Bereits auf der CeBIT im März deutete sich an, dass die Automobilhersteller auf mehr IT in ihren neuen Modellen setzen. Während der Messe präsentierte zum Beispiel Audi seinen neuen A3 mit dem Telematiksystem "Connect". Von außen betrachtet zunächst unscheinbar, versteckt sich die Innovation im Inneren. Auf Knopfdruck fährt ein Display aus dem Armaturenbrett, auf dem der Fahrer nicht nur ein herkömmliches Navigationssystem steuern kann, sondern auch verschiedene Multimedia-Dienste an die Hand bekommt. Aber nicht nur Audi treibt die Entwicklung voran. BMW hat mit "ConnectedDrive" eine ähnliche Technik bereits seit Jahren im Portfolio. Gleichzeitig bietet Mercedes-Benz seit kurzem mit "Comand Online" Services an, die in die gleiche Richtung deuten.
Die Stoßrichtung dieser Initiativen ist klar: Die Autos sollen dauerhaft mit dem Internet verbunden werden sowie untereinander ("Car-to-Car") und mit ihrer Umgebung ("Car-to-Infrastructure") kommunizieren können. Der Digital Lifestyle, wie ihn die Nutzer von Mobilgeräten kennen, wird mit Telematiksystemen in die Fahrzeuge übertragen. Allerdings sind die Systeme in ihrem Funktionsumfang noch limitiert. Office-Anwendungen finden sich nur spärlich. Dafür halten etwa soziale Medien und News-Funktionen Einzug in den Autos.
Im Video erklärt Jürgen Hill, was im vernetzten Auto machbar ist.
Das Auto als Hotspot
Audi hat mit Connect ein System auf den Markt gebracht, das eine handelsübliche Handy-SIM-Karte verwendet. Die Anlage ist für nahezu alle Modelle vom A1 bis zum Q7 erhältlich. Allerdings müssen sich Kunden vor dem Kauf bewusst darüber sein, dass sie zwei Sonderausstattungen für den Internet-Zugang benötigen. Dazu gehören "MMI Navigation plus" mit Touchpad-Eingabe für 3500 Euro und das Autotelefon "Bluetooth online", das noch einmal 890 Euro kostet. Der Kunde erhält damit als Alternative zum Mobiltelefon ein UMTS-Modul. Möchte man das System ohne Smartphone-Anbindung nutzen, empfiehlt sich eine Dual-SIM-Karte, wie sie verschiedene Mobilfunkbetreiber anbieten. Neben der Verwendung des Moduls ist die Kopplung mit einem Smartphone per Bluetooth via "SIM Access Profile" gewährleistet. Für Fans von Apple-Geräten und einigen Android-Mobiltelefonen besteht der Nachtteil, das derzeit nicht alle Devices diesen Übertragungsmodus unterstützen.
Wie bei BMW und Mercedes-Benz bietet Connect die Möglichkeit, das Auto als WLAN-Hotspot zu verwenden. Audi zufolge funktioniert die Konfiguration einfach: Das System findet automatisch den MobilfunkProvider. Einzustellen ist lediglich, ob die Datenverbindung automatisch oder auf Nachfrage erfolgen soll. Je nach Mobilfunknetz und verfügbarer Datenrate ergeben sich hierbei Unterschiede bei der Datenübertragung. Nutzen mehrere Personen das WLAN, verringert sich der Datendurchsatz.
Neben der WLAN-Konnektivität umfasst das Angebot momentan sechs Funktionen. So verspricht Audi mit "Music Stream" den weltweiten Empfang von Internet-Radiosendern - ein Beispiel für den hohen Stellenwert der weltweiten Vernetzung in der Konzernstrategie von Audi. Musiksender lassen sich ansonsten nach Musikrichtung oder Freitextsuche auswählen. Zusätzlich ist das Abspielen der auf dem Smartphone gespeicherten MP3s über Connect möglich.
Atos baut "Smart Mobility"
Der IT-Dienstleister Atos hat das Thema "Connected Vehicle" zu einem strategischen Wachstumsfeld erklärt und arbeitet mit zahlreichen OEMs zusammen (unter anderem BMW, Daimler, Renault, Volks wagen). Kern dieser Ausrichtung sind Mobilitätslösungen für den gesamten Automarkt ("Smart Mobility") und Software für Telematiksysteme. Das Unternehmen entwickelt hierbei beispielsweise das Frontend, App Stores sowie Content-Management- und Infotainment-Systeme.
Die angebotenen Lösungen sollen laut Atos Multi-Plattform- und Multi-Prozessor-kompatibel sein. Der Dienstleister bleibt mit seinem Service allerdings im Hintergrund ("white labeling").
- Auto trifft Internet
Vernetzte Systeme (im Bild Audi connect) haben mittlerweile alle deutschen Premium-Hersteller im Programm. - Audi connect im Detail
Die modernen Telematik-Systeme bieten Streaming-Media-Dienste, Internetzugang und verschiedene Apps an. - Comand online
Mit Internet, Apps und neuem Design wollen Autobauer die Generation des digital Lifestyle ansprechen. - Mobil Surfen
Per eingebautem Browser lässt sich im Auto auch im Internet surfen. - Datenverbindung
Der Zugang zum Internet erfolgt dabei über die Mobilfunknetze. - Comand online
Neben einem Browser warten die Fahrzeugportale mit den verschiedensten Apps auf. - Panoramio auf Rädern
So haben etwa die meisten Systeme Googles Panoramio-Dienst an Bord. - Streetview auf Rädern
Mit Hilfe von Streetview kann sich der Fahrer im Auto die Umgebung seines Reiseziels vorab ansehen. - Suchmaske
Bei der Suche nach lokalen Besonderheiten hilft unterwegs jetzt auch Google Search im Auto. - Head-up-Display
Neben den klassischen LCD-Bildschirmen halten im Auto auch Head-up-Displays Einzug, um die Informationen direkt auf die Scheibe zu projizieren. - Jog Wheel
Die Bedienung der Systeme erfolgt in der Regel mithilfe eines Drehknopfs auf der Mittelkonsole. - Minimalism Analyser
Neue Apps, wie hier im Mini analysieren und bewerten das Fahrverhalten des Lenkers. - Zugriff aus der Ferne
Vernetzt kann das Auto auch aus der Ferne per Smartphone ver- und entriegelt werden.
Staus umgehen per Crowdsourcing
Wer Staus umgehen möchte, kann auf Verkehrsdaten zugreifen und Informationen über Stauentstehung sowie einzelne Straßenabschnitte abrufen. Audi-Partner Inrix, ein Anbieter für Live-Staumeldungen, liefert hierfür die Informationen. Die App "Inrix XD Traffic" sammelt im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen die Staudaten per Crowdsourcing über Mobiltelefone. Während der Fahrt sendet das Handy oder UMTS-Modul anonymisierte Ortsdaten an ein zentrales System. Die gesammelten Informationen bleiben aktuell, und der Nutzer wird in Echtzeit mit neuen Verkehrsdaten versorgt.
Audi bietet mit seinem Telematiksystem grundsätzlich zwei Navigationsarten an. Zum einen existiert mit "myAudi" ein personalisierter Service für registrierte Kunden. Auf diese Weise kann man die Reise bereits auf dem heimischen Rechner planen und über das Autotelefon an das MMI-Navigationssystem schicken. Daneben kann der Fahrer die Route mit Hilfe von Google Maps errechnen. Da Audi die Nutzung der Internet-basierten Anwendungen während der Fahrt erlaubt, ist etwa die Google-Suche im Browser auch unterwegs möglich.
Die Anlage lässt sich neben der Sprachsteuerung über ein berührungssensitives Eingabefeld bedienen ("MMI touch"), welches das Handling eines Smartphones imitiert. So kann der Fahrer etwa Buchstaben für Notizen oder Telefonnummern per Finger auf das Eingabefeld malen.
Navigation in 3D
Ein Schmankerl ist die Navigation mit Google-Earth-Bildern sowie Street View. Die Bilder werden bei dieser Variante als dreidimensionale Stadt- und Landschaftsansicht dargestellt. Wer während der Fahrt ein Museum oder Restaurant sucht, kann einen Point of Interest via Sprachbedienung ausfindig machen ("City Events"). Ein weiterer Dienst zeigt Wetterprognosen an, die mit der Suche nach alternativen Reisezielen kombinierbar sind. Regnet es auf der Fahrt zu einem Ort, helfen Wikipedia-Einträge, ein alternatives Ziel zu suchen. Schließlich bietet das System eine Nachrichtenfunktion, bei der eine Überschrift mit kurzem Teaser-Text wie in einem Nachrichtenticker angezeigt wird. Der Inhalt stammt von verschiedenen Nachrichtenportalen, die der Fahrer länderspezifisch eingrenzen kann. Für Social-Media-Freunde bietet etwa der A3 die Community-Dienste Facebook und Twitter an. Vorgefertigte Textbausteine für Facebook lassen sich in der Anwendung mit aktuellen Ortsdaten kombinieren. Der Fahrer kann seinen Freunden mitteilen, wo er sich aufhält. Wird die Funktion von einem Bekannten verwendet, navigiert Connect den Nutzer zur aktuellen Position des Bekannten.