufliche Netzwerke wie LinkedIn ermöglichen Angehörigen und Freunden, das Löschen des Nutzerkontos.
Auch berufliche Netzwerke wie LinkedIn ermöglichen Angehörigen und Freunden, das Löschen des Nutzerkontos.

Manche Anbieter zeigen, dass man mit Nachlass als Suchbegriff nicht weiterkommt. GMX ist ein gutes Beispiel dafür. Dort lautet der Suchbegriff auf den Hilfeseiten jeweils Vorgehen im Trauerfall. Erbberechtigte Angehörige von Personen, die einen GMX-ProMail- oder TopMail-Vertrag abgeschlossen haben, können diesen Vertrag dort gegen Vorlage einer Kopie der Sterbeurkunde außerordentlich kündigen. "Darüber hinausgehende Anliegen werden im Einzelfall bearbeitet", heißt es dort mit dem Verweis, sich an den Kundendienst zu wenden. Dafür ist im Kundencenter eine kostenlose Rufnummer hinterlegt. Die setzt jedoch voraus, dass der Hinterbliebene Zugang zu dem Konto hat. Die GMX-Schwester Web.de hält unter Vorgehen im Trauerfall ebenfalls Informationen und die Nutzung der kostenlosen Telefon-Hotline bereit. Die deutsche Web.de- und GMX-Mutter 1und1 selbst bietet im Hilfe-Center mit den jeweiligen Formularen im Todesfall noch eine Reihe von Möglichkeiten für die Angehörigen, einschließlich Sonderkündigungsrecht und Vertragsübernahme.

Viele Anbieter wie GMX, Web.de und 1&1 halten unter dem Begriff „Vorgehen im Trauerfall“ Informationen zur Kündigung und Vertragsübernahme bereit.
Viele Anbieter wie GMX, Web.de und 1&1 halten unter dem Begriff „Vorgehen im Trauerfall“ Informationen zur Kündigung und Vertragsübernahme bereit.

Yahoo beruft sich wie gesagt auf die AGB, wonach das Konto nach dem Ableben des Nutzers erlischt.

Insofern wird von Experten geraten, nicht sofort von dem Tod des Nutzers Meldung zu machen, wenn von den Angehörigen gewünscht wird, auf Inhalte des Kontos zuzugreifen. Der Schmerz über den Trauerfall sitzt aber oft so tief, dass man vielleicht erst viel zu spät daran denkt, im Konto des oder der Verstorbenen nachzusehen. Im tragischen Fall der damals 15-Jährigen, die 2012 vor eine einfahrende U-Bahn stürzte, kam der Mutter wohl zu spät die Idee, in deren Facebook-Account nachzusehen, ob Ihre Tochter Opfer von Cyber-Mobbing geworden ist. Andernfalls hätte sie nicht gegen den Social-Media-Riesen prozessieren müssen, um schließlich in zweiter Instanz zu verlieren.

Hinweis: Sollte gar das mit Facebook, Twitter, Instagram, Google und Co. verknüpfte E-Mail-Konto nicht mehr existieren, weil es wegen Nichtaktivität vom Betreiber gelöscht wurde, dann haben die Angehörigen nicht einmal mehr die Möglichkeit, via Mail das Kennwort zurückzusetzen und sich dann über ein neues Kennwort einzuloggen, um an die Konten und Inhalte des Verblichenen heranzukommen.